Afrikanische Schweinepest: Schlachtung trotz negativer Tests
Im Emsland wurden 1.800 Schweine trotz negativer Tests notgeschlachtet. Der Tierschutzbund hält das für „tierschutzwidrig und unverhältnismäßig“.
Der Deutsche Tierschutzbund hätte 1.800 Schweinen gern das Leben gerettet: Die Tiere wurden in der vergangen Woche notgeschlachtet – um einer weiteren Ausbreitung der Afrikanischen Schweinepest (ASP) im südlichen Emsland vorzubeugen. Der betroffene Betrieb in Freren hatte zuvor Ferkel von einem Hof übernommen, auf dem das Virus bereits ausgebrochen war. Da es für die Schweinepest in dem neuen Betrieb noch gar keine Nachweise gab, kritisiert der Tierschutzbund die Tötung als „tierschutzwidrig und unverhältnismäßig“.
Die Afrikanische Schweinepest ist eine Viruserkrankung, die sowohl Wildschweine als auch Hausschweine bekommen können und die in der Regel zum Tod führt. Sie ist sehr leicht übertragbar und kann beispielsweise über die Gummistiefel der Landwirt:innen in den Stall gebracht werden. Bisher gibt es keine Impfung. Innerhalb der Landwirtschaft gibt es große Sorgen vor den wirtschaftlichen Folgen einer Ausbreitung: daher die drastischen Maßnahmen.
Ziel der Notschlachtung sei es gewesen, „eine mögliche Übertragung des hoch ansteckenden Erregers unbedingt zu vermeiden“, sagt Natascha Manski, Sprecherin des niedersächsischen Agrarministeriums. Das Risiko einer Weiterverbreitung sei nicht auszuschließen gewesen, auch wenn so eine vorsorgliche Tötung ein „absoluter Ausnahmefall“ sei.
Anders sieht das der Deutsche Tierschutzbund und stützt sich dabei auf das Tierschutzgesetz: Demnach darf Tieren nicht ohne vernünftigen Grund Schmerzen, Leiden oder Schäden zugefügt werden. „Tiere ohne Nachweis einer Viruserkrankung wie der Afrikanischen Schweinepest zu töten, entbehrt des vernünftigen Grundes“, sagt Tierärztin Melanie Dopfer. Schließlich seien die Tiere in allen Stichproben negativ getestet worden. Stattdessen hätten die Sicherheitsmaßnahmen des Betriebs hochgefahren und die Testungen ausgeweitet werden müssen: „Jedes einzelne Tier“, sagt die Tierärztin, „hätte beprobt und die Proben analysiert werden müssen“, um die Tiere so „freizutesten“.
Die industrielle Landwirtschaft ist Teil des Problems
Das aber ist für alle Beteiligten ein großer Aufwand und kostet Geld. Das Landvolk, der niedersächsische Bauernverband, teilt die Kritik der Tierschützer:innen in diesem Fall nicht. Trotz der negativen Stichproben, „ist es in Anbetracht der Situation und der Gefährdung von weiteren Betrieben dringend geboten, im Zweifel eine Keulung anzuordnen“, sagt Vizepräsident Jörn Ehlers, selbst Schweinehalter. Dennoch sei es für die Landwirte „eine enorme psychische Belastung“, wenn der gesamte Tierbestand getötet werden müsse. Es gebe vom Landvolk ein Sorgentelefon, bei dem sich Landwirt:innen melden könnten.
Dass eine schnelle Reaktion auf die Ausbreitung der Seuche notwendig ist, zeigt sich in den landwirtschaftlichen Daten der Region: Der erste niedersächsische ASP-Ausbruch im Ortsteil Ahlde in der Gemeinde Emsbüren wurde am 2. Juli bekannt. Seither gibt es dort eine zehn Kilometer große Sperrzone. Sie erstreckt sich über Teile des Landkreises Emsland und des angrenzenden Landkreises Grafschaft Bentheim.
Tiertransporte sind hier eingeschränkt und auch Menschen dürfen nicht mehr einfach so auf die Höfe. Laut dem Landwirtschaftsministerium gibt es allein in diesem Radius 296 weitere Schweinebetriebe mit insgesamt rund 195.000 Tieren.
Das hält Tierschützerin Dopfer für einen Teil des Problems: Sie kritisiert die industrielle Schweinehaltung insgesamt, in der es „gar nicht mehr möglich ist, gesunde von erkrankten Tieren zu separieren“. Eine Quarantäne sei im Seuchenfall nicht möglich. Dazu bräuchte es in vielen Fällen mehr Platz, um unterschiedliche Bereiche einzurichten. Dann könne man gegebenenfalls auch die Tötung von noch gesunden Tieren verhindern, sagt sie. Ob der Deutsche Tierschutzbund gegen die ihrer Ansicht nach tierschutzwidrigen Tötungen der 1.800 Schweine Klage einreichen wird, ließ Dopfer offen.
Doch auch das Ministerium begründet die Tötungen damit, dass man „vielen weiteren tausend Tieren mögliche Leiden ersparen“ wolle. Die Tötungen seien „tierschutzgerecht“ vorgenommen worden, sagt Sprecherin Manski. Das Veterinäramt des Landkreises Emsland äußerte sich auf taz-Anfrage allerdings nicht dazu, wie die Schweine konkret getötet wurden.
Währenddessen dauern die Untersuchungen in der Sperrzone an. Das Veterinäramt untersucht Stichproben von allen Betrieben in diesem Umkreis. Bisher sind dem Ministerium keine weiteren Betriebe bekannt, in denen es Kontakte mit dem Virus gab.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israel, Nan Goldin und die Linke
Politische Spiritualität?
Matheleistungen an Grundschulen
Ein Viertel kann nicht richtig rechnen
Innenminister zur Migrationspolitik
Härter, immer härter
Nikotinbeutel Snus
Wie ein Pflaster – aber mit Style
Prozess gegen Letzte Generation
Wie die Hoffnung auf Klimaschutz stirbt
Börsen-Rekordhoch
Der DAX ist nicht alles