Afrika-Cup im Fußball: Im Stadion des Friedens
Bouaké liegt im Norden der Elfenbeinküste. Hier hat der Fußball schon einmal Geschichte geschrieben – dank des Einsatzes von Didier Drogba.
Es ist heiß in Bouaké. Im Norden der Elfenbeinküste steigt die Temperatur in diesen Tagen gern auf 36 Grad oder darüber. Dazu lähmt die hohe Luftfeuchtigkeit. Das sind schwere Bedingungen für die Fußballer, die gerade am Afrika-Cup teilnehmen. Bouaké ist eine von fünf Städten, in denen der Cup ausgespielt wird. Am Samstag findet hier das erste Achtelfinale des Wettbewerbs statt – Namibia wird im „Stadion des Friedens“ auf Angola treffen.
Die Hitze erschwert im Grunde jede körperliche Betätigung. Tritt man in der Stadt aus dem zentral gelegenen Carrefour-Supermarkt, um anschließend die Avenue Jaques Aka zu überqueren, sollte man dennoch hellwach sein. Man läuft sonst Gefahr, von einem der zahlreichen Mopeds erfasst zu werden. Die Stadt, rund 350 Kilometer nördlich vom Wirtschaftszentrum Abidjan gelegen, ist voll von den kleinen Motorrädern. „Ein Erbe aus der Rebellenzeit“, sagt Kafalo Sekongo.
Der Lehrer, der in Bouaké aufgewachsen ist, war damals dabei, als die Mopeds in die Stadt kamen. Es passierte, als in der Elfenbeinküste 2002 Teile des Militärs einen Putschversuch starteten und das Land nach dessen Scheitern in zwei Teile zerfiel: Während im Süden die Regierung um Staatspräsident Laurent Gbagbo die Kontrolle behielt, übernahm eine Rebellengruppe namens „Die neuen Kräfte der Elfenbeinküste“ den Norden mit dessen Zentrum Bouaké.
Ministerien, Staatsbeamte, Polizei, Politiker – sie alle verließen damals, im Sommer 2002, den Norden. Auch die Zollbeamten. „Daraufhin wurde Bouaké regelrecht von günstig zu erwerbenden chinesischen Motorrädern überschwemmt, die aus Burkina Faso und Mali ins Land gebracht wurden. Weil sie zollfrei und damit sehr günstig waren, konnten sich viele Leute plötzlich so ein Ding leisten“, erklärt Sekongo.
Didier Drogba, 2005
Der heute 57-Jährige, der seinerzeit die Beziehungen Bouakés zur deutschen Partnerstadt Reutlingen organisiert hatte, kehrte selbst nach kurzer Flucht in seine Heimatstadt zurück und bekam alles mit: den Zerfall des Ortes und seinen Wiederaufbau, nach dem Friedensabkommen von 2007, bei dem die verfeindeten Parteien Frieden schlossen.
Der Appell des Didier Drogba
Dass es zu dieser Befriedung kam, hatte ganz wesentlich mit Fußball zu tun. Besser gesagt: mit Didier Drogba und seinen Leuten – Kolo Touré, Emmanuel Eboue, Arouna Dindane und Didier Zokora. Es war die goldene Fußballergeneration der Elfenbeinküste, die sich 2005 – inmitten des Bürgerkriegs – für die Weltmeisterschaft in Deutschland qualifizieren konnte. Die Fußballer galten als Helden im Land, Drogba wurde zu jener Zeit bereits wie ein Erlöser verehrt.
Nach dem entscheidenden 3:1-Sieg über den Sudan – Konkurrent Kamerun hatte zeitgleich nur 1:1 gegen Ägypten gespielt – rief dieser Drogba ein internationales TV-Team zu sich und seinen Leuten in die Umkleidekabinen in den Katakomben des Stadions im sudanesischen Omdurman.
„Männer und Frauen der Elfenbeinküste“, sprach Drogba in die Kamera, „wir haben heute Großes für unser Land geschafft. Aber das ist alles nichts wert, wenn wir nicht zusammenhalten. Ich bitte Euch: Legt die Waffen nieder. Haltet Wahlen ab. Befriedet unser gemeinsames Land!“
Ein Jubelschrei ging durchs Land. Doch erst zwei Jahre später kam es zum wirklich entscheidenden Moment, der den Frieden bringen sollte. Und wieder war es Drogba, der den entscheidenden Impuls gab. Diesmal ging es um die Qualifikation für den nächsten Afrika-Cup. Eigentlich sollte das letzte Qualifikationsspiel von Drogbas „Elefanten“ gegen Madagaskar im Juni 2007 in Abidjan stattfinden. Doch der Kapitän des Teams überredete die Verbands-Verantwortlichen dazu, das Match in Bouaké, der Rebellenhochburg, stattfinden zu lassen.
So liefen die Fußballhelden inmitten von Tausenden von Soldaten ins baufällige Stadion der Stadt ein und bezwangen den bemitleidenswerten Gegner unter höchsten Sicherheitsvorkehrungen mit 5:0. Es war die Wende. Wie ein Messias wurden Drogba und seine Teamkollegen von Rebellensoldaten und Regierungskräften durch die Arena geleitet – das Symbol war deutlich: Das Land sollte wieder vereint werden. Ein halbes Jahr später, im Dezember 2007, wurde ein Friedensvertrag geschlossen.
Es dauerte noch, bis es wirklich losging mit dem Wiederaufbau und der Beilegung sämtlicher Scharmützel. Drogba zog sich 2018 nach einer glanzvollen Karriere aus dem Fußball zurück. Vier Premier-League-Titel, vier FA Cups, drei Ligapokale und eine Champions-League-Siegermedaille. Nur mit der Nationalmannschaft blieb ihm ein großer Titel verwehrt. Es scheint beinahe so, als wären Drogba & Co. im Nationaltrikot für Größeres als fußballerischen Erfolg ausersehen gewesen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Pistorius lässt Scholz den Vortritt
Der beschädigte Kandidat
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu
Wanted wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen
Haftbefehl gegen Netanjahu
Begründeter Verdacht für Kriegsverbrechen
Böllerverbot für Mensch und Tier
Verbände gegen KrachZischBumm
Neue EU-Kommission
Es ist ein Skandal
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative