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Land ist offlineTaliban sperren Internet in Afghanistan

Die Taliban haben das Internet in Afghanistan abschalten lassen. Die Sperre raubt Frauen ihre letzten Möglichkeiten zur Bildung.

Internetsperre: Vor allem Mädchen und junge Frauen können nicht mehr auf Onlineangebote zugreifen, ihre letzte Bildungschance Foto: Anja Niedringhaus/ap/picture alliance

Berlin taz | Die Taliban haben am Montagnachmittag landesweit alle Internetdienste abschalten lassen. Ab 17 Uhr Ortszeit registrierten internationale Beobachter, wie das Land fast völlig vom Netz ging. NetBlocks etwa verzeichnete um 17.08 Uhr eine Internetabdeckung nahe null und sprach von einem „Total-Blackout“.

Gesperrt ist neben Glasfaserverbindungen privater Betreiber vor allem der größte Anbieter, die nun vom Taliban-Regime kontrollierte, staatliche Afghan Telecom mit ihrem Nuri-Netz. Sie versorgt vor allem Regierungsinstitutionen, Banken und Universitäten. Auch die sind gegenwärtig vom Netz. Am Flughafen Kabul gab es am späten Montag keinen Flugverkehr mehr.

Zudem arbeiten sogenannte kabellose Wifi-Verbindungen nicht mehr, die letztendlich auch über ein Glasfasernetzwerk gespeist werden. Die taz konnte am Dienstag Kontakte in ganz Afghanistan nicht mehr erreichen.

Die Menschen dort können dadurch nicht mehr auf Onlinecontent zugreifen und auch nicht untereinander kommunizieren. Denn auch Mobiltelefone und Messengerdienste funktionierten nicht. TV- und Radio-Livestreams sind unterbrochen.

Maßnahme offenbar auch innerhalb der Taliban umstritten

Daran änderte sich auch am Dienstag nichts. Weiter möglich ist Internetzugang über VSAT-Verbindungen. Die sind unabhängig von afghanischen Glasfasernetzwerken und gehen direkt über Satellit.

Für die meisten Privatpersonen sind sie aber zu teuer. Eine Nichtregierungsorganisation mit etwa 15 Nut­ze­r*in­nen zahlte dafür zuletzt 1.300 US-Dollar im Monat. Auch die UNO, Botschaften, Banken und Flughäfen nutzen sie, oft aber nur als Back-up. Vom und zum Flughafen Kabul waren am Dienstagnachmittag wieder einige Flüge geplant.

Die Taliban äußerten sich bisher nicht offiziell zum Internetverbot, das schon ab Mitte September die bevölkerungsreichsten Provinzen außerhalb Kabuls lahmlegte. Angeordnet hatte es offenbar Taliban-Chef Hebatullah Achundsada, um über das Netz verbreitete „Unmoral“ zu bekämpfen.

Offensichtlich ließ er auch Einwände aus dem eigenen Kabinett aufgrund der wirtschaftlichen Schäden nicht gelten. Ein Taliban-Offizieller bestätigte schon am Montag informell der BBC, dass das Kommunikationsministerium den Internetanbietern die Anordnung zur Schließung mitgeteilt habe. Sie gelte „bis auf weiteres“. Diese Formulierung wird auch für das Schulverbot für Mädchen ab Klasse 7 verwendet, das seit September 2021 in Kraft ist.

Mit der Internetsperre können vor allem Mädchen und junge Frauen nicht mehr auf Onlineangebote zugreifen, ihre letzte Bildungschance. Und Unternehmerinnen verlieren so die Möglichkeit, ihre Produkte online zu vermarkten.

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