Afghanische Friedensbemühungen: Eisbrechen mit den Taliban
Katar und Deutschland wollen die afghanischen Taliban mit der Regierung an einen Verhandlungstisch bekommen. Zunächst gibt es informelle Gespräche.
Am Sonntag hat in Katars Hauptstadt Doha ein zweitägiges sogenanntes intraafghanisches Dialogtreffen begonnen, bei dem erstmals Vertreter der Regierung aus Kabul mit denen der Taliban an einem Tisch sitzen. Allerdings nur jeweils in privater Funktion, um die Position der Taliban formal aufrechtzuerhalten, dass sie noch nicht mit der Regierung sprechen.
Trotzdem fügt das Treffen den Friedensbemühungen für Afghanistan ein neues Element hinzu. Die Regierungen Katars und Deutschlands haben als gemeinsame Ausrichter etwa 60 Afghanen geladen, ein Fünftel davon Frauen. Als Einzelpersonen sollen sie zwei Tage lang in geschlossener Sitzung ein Prozedere und Themen für Friedensverhandlungen besprechen.
Sultan Barakat vom Zentrum für Konflikt- und Humanitäre Studien in Doha, das im Auftrag Katars das Treffen organisierte, teilte per Tweet mit, Samstagabend habe es schon ein gemeinsames Abendessen gegeben, „um das Eis zu brechen“. Dabei war auch Washingtons Afghanistan-Chefverhandler Zalmay Khalilzad. Er nimmt in Doha gerade an der siebten Runde der Verhandlungen der USA mit den Taliban teil. Diese wurden für das Dialogtreffen unterbrochen.
Diversität bei Teilnehmenden
Am Sonntagvormittag eröffneten der katarische und der deutsche Sondergesandte für Afghanistan, Mutlaq Al-Qahtani und Markus Potzel, die Konferenz offiziell, mussten dann aber wie abgesprochen den Raum verlassen. Bleiben durften Mediatoren der deutschen Berghof-Stiftung, die im Auftrag Berlins die Konferenz begleiten.
Eine offizielle Teilnehmerliste wurde nicht veröffentlicht, eine Tagesordnung sollten die Beteiligten selbst vereinbaren. Aus dem Auswärtigen Amt hieß es vorab, die Teilnehmenden kämen aus Politik, Gesellschaft und verschiedenen Regionen des Landes. Viele hätten oder hatten Funktionen in Afghanistans Regierung. Die Regierung in Kabul war jetzt offenbar nicht in Einzelheiten eingeweiht, legte dem Treffen aber keine Steine in den Weg.
Bilder vom Abflug der Gruppe sowie von der Eröffnung in Doha in den sozialen Medien zeigen viele TeilnehmerInnen. Der taz liegt die vollständige Liste vor, mit früheren Parlamentsmitgliedern und Mudschaheddinführern, aber auch Menschen- und FrauenrechtlerInnen.
Prominenteste Teilnehmer von Regierungsseite sind Nader Naderi, Ex-Mitglied der unabhängigen Menschenrechtskommission, und Abdul Matin Bek, Sohn eines nordafghanischen Warlords und mit Hochschulabschluss aus Delhi. Beide stehen heute wichtigen Regierungsbehörden vor. Wie einige der teilnehmenden Frauen stehen sie für die neue, modern gebildete Generation Afghanistans. Dazu kommen 15 Taliban mit Chefverhandler Scher Muhammad Abbas Stanaksai an der Spitze.
Misstrauen abbauen
Anarkali Hunarjar, Ex-Abgeordnete und Aktivistin der kleinen, nichtmuslimischen Sikh-Gemeinschaft, erklärte, sie würde in Doha im Namen jener großen Bevölkerungsmehrheit sprechen, die einen „dauerhaften und gerechten Frieden“ wolle und will die Taliban zu einem Waffenstillstand drängen. Ferner wolle sie, dass der intraafghanische Dialog in reguläre Verhandlungen übergeleitet werde.
Konkrete Beschlüsse sind jetzt nicht zu erwarten. Doch kann das Treffen helfen, auf allen Seiten vorhandenes Misstrauen abzubauen und die afghanischen Parteien konstruktiv auf das Wie von Friedensgesprächen zu fokussieren.
Zu den Parallelverhandlungen zwischen den USA und den Taliban, die bisher ohne Beteiligung Kabuls stattfinden, gab es widersprüchliche Angaben. US-Unterhändler Khalilzad sprach von Fortschritten bei allen besprochenen Themen, auch zu intraafghanischen Verhandlungen. Die Taliban beharren jedoch darauf, das solche erst stattfinden können, wenn die USA öffentlich einen verbindlichen Zeitplan für einen Truppenabzug aus Afghanistan vorlegen.
Nach einem schweren Taliban-Anschlag mit einer Autobombe auf eine Geheimdiensteinrichtung in Kabul am letzten Montag gab es in der afghanischen Zivilgesellschaft Boykottaufrufe für das Doha-Treffen. Diese nahmen noch zu, nachdem sich am Sonntag in der südostafghanischen Stadt Ghasni ein ähnlicher Anschlag ereignete. 12 Menschen wurden getötet, mehr als 100 verletzt, darunter viele SchülerInnen. Doch gab es von den 60 nach Doha Eingeladenen nur zwei Absagen „aus persönlichen Gründen“.
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