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AfD und VerfassungsschutzVom Erfolg verführt

Sabine am Orde
Kommentar von Sabine am Orde

Die AfD-Spitze beteuert immer wieder, die Partei stehe fest auf dem Boden des Grundgesetzes. Wie ernst meint sie das?

Postfaschismus mit gleich zwei Flügeln: Um ein Hakenkreuz bereinigtes NS-Symbol an einer Marineschule Foto: dpa

D er Verfassungsschutz eröffnet der AfD eine Chance, so kann man es auch deuten. Schließlich hat der Verfassungsschutzpräsident kürzlich verkündet, dass seine Behörde in der Programmatik der Partei nichts Verfassungsfeindliches gefunden habe. Zwar gebe es bei der AfD als Gesamtpartei „Anhaltspunkte für eine gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung ausgerichtete Politik“. Doch die reichten für eine Beobachtung nicht aus.

Dass die AfD als Gesamtpartei also lediglich ein sogenannter Prüffall bleibt, hätte die Parteispitze – theoretisch – auch positiv kommunizieren können: Seht her, der Verfassungsschutz hat unsere Programme als verfassungskonform abgesegnet. Jetzt müssen wir nur noch bei der Jungen Alternative und dem „Flügel“ etwas aufräumen.

Immer wieder beteuert die AfD-Spitze, sie wolle sich als Partei etablieren, die zwar rechts von der Union, aber fest auf dem Boden des Grundgesetzes steht. Meint sie das ernst, müsste sie diese Gelegenheit jetzt nutzen.

Denn dass die AfD eine solche Partei – für die es durchaus eine Nachfrage gibt – derzeit nicht ist, fasst der Bericht des Verfassungsschutzes auf 436 Seiten eindrucksvoll zusammen. Wer sich selbst ein Bild machen will, sollte das neue Buch von „Flügel“-Chef Björn Höcke lesen. Fragt sich: Kann die AfD diese Partei noch werden? Und will sie das überhaupt?

Abspaltung nach rechts

Auch fünf Jahre nach ihrer Gründung und nach zwei Häutungen ist die AfD eine heterogene Partei. Es gibt sie durchaus noch, die konservativen Mitglieder und Funktionäre, die sich die alte CDU zurückwünschen und eine Krise kriegen, wenn Höcke seine völkischen Ideen in die Welt bläst. Doch sie sind leise und verlieren innerhalb der AfD immer mehr an Einfluss. Dass sich das noch einmal ändert, ist unwahrscheinlich.

Eilantrag gegen Einstufung

Die AfD will mit einem gerichtlichen Eilantrag gegen die Einstufung der Partei als "Prüffall" durch das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) vorgehen. Das habe der AfD-Bundesvorstand beschlossen, sagte der Landessprecher in Mecklenburg-Vorpommern und stellvertretende Fraktionsvorsitzende der AfD im Bundestag, Leif-Erik Holm am Samstag bei einem Landesparteitag in Lübtheen. Auch eine Strafanzeige wolle die Partei stellen, weil Journalisten das als Verschlusssache eingestufte Gutachten erhalten hätten. Seine Partei habe keine Kenntnis vom Inhalt des Gutachtens und werde daher auf Akteneinsicht klagen. (dpa)

Das liegt auch an „Mut zur Wahrheit“, dem Gründungsmythos der AfD. Soll heißen: In der AfD dürfen Wahrheiten ausgesprochen werden, die man woanders unterdrückt. Mäßigung wird entsprechend als Schritt in Richtung der verhassten „Altparteien“ gewertet, jeder Versuch der Zügelung durch die Parteispitze gilt als Verrat an dieser Idee.

Die Parteibasis reagiert entsprechend empfindlich. Innerhalb weniger Tage haben im Oktober mehr als 700 AfD-Mitglieder, viele von ihnen übrigens aus dem Westen, den „Stuttgarter Aufruf“ unterzeichnet, der Parteifunktionäre auf allen Ebenen vor Zugeständnissen an den Verfassungsschutz warnt – obwohl Empfehlungen in dieser Richtung eher vorsichtig waren und vor allem auf die Kommunikation abzielten. Und gerade gab es mit der kleinen Gruppe um André Poggenburg die erste Abspaltung nach rechts.

Viele AfD-AnhängerInnen – gerade im Osten – haben sich längst an die schrillen Töne gewöhnt und wären von moderateren Reden enttäuscht. Die Dynamik, die die Partei entfacht hat, lässt sich schwer wieder einfangen. Auch deshalb vertrieb die AfD ihre ehemaligen ParteichefInnen Bernd Lucke und Frauke Petry, auch deshalb radikalisierte sich die Partei mit jeder Erneuerung mehr. Viel spricht dafür, dass dies so weitergeht.

Gauland schützt Höcke

Hinzu kommt die Abhängigkeit der Parteiführung vom „Flügel“. Parteichef Jörg Meuthen wäre ohne Unterstützung von Höcke & Co weder 2015 ins Amt gelangt noch später wiedergewählt worden. Er hat sich mit Anpassung und dem Anlass angemessenen Reden beim Kyffhäusertreffen des „Flügels“ erkenntlich gezeigt. Co-Chef Alexander Gauland, den der Verfassungsschutz selbst dem Flügel zurechnet, hat früh erkannt, dass der Erfolg der AfD zunächst in ihrer Breite liegt, und signalisiert, dass er nicht mäßigend einzugreifen gedenkt.

Auch beeindruckt ihn Höcke, der wie kaum ein zweiter AfD-Politiker die Straße mobilisieren, Hallen begeistern und mit dem er zudem angeregt über Bismarck plaudern kann. Deshalb hat Gauland stets seine schützende Hand über den Rechtsaußen gehalten, auch als ein Teil des Bundesvorstands versuchte, Höcke aus der Partei auszuschließen. Mit Argumenten übrigens, von denen sich heute viele im Bericht des Verfassungsschutzes wiederfinden.

Ihr Erfolg hat die AfD längst verführt. Vielen in der Partei ist klar, dass die hohen Wahlerfolge auf die Heterogenität der Partei zurückgehen – mit Unterstützung aus der bürgerlichen Mitte bis weit ins rechtsextreme Spektrum hinein. Den „Flügel“ zu stutzen, das würde viele Stimmen kosten und könnte mittelfristig das eigene Mandat, den eigenen Job gefährden. Auch der große Wunsch, es der CDU einmal so richtig zu zeigen und an ihr vorbei auf den ersten Platz zu rücken, möglicherweise gar inklusive Regierungsbeteiligung – das ist bislang nur im Osten vorstellbar. Bei den Landtagswahlen im Herbst sind „Flügel“-Männer hier Spitzenkandidaten. Sie anzuzählen, gefährdet den Erfolg.

Fest mit dem „Flügel“ verwoben

Der „Flügel“ ist längst keine radikale Minderheit am Rand der Partei mehr. Im Osten ist er die vorherrschende Kraft; in der Gesamtpartei stellt er zwar noch nicht die Mehrheit, aber auf Parteitagen ist gegen ihn nichts mehr durchzusetzen. Von ihrer Jugendorganisation könnte sich die AfD trennen, das haben schon andere Parteien vor ihr getan.

Mit dem „Flügel“ aber ist die Partei zutiefst verwoben. Wer dies versucht aufzulösen, könnte den Bruch der AfD provozieren. Das aber will intern letztlich niemand. Bleibt für die, die sich für moderater halten, also die Entscheidung, ob sie weiterhin mit Verfassungsfeinden gemeinsame Sache machen wollen.

Viel spricht jedenfalls dafür, dass sie diese Chance verstreichen lassen. Der Verfassungsschutz könnte dann wohl bald feststellen, dass der „Flügel“ durchaus prägend für die Gesamtpartei ist. Dann dürfte aus dem Prüffall letztlich eine Beobachtung werden. Und die AfD könnte das gleiche Schicksal ereilen wie die Republikaner in den frühen Neunzigern. Von der Beobachtung durch den Verfassungsschutz bis zum Bedeutungseinbruch war es damals nicht weit. Nur die WählerInnen müssen mitspielen –und einer verfassungsfeindlichen Partei ihre Stimme verweigern.

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Sabine am Orde
Innenpolitik
Jahrgang 1966, Politikwissenschaftlerin und Journalistin. Seit 1998 bei der taz - in der Berlin-Redaktion, im Inland, in der Chefredaktion, jetzt als innenpolitische Korrespondentin. Inhaltliche Schwerpunkte: Union und Kanzleramt, Rechtspopulismus und die AfD, Islamismus, Terrorismus und Innere Sicherheit, Migration und Flüchtlingspolitik.
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9 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Ein zentraler Fehler der sich durch die Diskussion um die Verfassungskonformität der AfD zieht besteht darin, dass es versäumt wird eine Abgrenzung des parteiinternem Diskurs von einer Bewertung anhand überprüfbarer, deomkratietheoretischer Maßstäbe vorzunehmen.



    Die AfD ist eine völkisch-nationalistische Partei und als solche kann sie gar nicht anders als sich auf dem Boden des Grundgesetzts zu verorten weil es, dieser Logik folgend, Ausdruck des selben "Volkswillens" ist durch den sich sich die Partei mandatiert sieht. Dass man mit dieser Idee von Identität von Volk und Verfassung nicht über die allzu offenkundige Widersprüchlichkeit mit dem Geist des Grundgesetzes stolpert, dürfte mutmaßlich dadurch zu erklären sein, dass man es lediglich als temporäre Ausformung einer "1000-jährigen Geschichte" (Gauland) begreift, deren Wesenskern man aber eben nicht als positives Recht, sondern vielmehr als etwas transzendent-mythologisches bestimmt.

    Jenseits dieser rechten Selbstverortungen wäre es aber klug danach zu fragen wo und welche positiven Bezugspunkte zum GG sich in dieser Partei finden lassen und da wird es dann doch arg dünn. Die etablierte Methode sich auf Meinungsfreiheit zu berufen um regelmäßg wieder Menschenverachtendes zu fordern und Kritik daren dann als Zensur des Establishments zu geißeln und das Sagbare immer noch ein Stück weiter nach rechts zu rücken ist medial hinlänglich reflektiert worden. Die diesem Muster folgenden Skandale sind zahlreich und durch praktisch alle namhaften AfD-Oberen angezettelt. Aber wenn es darum gehen sollte Beispiele dafür zu finden, dass sich die AfD tatsächlich für das Grundgesetzt, oder gar Demokratie und Menschenrechte einsetzt, fällt mir schlicht nichts nennenwertes ein.

    • @Ingo Bernable:

      So ist es. Für eine Partei in der Bundesrepublik Deutschland reicht es eben nicht aus, Verfassungskonformität von sich zu behaupten. Aktiver Einsatz für Demokratie und Menschenrechte darf und muss verlangt werden. Alles andere können nur wertlose Lippenbekenntnisse sein.

      • @Rainer B.:

        Verlangt ja niemand, aber man sollte die Dinge schon beim Namen nennen.



        Und es ist ja schon eine spannende Beobachtung, dass 1.) die AfD ihre Lippenbekenntnisse selbst glaubt und 2.) größere Teile der Gesellschafft ernsthaft darüber diskutiert es ebenfalls zu tun.

        • @Ingo Bernable:

          Ja, das ist schon sehr schräg, zumal es ausser Lippenbekenntnissen bislang so gut wie garkeine Hinweise auf eine Verfassungskonformität der AfD gibt.

  • Gute Analyse! Protestwählern ist leider i.d.R. völlig Wurscht, ob eine Partei verfassungsfeindlich ist, oder nicht. Ihr Protest - ob nun begründet, oder nicht - läuft allerdings insbesondere bei Parteien wie der AfD regelmäßig nur ins Leere, weil sie, einmal an die Macht gelangt, als erstes auf vielfältige Art und Weise dafür Sorge tragen, dass ihnen der Wähler diese Macht nicht so leicht wieder abnehmen kann.

  • Ich übersetze das mal: wir stehen fest auf dem Boden des Grundgesetzes - sobald wir es nach unseren Vorstellungen geändert haben

  • 9G
    92293 (Profil gelöscht)

    das wirklich erschreckende müßte doch sein, dass eine partei ihre etablierung mit einer systematik ähnlich des turbokapitalismus betreibt, die meisten agierenden hierzu aus staatlichen institutionen mit pensionsanspruch kommen, die sich gerne gemäßt der alt cdu mit dem rechten rand verbinden oder gar schon verbrüdert sind; die einstellung auf solche biedermannbrandstifter hinzuweisen und sie in die öffentlichkeit zu führen wurde und wird als naiv und nicht weitblickend genug heruntergeschrieben, aber keiner der presseleute hat geeignete maßnahmen dagegen vorgeschlagen

  • Die AfD auf dem Boden der FDGO? Solange ihr Wirtschaftsliberalisierung ihr wichtiger erscheint als Rassismus und die Kombination von beiden in der Gewichtung entsprechend tariert wird. Sonst nicht, was für eine Überraschung.

    • @aujau:

      Eines von den ihrs ist zuviel.