AfD und Ehe für alle: Vorauseilende Islamisierung
AfD-Chefin Alice Weidel hält die Ehe für alle für falsch – wegen der „Islamisierung“. Diese Doppelzüngigkeit zeigt, wie ähnlich die AfD Islamisten ist.
A usgerechnet Alice Weidel macht Stimmung gegen die plötzliche Einigung der Großen Koalition, noch diese Woche über die Gleichstellung von Homosexuellen mit Heterosexuellen in Bezug auf die Ehe abstimmen zu lassen. Ausgerechnet Weidel, weil die AfD-Spitzenkandidatin selbst lesbisch ist und mit ihrer Partnerin zwei Söhne großzieht. Wer, wenn nicht sie, sollte auch den Anspruch haben, ihre Familie auch vom Staat als solche anerkannt zu bekommen? Doch Weidel zeigt: Für manche Menschen ist das Private nicht ganz so politisch.
Weidel sagt, das drängendere Problem sei die „Islamisierung“ und bringt ausgerechnet „homosexuelle Muslime“ in Stellung, um gegen die Ehe für alle Stimmung zu machen. Die Sorge um Muslime, deren Religion die neurechte Partei in ihrem Programm explizit ablehnt, ist bei der AfD freilich kaum glaubwürdig. Aber auch mit der Logik scheint es Weidel nicht leicht zu haben: Wenn die Islamisierung im Gange ist und Islamisten gerne Homsexuelle unterdrücken – ist dann ihr gesetzlicher Schutz und die staatliche Anerkennung, die eine Gleichstellung verspricht, nicht ein Akt gegen diese Islamisierung?
Damit das Land nicht „islamisiert“ wird, befürwortet Weidel eine vorauseilende Diskriminierung von Homosexuellen. Man sieht: Wären Islamisten nicht vor allem Nicht-Weiße, würde die AfD keine großen Probleme haben, mit ihnen gemeinsame Sache zu machen. Kein Wunder, dass zur Koalition gegen die Ehe für alle neben den Rechtspopulisten auch noch fundamentalistische Christen gehören: Abrahams Gott können eben nicht nur Araber für ihren Hass instrumentalisieren.
Dass die rechtsextremen Bewegungen Europas nicht so anders sind als Islamisten, ist keine besonders neue oder originelle Feststellung. Beide zeichnen sich durch besondere Illiberalität aus und zugleich über ein schematisches Freund-Feind-Denken. Während der „Islamische Staat“ „Ungläubige“ oder „Abtrünnige“ köpft, ist die AfD noch um Einiges davon entfernt.
Denn welche Fantasien sie hat, ist erst vergangene Woche klar geworden: Von „nach der Machtübernahme“ und „Deutschland den Deutschen“ und Kampf gegen „Muselmanen“ war in einem internen WhatsApp-Chat die Rede – NS-Vokabular und Gewaltfantasien, die darauf schließen lassen, dass der Unterschied zwischen „Islamisierung“ und einer AfD-Regierung nur einer im Namen wäre. Für den Weg dahin wünschte sich ein AfDler dagegen mehr islamistische Anschläge.
AfD für Polygamie?
Es wäre natürlich ungerecht, die Heuchelei der AfD nur Weidel zuzuschreiben. In einer rechten Zeitung trauert Beatrix von Storch deshalb dem „rechten Flügel“ der CDU nach, während die ehemalige CDUlerin und AfD-Fan Erika Steinbach der Partei „Prinzipienlosigkeit“ vorwirft. Parteichefin Frauke Petry hofft auf eine politische Rendite: Jene WählerInnen, die sich nicht mehr bei der CDU wohlfühlen, würden nun die AfD wählen können.
Berlin dagegen, scheint auch in der AfD ein Hort der Liberalen zu sein. Das Twitterkonto des Landesverbandes veröffentlichte ein Foto von zwei Frauen, einem Mann und zwei Kindern mit der Überschrift „Das ist eine Familie“. Nun wird im Netz spekuliert: Geht es hier um Akzeptanz für polyamore Familien? Oder ist das ein lesbisches Paar mit dem Samenspender?
Vielleicht ist es aber auch nur ganz traditionelle Polygamie: Ein Mann, mehrere Frauen – so wie es die AfD von den Islamisten befürchtet.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Umfrage zu Sicherheitsgefühl
Das Problem mit den Gefühlen
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Berliner Sparliste
Erhöht doch die Einnahmen!
„Freiheit“ von Angela Merkel
Die Macht hatte ihren Preis
Gewalt an Frauen
Ein Femizid ist ein Femizid und bleibt ein Femizid