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AfD schmeißt Andreas Kalbitz raus„Mit sofortiger Wirkung“

Der AfD-Bundesvorstand hebt die Mitgliedschaft des Brandenburger Landes- und Fraktionschefs auf. Das Ergebnis fiel denkbar knapp aus.

Andreas Kalbitz scheint seine braune Vereinsvergangenheit nun doch noch eingeholt zu haben Foto: Patrick Pleul/dpa

Berlin taz | Jörg Meuthen wollte Klarheit schaffen. Und er hat es geschafft. Zumindest vorerst. Die Mitgliedschaft des Brandenburger AfD-Landespartei- und Fraktionschefs Andreas Kalbitz ist „mit sofortiger Wirkung“ aufgehoben worden. Das entschied der AfD-Bundesvorstand am Freitag.

Dass Meuthen, der schwer unter Beschuss des „Flügels“ steht, beantragt hatte, Kalbitz die Mitgliedschaft zu entziehen, deuteten im Vorfeld viele als Frontalangriff auf den „Flügel“ – auch wenn sich dieser angeblich inzwischen aufgelöst hat. Denn Kalbitz, selbst Mitglied des Bundesvorstands, ist neben Björn Höcke Kopf der Gruppe, die der Verfassungsschutz im März als rechtsextrem eingestuft hat.

Nun hat sich der angeschlagene AfD-Chef durchgesetzt. Nach kontroverser Debatte stimmte der Bundesvorstand bei seiner Sitzung am Freitagnachmittag mit sieben zu fünf Stimmen für Meuthens Antrag. Kalbitz ist damit kein AfD-Mitglied mehr.

„Wir haben geprüft, ob die Bedingungen, die zur Aufnahme von Herrn Kalbitz führten, rechtlich korrekt waren oder nicht“, sagte Meuthen am Rande der Sitzung. „Und wir sind mehrheitlich zu dem Ergebnis gekommen, sie sind es nicht“, so Meuthen. „Und haben daraus die Konsequenzen gezogen.“

Rechtsextreme Biografie

Hintergrund ist die rechtsextreme Biografie Kalbitz', die allerdings seit Jahren bekannt ist. Nach der Einstufung durch den Verfassungsschutz sah der Bundesvorstand nun Handlungsbedarf. Er verdonnerte Kalbitz, zu seinen früheren Vereinsmitgliedschaften und zu Kontakten im rechtsextremen Spektrum Auskunft zu geben.

Kalbitz hatte daraufhin eine fünfseitige Stellungnahme an die Vorstandsmitglieder geschickt. Darin räumt er ein, er halte es für „durchaus möglich und wahrscheinlich“, dass er auf einer „Interessenten- oder Kontaktliste“ der Heimattreuen Deutschen Jugend (HDJ) stehe, einer inzwischen verbotenen Neonazi-Organisation. Laut Verfassungsschutz war nicht nur Kalbitz, sondern seine gesamte Familie Mitglied in der HDJ.

Das aber hätte Kalbitz bei Parteieintritt angeben müssen, so sieht es die Satzung der AfD vor. Und dort steht auch, dass die Nichtigkeit der Mitgliedschaft in einem solchen Fall mit einfacher Mehrheit vom Bundesvorstand festgestellt werden kann. Kalbitz allerdings bestreitet weiter, Mitglied in der HDJ gewesen zu sein.

Kalbitz will Rauswurf nicht hinnehmen

Gegen den Antrag stimmten unter anderem Alice Weidel und Stephan Brandner, die beide stellvertretende Parteivorsitzende sind. „Wir hatten beantragt, das ganz sauber juristisch zu prüfen“, sagte Weidel. Gemeinsam mit Meuthens Co-Chef Tino Chrupalla hatte sie einen Antrag eingebracht, deshalb die Entscheidung aufzuschieben. Der Antrag sei juristisch angreibar, das habe man vermeiden wollen, so Weidel weiter. „Für eine gerichtliche Auseinandersetzung sehe ich schwarz“, sagte Brandner.

Kalbitz kündigte nach der Sitzung an, gegen die Entscheidung vorgehen zu wollen. „Die Beweislage ist dünn“, sagte er beim Verlassen des Gebäudes. Auch sei es nicht stringent, einerseits den Bericht der Verfassungsschutzes anzugreifen, sich andererseits aber auf diesen zu beziehen. „Hier geht es wohl eher um eine Machtfrage“, sagte Kalbitz und meinte wohl Meuthen damit. Eine Parteineugründung strebe er nicht an, so Kalbitz weiter. Er hoffe, dass alle Mitglieder in der AfD bleiben würden.

Interessiert wird sich wohl der Verfassungsschutz diese Entscheidung anschauen. Denn dort wird weiter geprüft, ob nicht auch die Gesamtpartei stärker eingestuft werden muss. Einer der Gründe dafür: Andreas Kalbitz.

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13 Kommentare

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  • Bemerkenswert ist vor Allem, dass der Ausschluss rein formal damit begründet wird, dass der Aufnahmeantrag rechtlich nicht korrekt war. Eine Distanzierung von Kalbitz politischen Inhalten gibt es - natürlich - nicht.

  • 0G
    06438 (Profil gelöscht)

    ""Jörg Meuthen wollte Klarheit schaffen. Und er hat es geschafft. Zumindest vorerst.""



    ==



    Unter der Annahme, das der 12 köpfige Bundesvorstand der Rechtsradikalpopulisten die unterschiedlich braunen Stömungen wiederspiegelt hat der Parteivorstand der Öffentlichkeit mitgeteilt, das eine knappe Hälfte der Rechtsradikal-populisten (5 von 12) "strammen "



    Nationalsozialismus, Hetze und Rassismus a la Kalbitz & Höcke unterstützt.

    Jetzt ist es amtlich per Selbstdarstellung: Der Vorstand ist fast zur Hälfte mit einer tief kackbraunen nationalsozialistischen Strömung durchsetzt .

    Der Geschichtsrevisionismus, Hetze und und Rassismus der Partei ist darauf gerichtet, das Prinzip der Gleichwertigkeit aller Menschen anzugreifen und damit menschenfeindliche Politik und menschenfeindliche Äußerungen zu legitimieren.

    Weidel, Brandner, und Chrupalla neben 2 anderen Vorstands-mitgliedern haben nun öffentlichkeitswirksam bestätigt, dass sie in diesem bräunlichen Sumpf die extremen Rechtsradikalinskis vertreten.

    Die afd wird ihre nationalsozialistischen Anwandlungen nicht nur nicht los - sondern diese wurden bestätigt. Knapp die Hälfte des Vorstands repräsentieren eine extreme nationalsozialistische Strömung.

    Neu ist das nicht - neu ist lediglich das die afd die bisherige Annahme bestätigt.

    • @06438 (Profil gelöscht):

      Grundsätzlich kann man wohl schon davon ausgehen, dass selbst die etwas weniger Radikalen in der AfD davon träumen die demokratische Verfassung zu 'überwinden' und mir ist auch keineswegs daran gelegen diesen braunen Haufen in irgendeiner Weise zu verteidigen, sehr wohl aber an der nötigen Differenzierung und deshalb wäre mich mit einer direkten Gleichsetzung mit der NSDAP oder den Weimarer Verhältnissen sehr vorsichtig. Es gibt sowohl Unterschiede zwischen einem nationalistisch geprägtem Autoritarismus und einem i.A. als Totalitarismus bezeichneten System wie dem NS, wie auch in der Ausgangssituation. Etwa der Umstand, dass die politische Landschaft auch von paramilitärische Parteiorganisationen wie der SA und marodierenden Freikorps geprägt war. Und schlussendlich wäre auch die Frage zu stellen ob eine Einordnung der AfD als national-sozialistisch nicht auch umgekehrt die NS-Gräuel zu sehr relativiert.

      • 0G
        06438 (Profil gelöscht)
        @Ingo Bernable:

        ""Grundsätzlich kann man wohl schon davon ausgehen, dass selbst die etwas weniger Radikalen in der AfD davon träumen die demokratische Verfassung zu überwinden'................................"



        ==



        Das wäre/ist der Dammbruch.

        Wenn die afd sich nicht von der "Flügelfraktion" abtrennen und sich abzugrenzen vermag, welche Entwicklung erwarten Sie?

        Derzeit sieht es nach einer Unfähigkeit aus, rechts eine rote Linie zu ziehen, wobei die Kontakte der Mitglieder des sogenannten "Flügels" bis in die eindeutig rechtsradikalen gewaltbereiten extremistischen Nazigruppierungen hineinreichen.

        Bei genauerer Betrachtung stellen sie fest, das Faschismus und Nationalsozialismus immer in der Summe in den Anfängen eine Melange unterschiedlich radikaler und unterschiedlicher extremer brauner Strömungen ist, deren Zerstörungswerk dann in vollem Umfang beginnt, wenn der Damm gebrochen ist.

        Die Morde, Mordversuche und die rassistische Hetze in den letzten 20 Jahren durch Rechtsradikale sind durchaus mit den extremistischen Aktivitäten der Rechtsextremisten vor 90 Jahren vergleichbar.

        Die fliessenden politischen Übergänge



        von moderaten rechtsnationalen Minderheiten innerhalb der afd bis in die clandestin arbeitenden gewaltbereiten extremen Gruppierungen der Rechtsradikalten - das ist das Wirkprinzip welches den Nationalsozialismus wiederspiegelt - solange der Fliegenschissverein sich nicht eindeutig nach rechts abgrenzt.

  • Es klingt hart, aber das ist eine gute Maßnahme, um die Partei bis zur nächsten BTW koalitionsfähig zu machen.

  • So vergrault man sich Wählerstimmen, aber solange der Bernd, die Weidel und der Gauleiter, sorry Schreibfehler; Gauland noch da sind, wird aus Raider Twix, sonst ändert sich nix.

  • „Interessiert wird sich wohl der Verfassungsschutz diese Entscheidung anschauen. Denn dort wird weiter geprüft, ob nicht auch die Gesamtpartei stärker eingestuft werden muss“

    Nachdem dem VS insbes. unter Leitung von Herrn Maaßen immer wieder Blindheit auf dem „rechten Auge“ bescheinigt wurde, sollte nunmehr anerkannt werden, dass nach dem Führungswechsel ein Heilungsprozess in Gang kommt. Der VS ist offenbar nicht mehr der heimliche Verbündete der AfD wie zu Maaßen‘s Zeiten. Die AfD muss sich vorsehen, und deshalb wohl die Aufgeregtheit in deren Führungsspitze.

    Wichtig wäre, dass beim VS schließlich BEIDE Augen 100% Sehkraft haben!

  • Einer weg, noch Tausende übrig in der AFDAP

  • Das ist sehr konsequent.

    • @lulu schlawiner:

      Von Kalbitz? Von Meuthen? Vom Verfassungsschutz?

      Meines Erachtens ist das (genauso wie die Schote mit der Auflösung des Flügels) rein strategisch: der AfD geht die Muffe, sie verlieren Stimmanteile und wollen sich noch ein paar "Leichtbraune" holen.

      Dass die dafür auf die Tiefbraunen verzichten kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen. Kalbitz spielt jetzt vor Gericht ein wenig Lotto, wird aber immer dieser Galaxie verbunden bleiben.

      Sehr auffällig, wie still sich Höcke derzeit dazu geriert: das stützt genau meine These.

      • @tomás zerolo:

        Die AfD will sich als eine neue konservative Partei der Mitte etablieren.



        Und dazu löst sie sich von den Schmuddelelementen.



        Sie werden Erfolg haben, das ist Fakt.



        Ich habe jetzt nicht meine politische Überzeugung kundgetan, sondern eine Entwicklung beschrieben, wie sie eintreffen wird. Ob es einem nun paßt oder nicht.



        Das hat man/frau davon wenn man sich nicht inhaltlich auseinandersetzt und nur bashing macht.



        Die Menschen "außerhalb der Blase" haben ein Gespür und reagieren schlichtweg mit Trotz.

  • Joa mei, etz is a Ruah mid dena Nazis in der NSAfD.

    • @Paul Eisenhauer:

      Sind noch genug da. So schnell gehen die nicht aus.