AfD-interner Streit eskaliert: Was sich Neonazis untereinander antun
Gewalt und Hass nicht nur nach außen: Der interne Streit in der Harburger AfD eskaliert mit Drohungen und einer beschädigten Tür.
D er Vorwurf aus den eigenen Reihen ist eine Drohung. „Verrat wird bestraft, Leuser“, prangt an der Eingangstür zum Wohnhaus des Hamburger AfD-Bezirkspolitikers Adrian Leuser. Die beschädigte Tür ist die Eskalation eines Streits in der Harburger AfD-Fraktion. Leuser hatte zuvor seinen damaligen Fraktionskollegen Andreas Ehlers angezeigt. Dieser soll ihn nicht nur als Affe und Untermensch bezeichnet, sondern ihm auch ein Stiefeltritt angedroht haben.
Der Streit soll Ende Juli in einer nicht öffentlichen Fraktionssitzung der Harburger AfD begonnen haben. Ein weiteres AfD-Mitglied der Bezirksversammlung bezeugte in einer eidesstattlichen Erklärung die Aussage. Die Strafanzeige liegt dem NDR vor. Ehlers streitet die Anschuldigung ab. Er bezeichnet sich als das Opfer eines gescheiterten Politikers mit „vermessener Aufstiegs-Gier“. Der Fraktionsvorsitzende Helge Ritscher spricht von einem „billigen Nachtreten“ Leusers.
Dieser hat die Fraktion inzwischen verlassen – ebenso wie die Stadt. Dem NDR sagte er, die Gewaltbereitschaft in der Harburger AfD mache ihn fassungslos. Er habe Angst um seine Sicherheit. Statt Solidarität aus den eigenen Reihen zu erfahren, sieht er sich mit einem Parteiausschlussverfahren überzogen. Der AfD-Landesvorsitzende Dirk Nockemann will, dass Leuser auch sein Mandat niederlegt.
Die Fassungslosigkeit Leusers zeigt ein Nicht-wahrhaben-Wollen von Hass und Hetze in der rechten Szene, die nach außen Angst verbreiten und in Gewalt umschlagen können, aber eben auch nach innen zur Verrohung und zu Übergriffen führen können. Diese Fälle werden oft nicht bekannt. Das propagierte Selbstbild als national-bürgerlich, für Recht und Ordnung sorgend, soll keine Kratzer bekommen.
„Verräter“ getötet
2020 konnte die AfD jedoch eine Gewalttat des ehemaligen AfD-Landtagsfraktionsvorsitzenden in Brandenburg, Andreas Kalbitz, nicht verheimlichen. Bei einer Begrüßung schlug er seinen Nachfolger Dennis Hohloch mit der Faust so in den Bauch, dass dieser wegen eines Milzrisses stationär behandelt werden musste. 2021 stellte die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen in der Sache ein, nachdem Kalbitz der Zahlung einer „vierstelligen Summe“ zustimmt hatte.
Kalbitz, ein enger Mitstreiter von AfD-Rechtsaußen Björn Höcke, war in der AfD schon wegen seiner verschwiegenen Mitgliedschaft in der rechtsextremen Heimattreuen Deutschen Jugend umstritten.
Im Norddeutschland verübten Rechtsextreme auch Morde. Kader der Aktionsfront Nationaler Sozialisten töteten Johannes Bügner aus Hamburg. Sie verdächtigen den bekannten Homosexuellen als Verräter und brachten ihn in der Feldmark bei Stemwarde im Mai 1981 mit 22 Messerstichen um.
Ebenfalls weil er ein Verräter sein sollte, wurde Roger Bornemann in Hannover über Stunden von vier Neonazi-Skinheads misshandelt und schließlich mit einer Zaunlatte erschlagen. Am Bahnhof tranken sie am Abend des 3. Februar 1987 dann noch Bier.
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