AfD-freundlicher Influencer: Bauernverband plant Auftritt mit Rechtspopulist Anthony Lee
Der umstrittene Influencer Anthony Lee soll bei einer Versammlung mit dem Top-Agrarfunktionär Günther Felßner auftreten. Für Kritiker ist das ein Dammbruch.

„Während der großen Bauernproteste vor eineinhalb Jahren hatte der Bauernverband sich noch von extremistischen Kräften innerhalb der Protestbewegung distanziert. Aber hier ist ja gar keine Distanz mehr gegeben“, sagte Ottmar Ilchmann der taz, niedersächsischer Landesvorsitzender der ökologisch orientierten Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft. „Dass der Bauernverband so direkt beteiligt ist, ist schon eine neue Qualität – und dann gleich so prominent mit seinem bayerischen Landesvorsitzenden.“ Felßner sei ja „nicht irgendein Kreisvorsitzender oder so“, so Ilchmann. „Ich find’s wirklich krass.“ Man müsse froh sein, dass der Verbandsfunktionär, anders als von CSU-Chef Markus Söder geplant, nicht Bundesagrarminister geworden ist.
Lee sei „ein zumindest rechtspopulistischer Influencer, der mittlerweile weit über die Landwirtschaft hinaus mit Verschwörungserzählungen zu Klimawandelleugnung und Migration Stimmung macht“, ergänzte Ilchmann. „Das steht einem demokratischen Verband nicht gut zu Gesicht, sich mit so jemanden gemein zu machen.“ Wenn Lee bei der Veranstaltung auftrete, sollten der Bauernverband und Felßner sich nicht an ihr beteiligen.
Der Niedersachse hat allein bei Youtube mehr als 200.000 Abonnenten und zählt damit zu den reichweitenstärksten AfD-freundlichen Influencern. Bis Juni 2024 war Lee Bundessprecher der Bauernprotestbewegung „Landwirtschaft verbindet Deutschland“ (LSV). Den Posten musste er abgeben, nachdem er gegen die Agrarsoziologin Janna Luisa Pieper vor Gericht verloren hatte. Lee wollte ihr die Äußerung verbieten lassen, dass er durch „rechtsextreme bis hin zu rechtspopulistischen Aussagen aufgefallen“ sei. Heute äußert er sich in seinen Videos kaum noch zu Landwirtschaft, sondern bezeichnet „Migration und Klima“ als seine „Topthemen“.
Migranten als „Invasoren“ dargestellt
Dabei schürt er fremdenfeindliche Ressentiments sowie Angst vor Flüchtlingen und betreibt Desinformation. In einem Video vom 9. Juni bezeichnete er die Ankunft von Migranten an der britischen Küste als „Invasion“. Anschließend zeigte er eine Videoaufnahme von einem Mann, der einem Rollstuhlfahrer anscheinend etwas stiehlt. Damit wollte er offenbar suggerieren, dass Migranten generell kriminell und eine Bedrohung seien.
Bei einer Blockadeaktion auf einer Autobahn im Januar 2024 als Protest gegen die Politik der damaligen Bundesregierung behauptete er, Politiker wollten Bauern ihr Land zugunsten von Flüchtlingen wegnehmen. Dabei hatte niemand in der Koalition gefordert, Höfe zu enteignen.
Lee bezweifelt auch immer wieder, dass der Klimawandel menschengemacht ist. In einem Beitrag vom 7. Juni machte er sich über Hitzewarnungen infolge der Erderwärmung lustig, weil es während seines Drehs gerade regnete. Lee zitierte einen Fernsehbeitrag, dass einem dänischen Wissenschaftler zufolge nicht der Mensch, sondern „die Sonnenaktivität“ schuld am Klimawandel sei. „Das letzte Ding, was noch fallen muss, ist die Klimanummer“, so der Influencer.
99 Prozent der Wissenschaftler, die Fachaufsätze zum Klimaschutz veröffentlichen, sind laut einer Antwort der Bundesregierung von 2019 der Überzeugung, dass die derzeit beobachtete Erderwärmung durch den Menschen verursacht ist. Der Weltklimarat hat festgestellt, dass die vom Menschen verursachten Treibhausgasemissionen eindeutig die Ursache für die bisherige und die weitere Erwärmung des Klimasystems seien.
Regelmäßig unterstellt Lee der Ukraine, keinen Frieden zu wollen, obwohl der Staat sich bekanntlich lediglich gegen Russland verteidigt.
Für Bündnis mit AfD
Bei einer Veranstaltung der Werte-Union 2021 sagte er: „Mein Vater war britischer Soldat bei der Rheinarmee. Und mein Opa war Waffen-SS-Offizier. Das heißt also, wenn ich Klartext spreche, hat das seine Gründe.“ Die Waffen-SS war für zahlreiche Massaker im Zweiten Weltkrieg verantwortlich.
Da Lees Positionen auffällig oft mit denen der AfD übereinstimmen, warb er im November 2024 für ein Bündnis der CDU mit dieser Partei. Sie galt dem Bundesamt für Verfassungsschutz schon damals als rechtsextremistischer Verdachtsfall, den ein Gutachten der Behörde mittlerweile bestätigt hat.
Dennoch soll Lee jetzt bei der Veranstaltung im Unterallgäu laut Einladung erklären, „wie die Rechte der Bauern und Bürger in einer demokratischen Gesellschaft heute aussehen sollten, um eine gerechte und nachhaltige Landwirtschaft zu sichern“.
Bauernverband rechtfertigt Auftritt
Der Bayerische Bauernverband schrieb der taz, Felßner nehme teil, „um sich mit anderen Positionen auseinanderzusetzen und diesen nicht das ‚Feld‘ zu überlassen“. Der Sprecher des Milchbauernverbands BDM, Hans Foldenauer, teilte mit: „Dass das BDM-Kreisteam Unterallgäu an dieser Veranstaltung mitwirkt, habe ich/wir erst erfahren, als die Planungen abgeschlossen waren.“ Der Bundesverband werde die Versammlung nicht bewerben. Ob sie dazu beiträgt, Lee salonfähiger zu machen, werde sich zeigen: „Ab und an kommt es auch zu ‚Entlarvung‘ von Protagonisten, deren Antrieb vor allem darin liegt, sich selber zu ‚präsentieren‘.“
Der Deutsche Bauernverband, LSV Bayern und Lee ließen Bitten der taz um Stellungnahmen bis Redaktionsschluss unbeantwortet.
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