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AfD-Scheitern in Schleswig-HolsteinTag der Befreiung

In Kiel ist die AfD gescheitert – und erstmals überhaupt aus einem Landtag geflogen. Innerhalb der Partei verhärten sich nun die Fronten.

Gescheitert: Jörg Nobis, Spitzenkandidat der AfD in Schleswig-Holstein Foto: Christian Charisius

Berlin taz | Der 8. Mai war noch nie ein guter Tag für Nazis. Noch zwei Tage vor der Landtagswahl in Schleswig-Holstein jammerte die extrem rechte AfD per Pressemitteilung: Der als „Tag der Befreiung“ im Kalender stehende Jahrestag des Endes des Zweiten Weltkrieges mit der bedingungslosen Kapitulation des Dritten Reiches sei für viele Deutsche eben keine Befreiung gewesen, sondern „ein Tag der Niederlage und des Zusammenbruchs“. Es entbehrt nicht einer gewissen Komik, dass die AfD zwei Tage später erstmals in ihrer neunjährigen Geschichte an einem 8. Mai aus einem Parlament geflogen ist.

Nur 4,4 Prozent der schleswig-holsteinischen Wäh­le­r*in­nen haben die AfD gewählt. Der Landtag ist somit von der Partei befreit. Der Rückgang von 1,5 Prozentpunkten entspricht über einem Viertel der bisherigen Stimmen – die meisten sind zur CDU abgewandert, die sich hier modern gibt und nach rechts abgrenzt.

Viele freute das – zumal an diesem Datum. Die Niederlage der AfD „zählt zu den besten Nachrichten des gestrigen Wahltags“, sagte Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden, „diese Partei, die der Verfassungsschutz als rechtsextremen Verdachtsfall beobachten darf, schadet nach meiner Auffassung unserer Demokratie und hat in den Parlamenten nichts verloren.“ Er forderte Wäh­le­r*in­nen in Nordrhein-Westfalen auf, sich an Schleswig-Holstein ein Vorbild zu nehmen – dort wird am kommenden Sonntag gewählt.

Ergebnis verhärtet die Fronten

In Parteikreisen fürchten nicht wenige genau dies: Dass von der Wahlniederlage in dem kleinen Bundesland nur eine Woche vor der wichtigsten Landtagswahl in NRW eine negative Sogwirkung ausgehen könnte. In NRW liegt sie in Umfragen zwischen 6 und 8 Prozent.

In jedem Fall verhärtet das Ergebnis in der Partei nachhaltig die Fronten und verschärft den ohnehin zunehmend eskalierenden Ost-West-Konflikt, der oftmals analog zur strittigen Haltung zu Russlands Krieg verläuft. Nicht wenige sprechen sogar davon, dass der Osten die Wahl sabotiert habe, weil der thüringische Landeschef und Rechtsextremist Björn Höcke kurz vor der Wahl öffentlich mit seiner eigenen Kandidatur für den Bundesvorstand geliebäugelt hatte und gewissermaßen als faschistisches Schreckgespenst die angeblich bürgerliche AfD-Wählerschaft in Schleswig-Holstein vergrault habe.

Viele halten Chrupalla für unfähig, die Partei zu führen, und für intellektuell überfordert. Allein wagt sich keiner so richtig hervor, um diesen vor dem Parteitag im Juni herauszufordern. Der immerhin mit Chrupalla zusammen im Vorstand der Bundestagsfraktion sitzende Norbert Kleinwächter sagte dem RND, dass die Parteispitze dringend „neue Köpfe“ brauche – mit bestem Gruß an den Parteivorsitzenden Chrupalla.

Die Völkischen, deren Wunschkandidat Chrupalla stets war, deuteten die Wahlniederlage vielmehr als Schwäche der westlichen Landesverbände um und leiten daraus einen Machtanspruch ab, zumal die AfD in Sachsen und Thüringen derzeit stärkste Kraft in Umfragen ist. Chrupalla machte die Niederlage dann auch routiniert am Dauerstreit der AfD Schleswig-Holstein fest, sprach von mangelnder Unterscheidbarkeit sowie fehlender Disziplin.

Vor der verkorksten Saarlandwahl hatte Chrupalla noch geschimpft, dass er doch auch nichts dafür könne, wenn der Westen es einfach nicht hinbekomme. Viele Ex­per­t*in­nen sehen die AfD auf dem Weg zu einer im Osten verankerten völkischen Regionalpartei, die im Osten starke Wahlergebnisse einfährt und im Westen mit der Fünfprozenthürde kämpft.

Niemand fühlt sich verantwortlich

Verantwortung für die Niederlage wollte niemand übernehmen. Und so sprach es auch Bände, dass die geplante gemeinsame Pressekonferenz von Chrupalla und dem schleswig-holsteinischen Spitzenkandidaten Jörg Nobis am Montagvormittag erst verschoben und dann ganz abgesagt wurde. Nobis hatte sich angeblich verspätet, Chrupalla wollte sich ohnehin nur digital zuschalten lassen, weil er die 2G-Voraussetzungen nicht erfüllte. Und so platzte der Termin, mit teils widersprüchlichen Erklärungen der AfD, obwohl die Partei selbstverständlich mit Alice Weidel, Beatrix von Storch und Stephan Brandner gleich drei Vize-Vorsitzende hat.

Klar war letztlich: Öffentlichkeit war nach dem Wahldebakel unerwünscht. Zumal öffentliche Auftritte von Chrupalla nebst kruder Aussagen zum Ukrainekrieg zuletzt die Sorgenfalten bei vielen AfD-Mitgliedern im Westen vertieft hatte. So lähmt die Russlandfrage weiter die AfD und überlagert fast alles – womöglich auch die NRW-Wahl.

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7 Kommentare

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  • 'Überfordert' - ein schöner Begriff für die AfD-Leute.

  • Bevor wir jetzt allzusehr in Jubel ausbrechen. Die Leute sind nicht weg. Und die sie antreibenden dumpfen Ressentiments auch nicht.

    Gefreut habe ich mich trotzdem :-)

  • Zum Artikel:



    Nicht 4,4% der Wähler*innen, die die AfD gewählt haben, haben den Landtag von der Partei befreit sondern alle, die diese Partei nicht aber eine andere gewählt haben.

    Zu Gerd Hunsberger:



    Nein, nicht egal warum, der Verein weg ist. (Ist er ja auch gar nicht, sondern nur nicht im Landtag SH).



    Genausowenig egal ist, warum der Verein da drin war.



    Es ist verdammt wichtig, zu wissen, wo und wie dieses Gedankengut sich weiter einschleicht in unsere Gesellschaft.

  • Offenbar waren beim letzten Mal doch viele Protestwähler dabei ...und jetzt haben diese sich wieder auf ihre konservativen Werte besonnen.

  • Egal warum, Hauptsache der Verein ist weg!

  • > Viele halten Chrupalla für unfähig, die Partei zu führen und für intellektuell überfordert.

    So einen überforderten Maler hatten wir doch schon mal, wenn ich mich recht erinnere...

    • @Grenzgänger:

      Tja, der konnte nicht nur nicht malen sondern auch nicht schreiben ... also Bücher jetzt ...