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AfD-Propaganda vor Gericht entlarvtSchubser des Grauens

Ein „Überfall“ auf eine AfD-Wahlkampfveranstaltung von 2013 kam jetzt vor Gericht. Der Fall zeigt, wie dreist die AfD schon damals log und endet mit einem Freispruch

Weimarer Zustände: Hier zeigt Lucke vielleicht, wie groß das Messer vom fiesen Linksextremisten war Foto: Federico Gambarini/dpa

Bremen taz | Die AfD wusste schon 2013 ganz gut, wie Propaganda funktioniert. Sie hat einfach dreist gelogen. Soviel ist nach einem Prozess vor dem Amtsgericht Bremen am Mittwoch klar. Es ging um den sogenannten „Überfall an der Waldbühne“. Der damalige AfD-Chef Bernd Lucke sprach im August 2013 auf einer Wahlkampfveranstaltung im Bremer Bürgerpark. Zwei Vermummte stürmten auf die Bühne, schubsten Lucke vom 70 Zentimeter hohen Podest und verschwanden. Lucke blieb unversehrt. Drei Personen wurden festgenommen, eine davon nun wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung und Beleidigung angeklagt.

Vor Gericht erwies sich jedoch eindeutig, dass es sich beim Angeklagten Marcus M. nicht um denjenigen handelte, der Lucke, der beim Prozess nicht anwesend war, schubste. Die Richterin Vogdt sprach M. frei. Keiner der Zeugen war in der Lage, den Angeklagten zu identifizieren. Am Ende bewiesen zudem auch ein Foto und ein Video M.s Unschuld – auf ihnen war zu erkennen, dass M. damals einen Irokesenschnitt und Jeans trug – anders als der Aktivist auf dem Video.

Obwohl der Schubser klein war, sorgte der Fall 2013 bundesweit für Aufmerksamkeit, weil die Polizei Bremen zunächst die Propaganda der AfD verbreitete. Die hatte zunächst von 20 bis 25 Linksextremisten schwadroniert, von denen acht maskiert die Bühne stürmten, sowie einem Messerangriff auf ein AfD-Mitglied, einer Pfeffergas-Attacke durch die Linken und mehreren Verletzten. Nichts davon bewahrheitete sich. Die Polizei war zwar damals auch vor Ort, die Pressestelle der Polizei übernahm seinerzeit aber trotzdem in weiten Teilen die Angaben der AfD.

Die Bild titelte „Messer-Angriff auf AfD-Chef Lucke“, das Abendblatt schrieb „Vermummte mit Messer und Reizgas“ griffen den damaligen AfD-Vorsitzenden an. Der wiederum schlachtete seinerseits den Vorfall propagandistisch aus: Lucke sprach zunächst von „Schlägertrupps wie in der Weimarer Republik“, verlangte bei „Zeit Online“ ein „härteres Vorgehen gegen Linksextreme“ und forderte im Focus, die Geduld mit Linksextremen aufzugeben.

„Lucke war Steigbügelhalter der Nazis“

Vor Gericht blieb davon nichts übrig. Mehrere Zeugen hatten zwar angegeben, den Schubser gesehen zu haben, keiner von ihnen konnte jedoch den Angeklagten identifizieren. Das lag auch an einem geschickten Trick der Richterin: Während der fünf Zeugenvernehmungen hatte sie den Angeklagten im Zuschauerraum zwischen den UnterstützerInnen und Interessierten Platz nehmen lassen, um eine Identifikation unter realistischen Bedingungen zu ermöglichen – auf der Anklagebank seien Angeklagte schließlich leicht zu identifizieren. Die Taktik ging auf, der Angeklagte wurde nicht erkannt.

So gingen dann auch die Aussagen der Zeugen nicht über das hinaus, was bereits in einem Video zu sehen war, das kurz nach dem „Überfall“ massive Zweifel an der AfD- und Polizeiversion aufkommen ließ: In dem kurzen Film, der bis heute auf Youtube zu sehen ist, sind eben zwei Männer zu sehen, die auf die Bühne rennen und irgendwas mit „Nazis“ brüllen. Einer von ihnen schubst Lucke von der Bühne, der fällt jedoch nicht einmal hin. Dann verschwinden sie in den nahegelegenen Wald. Ein paar Männer aus dem AfD-Publikum stürmten hinterher, schließlich kommen auch anwesende Polizisten hinzu. Nach ein bisschen Tumult wird die Veranstaltung fortgesetzt.

Lucke sprach von Schlägertrupps wie in der Weimarer Republik

Nach Angaben verschiedener Zeugen sei es auch zum Einsatz von Pfefferspray gekommen. Von wem, blieb allerdings unklar. Ein Messer hatte erst recht keiner gesehen. Interessant an den Aussagen war auch die Art der Festnahme: So sagte der als Zeuge geladene ehemalige Bürger in Wut, Oliver Meier, aus, dass Zuschauer zunächst mehrere Personen festhielten und auf die am Boden liegenden und festgehaltenen „einwirkten“ – und zwar mit „Fußtritten“.

Anwalt Jan Sürig, der M. vertrat, sagte in seinem Schlussplädoyer: „Lucke war ein Steigbügelhalter der Nazis. Auch wenn mein Mandant nicht beteiligt war, kann ich gewisse Sympathie für die Aktion nicht leugnen.“

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10 Kommentare

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  • Wenn die Polizei offensichtlich, öffentlich und wissentlich falsche Informationen zugunsten der AFD verbreitet hat - wo bleibt da die Anzeige wegen Teuschung und Amtsmissbrauch?

  • Die "Tat" bestand offenbar nur darin, dass eine Person einen Mann von einem 70 cm hohen Podest schubste, ohne dass dieser verletzt wurde oder eine Verletzungsabsicht ersichtlich wurde.

  • Respekt für den Trick! Hätte nicht gedacht, dass das Gericht zu solch windigen Mitteln greift, aber als Zeuge nach 4 1/2 Jahren einen vorher unbekannten Angeklagten im Zuschauerraum wiederzuerkennen, ist schon eine heikle Sache.

    Zumal die Frage der Richterin ja auch allgemein formuliert war, ob sich unter den ca. 20 Zuschauern Personen befänden, die man mit dem Angriff auf Lucke in Zusammenhang bringen könnte.

    Hätte ich sagen sollen: "Ja, der Mann ganz links hinten ist der Angeklagte, der eigentlich neben seinem Rechtsbeistand sitzen müßte?" Man schließt ja solche Taschenspielertricks des Gerichts nicht mit ein, wenn man vor ein seriöses Gericht geladen wird.

    Und von einem Geschädigten, der mir gegenüber während der Auseinandersetzung von einer durch ein Messer verursachten Innenhandverletzung sprach und diese mir auch zeigte, hatte ich dem Gericht sehr wohl berichtet.

    Interessant war aber auch die Reaktion der Richterin auf meinen Hinweis, dass nach meinem Kenntnisstand ein Verwandter des Innensenators auch innerhalb dieser Gruppe aktiv sei:

    "Das wollen wir mal jetzt nicht weiter vertiefen."

    Naja, warum auch.

    • @Oliver Meier:

      "Hätte ich sagen sollen: 'Ja, der Mann ganz links hinten'" - Ja. Das ist der Sinn einer Frage zur Identifizierung eines Täters. Aus Ihrer entlöarvenden Einlassung hier bin mir sicher, Sie hätten ohne zu zögern wahrheitswidrig behauptet, den Täter identifizieren zu können und auf den Angeklagten gezeigt, hätte er neben seinen Verteidiger gesessen. Das ist kein Trick, windiger Herr.

      • @Laurenz Kambrück:

        Sehr schön herausgearbeitet.Der Herr Meier hätte wohl wirklich nicht davor zurückgeschreckt, einen politischen Gegner mit einer Lüge vor Gericht ins Gefängnis zu bringen. Das ist eben Mut zur alternativen Wahrheit.

      • @Laurenz Kambrück:

        Die Identifizierung des Tatverdächtigen erfolgte ja bereits vor ca. 4 Jahren bei der polizeilichen Vernehmung, in dessen Verlauf mir mehrere 100 Fotos vorgelegt wurden. Können Sie sich das erklären? Aber passt schon. Habe mich gewundert, dass prozessual überhaupt noch was stattfindet.

  • Das war ein völlig normales Prozeßgeschehen. Daß Zeugen jemanden, den sie nur wenige Sekunden lang gesehen haben und der im Gerichtssaal wahrscheinlich ganz anders aussieht als zum Zeitpunkt des Geschehens, Jahre später wiedererkennen, ist unwahrscheinlicher als 3 mal nacheinander im Lotto 6 Richtige.

     

    Doch einen solchen offensichtlichen Punkt in einem Medienbericht zur Hauptsache zu machen und daraus Verlogenheit der AfD herzuleiten spricht für sich selbst.

     

    Schade, denn genau auf solche Weise wird die AfD erneut in die Opferrolle geschoben, obwohl ja unübersehbar genau das Gegenteil beabsichtigt war.

  • schade, ....

     

    es wird nicht erwähnt, ob herr lucke geladen war.

    und wenn nicht, warum nicht.

    er hätte sicherlich zur aufklärung beitragen können.

  • Ich hasse es, die AfD verteidigen zu müssen.

     

    Aber dieser Artikel ist wirklich Mist, weil hier verschiedene Dinge miteinander vermischt werden.

     

    Dass der Angeklagte nachweislich nicht der Täter der Tat war, heißt ja noch nicht, dass es die Tat nicht gegeben hat.

     

    Insofern besagt das Urteil, mit dem lediglich der Angeklagte freigesprochen wurde, weil er nicht derjenige gewesen sein kann, der die Tat damals begangen hat, noch nichts darüber, was damals tatsächlich geschehen ist.

     

    Insofern liegt das Problem eher im Jahr 2013, als die AfD den Vorfall propagandistisch ausgeschlachtet und übertrieben dargestellt hat.

     

    Aber das war 2013 und hat mit dem 2018 ergangenen Urteil überhaupt nichts mehr zu tun. Gegenstand des Verfahrens war ja nicht die Propaganda der AfD. Nachdem festgestellt wurde, dass der Angeklagte nicht der Täter der Tat gewesen sein kann, dürfte noch nicht einmal eine Rolle gespielt haben, was damals tatsächlich geschehen ist. Denn was auch immer tatsächlich geschehen ist, der Angeklagte kann es nicht getan haben.

     

    Ein anderes Problem ist darin zu sehen, dass die Polizei die Darstellung der AfD unkritisch übernommen hat.

     

    Aber auch das war 2013 und hat mit dem 2018 ergangenen Urteil überhaupt nichts mehr zu tun. Auch dieses unprofessionelle Verhalten der Polizei war nicht Gegenstand des Verfahrens. Nachdem festgestellt wurde, dass der Angeklagte nicht der Täter der Tat gewesen sein kann, dürfte noch nicht einmal eine Rolle gespielt haben, ob das, was die Polizei berichtet hat, tatsächlich zutreffend war. Denn was auch immer tatsächlich geschehen ist, der Angeklagte kann es nicht getan haben.

     

    Insofern entsteht der Eindruck, dass dieses Urteil nur genutzt wird, um auf die AfD wegen etwas, das 2013 geschehen ist, noch einmal einzudreschen.

     

    Ich finde das unprofessionell.

    • @Michael Laube:

      In dem Artikel wird nirgendwo behauptet, dass das Urteil alleine etwas darüber aussagen würde, was damals tatsächlich geschehen ist.