AfD-Politikerin bei Podiumsdiskussion: Volksverhetzung am Holocaust-Gedenktag
Bei einer Podiumsdiskussion vor Schüler*innen wiederholte Marie-Thérèse Kaiser eine rassistische Aussage, für die sie bereits verurteilt worden ist.
Vor der Schule in der niedersächsischen Gemeinde fand eine Kundgebung gegen die Einladung statt. Das Bündnis „Aufstehen gegen Rassismus“ kritisierte, dass Kaiser ausgerechnet am Holocaust-Gedenktag eine Bühne geboten bekam. Nicht erst seit den Wahlerfolgen der AfD wird über die Beteiligung von Kandidat*innen von extrem rechten Parteien bei Schulveranstaltungen diskutiert. Bühne bieten, ja oder nein? Greift der Gleichheitsgrundsatz, ja oder nein?
Die einladenden Schüler*innen hatten sich sehr gut vorbereitet. Ein Faktencheck-Team verfolgte die Diskussion mit Frauke Langen (SPD), Jan Bauer (CDU), Joachim Fuchs (Grüne), Jan Koelke (FDP), Christoph Podstawa (Die Linke) und Kaiser.
Die AfDlerin ist Mitarbeiterin der AfD-Bundestagsspitzenkandidatin und Fraktionsvorsitzenden Alice Weidel. Getreu der Parteilogik wollte sie sich als ausgegrenzt inszenieren, da ihre Teilnahme vorab diskutiert worden war.
Marie-Thérèse Kaiser, AfD
Seit 2017 ist Kaiser Parteimitglied und sitzt im Kreistag Rotenburg/Wümme. Kaiser pflegt einschlägige Kontakte. Ihre Hamburger Kampagne „Merkel muss weg“ trugen Rechtsextreme mit. Der Videokanal „Wir klären das“, in dem sie auftritt, gehört zum rechtsextremen Verein „Ein Prozent für unser Land“.
Auf Schüler-Nachfrage musste Kaiser einräumen, im Kreistag kaum präsent zu sein. Schuld wären aber die anderen Kreistagsmitglieder, die die Termine ausgerechnet auf die Sitzungstage des Bundestags legen würden. Da müsse sie an der Seite ihrer „Chefin Dr. Alice Weidel“ sein. Lachen aus dem Publikum folgte auf die Ausrede.
„War Hitler ein Kommunist?“, fragte jemand von den Zuhörer*innen. „Ich persönlich finde, dass man darüber eine offene Debatte führen muss, die nicht unterdrückt wird“, antwortete Kaiser. Das Publikum reagierte entsetzt. Kaiser aber hielt sich weiter auf Parteilinie. Die Kritik an „unserem Remigrationskonzept“ sei unberechtigt, die AfD wolle nur geltendes Recht wieder zur Rechtmäßigkeit kommen lassen.
Der Kandidat der Grünen, Joachim Fuchs, warnte vor dem Versuch, „Remigration positiv zu framen“ und wies auf weitere Umdeutungsversuche der AfD hin.
Strafbewährter Post ist immer noch online
Eine Schülerin fragte Kaiser nach ihrer Verurteilung wegen Volksverhetzung. Kaiser, die durch Modeltätigkeit und Omnipräsenz für die AfD zur Szene-Influencerin geworden war, hatte 2021 in einem Post bei Facebook afghanische Ortskräfte der Bundeswehr in Verbindung mit Gruppenvergewaltigungen gebracht. Ihr Post bezog sich auf eine Aussage des Hamburger Bürgermeisters Peter Tschentscher (SPD), der für die Aufnahme von 200 in Afghanistan gefährdeten Mitarbeitern der Bundeswehr geworben hatte. Das Originalzitat von Kaiser lautete: „Willkommenskultur für Gruppenvergewaltigungen?“
Im Schulsaal räumte sie nun ein, die Verurteilung durch das Landgericht Verden mittlerweile angenommen zu haben. Die Strafe von 6.000 Euro sei bezahlt. Auf X hatte sie noch angekündigt, das Urteil nicht zu akzeptieren.
Vor den Schüler*innen führte sie aus: „Ich wurde letztendlich verurteilt, weil ich Kritik an der unkontrollierten Massenmigration geäußert habe.“ Sie habe lediglich die Frage gestellt, ob es sinnvoll sei, „Afghanen, die bereits überproportional straffällig und tatverdächtig geworden sind, wenn es um Sexualdelikte geht, unkontrolliert ins Land zu holen.“ Und sie verwies auf ihren strafbewährten Post, der immer noch online sei. Unwidersprochen suggerierte die Rechte so erneut, Tschentscher wolle „eine Willkommenskultur für Gruppenvergewaltiger“ schaffen.
Der Kandidat der Linken betonte, von der AfD seien grundsätzlich keine sozialen Lösungen zu erwarten. Abschiebungen lösten weder Problemen in der Bildungs- noch in der Sicherheitspolitik.
Die Wiederholung ihrer Aussage bezüglich vermeintlicher afghanischer Straftäter könnte für Kaiser ein juristisches Nachspiel haben. Zwei Juristen merkten gegenüber der taz an, dass eine bereits bestrafte volksverhetzende Aussage bei Wiederholung erneut rechtlich überprüft werden muss. Das Bündnis „Aufstehen gegen Rassismus“, die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft und Eltern hatten im Vorfeld vor solchen Verhetzungen auf der Schulbühne gewarnt.
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