AfD-Parteitag steht bevor: Leerstelle an der Parteispitze

Die AfD wählt einen neuen Bundesvorstand. Wer Frauke Petry als Parteichefin folgen soll, ist offen. Gibt es eine Abkehr von der Doppelspitze?

Jörg Meuthen, Alexander Gauland und Dana Guth

Wer wird Frauke Petrys Leerstelle füllen? Foto: reuters

BERLIN taz | Der Antrag mit der Nummer „BS-41“ hat das Zeug dazu, die Tagesordnung des AfD-Bundesparteitags am Wochenende in Hannover zu sprengen. Eingereicht hat ihn Parteirechtsaußen André Poggenburg. Der Landes- und Fraktionschef in Sachsen-Anhalt will, dass die AfD künftig von einem einzelnen Vorsitzenden geführt werden kann. Die Doppel- oder Dreifachspitze, wie sie bislang laut Satzung vorgeschrieben ist, soll möglich, aber keine Pflicht mehr sein.

Bislang galt die Einerspitze in der AfD als Teufelszeug, das nicht zur vermeintlichen Vielfalt und Basisdemokratie der Rechtspopulisten passt. Als der ehemalige Parteichef Bernd Lucke versuchte, sie durchzudrücken, läutete er damit sein Ende ein. Ähnlich erging es Frauke Petry, die die AfD als alleinige Spitzenkandidatin in den Bundestagswahlkampf führen wollte. Sie hat die Partei Ende September verlassen. Auf dem Parteitag in Hannover, der eine neue Bundesspitze wählen soll, könnte sich eine langatmige Grundsatzdiskussion entspinnen.

Seit Petrys Abgang ist Jörg Meuthen, bislang ihr Co-Chef, alleiniger Bundeschef der AfD. Das soll, geht es nach Poggenburg, auch so bleiben. Die früheren, grundsätzlichen Bedenken gegen die Einserspitze? Poggenburg winkt ab. Der Status quo habe sich schlicht nicht bewährt, sagte er der taz. „Es gab unheimliche Reibungsverluste durch Kompetenzgerangel bei der Zweierspitze, das hat auf den ganzen Bundesvorstand ausgestrahlt.“ Tatsächlich hat der Machtkampf um Petry die AfD-Bundesspitze gelähmt.

Richtig ist aber auch, dass Poggenburg und seine rechte Strömung innerhalb der AfD, „der Flügel“, mit Meuthen gut gefahren sind – obwohl dieser vor zwei Jahren als wirtschaftsliberales Aushängeschild gewählt wurde. Wann immer es nötig war, hat sich Meuthen vor den Flügel-Frontmann Björn Höcke gestellt. Als Petry ein Parteiausschlussverfahren gegen Höcke auf den Weg brachte, stimmte Meuthen dagegen. Das Verfahren liegt noch immer beim Landesschiedsgericht in Thüringen.

Doch auch jenseits des Flügels scheint Meuthen an der Parteispitze gesetzt zu sein. Im April beklatschten ihn auf dem Kölner Bundesparteitag die Delegierten minutenlang stehend – für eine Rede, die jedes Rechtspopulistenherz höher schlagen ließ. Zuletzt allerdings hat der Baden-Württemberger viele in der Partei gegen sich aufgebracht: Erst nach massivem parteiinternen Druck kündigte er an, nach seinem Nachrücken ins Europaparlament sein Landtagsmandat in Stuttgart zum Jahresende aufzugeben.

Es mangelt an Kandidaten

Ob Poggenburgs Antrag durchkommt, darf man bezweifeln – Satzungsänderungen brauchen eine Zweidrittelmehrheit. Das Problem der Gegner: Für Petrys Nachfolge in einer Doppelspitze mangelt es bislang an einem überzeugenden Kandidaten.

Wenige Tage vor dem Parteitag werden in der AfD viele Namen gehandelt: Leif-Erik Holm, Landeschef in Mecklenburg-Vorpommern, ist dabei, der bei seinem Einzug in den Bundestag in Schwerin eine gespaltene Fraktion hinterließ. Georg Pazderski aus Berlin wird genannt, der den Bundesvorstand bereits als Beisitzer und früherer Bundesgeschäftsführer kennt. Oder Uwe Junge, Fraktionschef in Rheinland-Pfalz, der – ganz Soldat – intern betont, wenn die Partei ihn rufe, werde er seine Pflicht erfüllen.

Bundestagsfraktionschefin Alice Weidel dagegen, deren Name oft fällt, hat sich skeptisch über eine Kandidatur geäußert. Gegen sie spricht außerdem, dass sie wie Meuthen aus Baden-Württemberg kommt.

Der Einzige, auf den sich vermutlich die große Mehrheit der Delegierten sofort verständigen könnte, wäre Alexander Gauland. Doch der Fraktionschef im Bundestag ist inzwischen 76 Jahre alt, nicht ganz gesund und hat bislang für den zweiten Spitzenjob abgewunken.

Gauland könnte aber wieder als Vize kandieren. Für diesen Posten hat seine erneute Kandidatur auch Albrecht Glaser angekündigt, der noch immer Bundestagsvizepräsident werden soll. Ob auch Beatrix von Storch, bislang die dritte stellvertretende Parteichefin, wieder antritt, ist noch nicht bekannt.

Moderate Kräfte kandidieren nicht wieder

Interessant wird auch, wie sich das Machtgefüge im 13-köpfigen Bundesvorstand insgesamt verschiebt. Einige der moderaten Kräfte, wie Dirk Driesang aus Bayern oder Julian Flak aus Schleswig-Holstein, werden nicht wieder kandidieren. Der Flügel dagegen, den Poggenburg bislang vertritt, will mehr Einfluss. „Ich fände drei oder sogar vier Mitglieder des ,Flügels' nicht übertrieben“, sagt Poggenburg, der selbst wohl Vize werden will.

Böse Zungen behaupten sogar, dies sei das eigentliche Ziel seines Antrages: Bei nur einem Vorsitzenden gäbe es einen Vizeposten mehr, den Poggenburg für sich selbst schaffen will. Auch Andreas Kalbitz, Flügel-Mann aus Brandenburg, will für den Bundesvorstand kandidieren. Und mit Spannung wird erwartet, ob Höcke selbst antritt.

Doch selbst viele, die Höcke eigentlich unterstützen, raten davon ab. Eine Abstimmung über den Rechtsaußen würde die Partei, die nach dem Abgang von Petry um Einheit ringt, erneut auseinandertreiben. Zudem ist nicht sicher, ob Höcke überhaupt mehrheitsfähig ist. Eine Niederlage aber würde den Nimbus des Thüringers schwer ankratzen.

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