AfD-Kolonialverbrecherehrung in Namibia: Mit schwarz-rot-goldener Schleife

Ein AfD-Parlamentarier sorgt für diplomatische Spannungen. Der namibische Botschafter beschwert sich, der NRW-Landtagspräsident distanziert sich.

AfD-Mann Sven Tritschler am Redepult des NRW-Landtags

Hat seine ganz eigene Sicht auf die deutschen Kolonialverbrechen: der stellvertretende NRW-Landtagsfraktionschef Sven Tritschler Foto: David Young/dpa

DÜSSELDORF/BERLIN taz | Der eigentümliche Umgang des Kölner AfD-Landtagsabgeordneten Sven Tritschler mit der verbrecherischen deutschen Kolonialgeschichte sorgt weiter für Unmut im nordrhein-westfälischen Landtag. In scharfen Worten hat inzwischen auch Landtagspräsident André Kuper (CDU) das Agieren Tritschlers im Zusammenhang mit einer Parlamentsdelegationsreise nach Namibia kritisiert.

Mit seiner Kranzniederlegung am Grab eines Hauptmanns der deutschen „Schutztruppe“ habe der AfD-Parlamentarier „bewusst die eigentliche Intention der Ausschussreise untergraben und konterkariert“, rügt Kuper in einem Schreiben an ihn: „Mit Ihrem Verhalten haben Sie dem Ansehen des Landtags Nordrhein-Westfalen schweren Schaden zugefügt.“

Über den Vorfall hatte zuerst die taz vor einer Woche berichtet. Tritschler war Anfang Juli als Mitglied einer Delegation des Landtagshauptausschusses nach Namibia gereist. Offizieller Zweck der Reise war es, die „Aufarbeitung des deutschen Kolonialismus“ und die „deutsch-namibische Zusammenarbeit“ zu befördern. Unter anderem legte die Delegation, zu der elf Abgeordnete sowie fünf Frak­ti­ons­re­fe­ren­t:in­nen von CDU, SPD, Grünen, FDP und der AfD gehörten, einen Kranz am Genozid-Mahnmal in Windhuk ab und besuchte das Genozid-Museum in Swakopmund sowie den dortigen Herero-Friedhof.

Namibia war von 1884 bis 1915 als vermeintliches „Schutzgebiet Deutsch-Südwestafrika“ eine deutsche Kolonie. Von Anfang an ging die Besatzungsmacht mit militärischer Gewalt gegen die lokale Bevölkerung vor. Nach Aufständen der Herero und der Nama wollte der preußische General Lothar von Trotha, Kommandeur der deutschen „Schutztruppe“, 1904 die beiden Volksgruppen vollständig vernichten lassen. Schätzungsweise bis zu 100.000 Menschen wurden ermordet, verdursteten in der Omaheke-Wüste oder starben in Konzentrationslagern. Der Völkermord an den Herero und den Nama gilt als der erste Genozid des 20. Jahrhunderts.

Deutschnationaler Geschichtsrevisionismus

Rechtsaußen Tritschler hat jedoch offenbar eine etwas andere Sicht auf die Geschichte. Gemeinsam mit seinem Fraktionsreferenten posierte der 42-jährige Ex-Bundeswehrsoldat in Swakopmund vor dem Grab des 1899 verstorbenen deutschen Offiziers Wilhelm Eduard Richard Heldt. In der Hand hielten die beiden einen mit schwarz-rot-goldener Schleife dekorierten Kranz. Ein Foto davon postete Tritschler auf seinem Instagramkanal, unterlegt mit dem national-heroischen Kriegslied „Ich hatt’ einen Kameraden“. Der Kranz sei „für alle dort bestatteten deutschen Soldaten niedergelegt“ worden, teilte er auf Nachfrage dem WDR mit.

Nach Informationen des Spiegel hat sich im Anschluss an die taz-Veröffentlichung der Botschafter der Republik Namibia in Deutschland, Martin Andjaba, beim Auswärtigen Amt über die Aktion Tritschlers beschwert. Er soll zudem um ein Gespräch in dieser Angelegenheit im Außenamt in Berlin gebeten haben. Aus dem Auswärtigen Amt hieß es am Donnerstag gegenüber dem Spiegel, man habe die Aktion des AfD-Manns in Namibia „mit großer Irritation zur Kenntnis genommen“. Sie repräsentiere in „keiner Weise“ die Haltung der Bundesregierung.

Kuper bestätigt in seinem Schreiben, dass sich vor wenigen Tagen der namibische Botschafter gemeldet und „erhebliche Kritik“ geäußert habe. Der NRW-Landtagspräsident habe demgegenüber festgehalten, „dass es sich bei dem Vorgang nicht um einen Teil während der Delegationsreise des Ausschusses des Landtags, sondern um einen anschließenden ausschließlich privaten Teil der Reise handelte“, teilte ein Landtagssprecher der Nachrichtenagentur dpa mit. Dieser private Teil der Reise sei „weder im Auftrag des Präsidenten noch im Auftrag des Ausschusses“ erfolgt.

Kuper habe Tritschler „sein Befremden über das Verhalten ausgedrückt und dazu aufgefordert, künftig jegliches Verhalten zu unterlassen, das die Würde des Parlaments weiter beschädigt“, so der Landtagssprecher: „Weitere Konsequenzen werden ausdrücklich geprüft und vorbehalten.“

AfD-Mann hält Kolonialsoldaten unverbrüchlich die Stange

Tritschler ist stellvertretender AfD-Fraktionschef im Landtag. Die Kritik an seinem Auftreten in Namibia weist er zurück. „Als deutscher Volksvertreter sah ich mich – im Gegensatz zu meinen Kollegen von den anderen Fraktionen – in der Pflicht, auch einen Kranz am Grab der hier gefallenen deutschen Soldaten niederzulegen“, teilte er der taz auf Anfrage mit.

„Im Übrigen ist die Erzählung von der ‚unschuldigen‘ Herero- und Namabevölkerung, die ‚verbrecherischen‘ deutschen Soldaten zum Opfer gefallen sei, historisch nicht haltbar“, fügte das frühere FDP-Mitglied hinzu. Das hätten seiner Auslegung nach auch Gespräche im Rahmen des offiziellen Besuchsprogramms so ergeben.

Die grüne Fraktionsvorsitzende Verena Schäffer, die auch Teil der Landtagsdelegation war, zeigte sich fassungslos über die Aussagen Tritschlers, die einer Leugnung des Genozids gleichkämen und „historisch faktenfrei“ seien. Die SPD-Landtagsabgeordnete Christina Kampmann, die ebenfalls mit in Namibia war, sprach von einer „Verhöhnung der Opfer“.

Gegenüber der dpa gab Tritschler nun an, seinem „Verständnis von Versöhnung“ hätte es nicht entsprochen, dass bei zwei Friedhofsbesuchen im Rahmen der Delegationsreise nur der Hereros und nicht auch der gefallenen deutschen Soldaten gedacht worden wäre, „die unter sehr schweren Bedingungen Dienst taten“. Weil das im offiziellen Programm nicht vorgesehen gewesen sei, habe er dies mit einem Mitarbeiter im Anschluss nachgeholt, „da wir noch einige Tage länger auf eigene Kosten im Land blieben“.

Umso „verwunderlicher und anmaßender“ sei für ihn nun das Schreiben des christdemokratischen Landtagspräsidenten, so Tritschler. Er werde Kuper „in aller Deutlichkeit entgegnen, dass ihn meine selbst organisierten Reisen nichts angehen“.

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