piwik no script img

AfD-Kandidatur in SachsenKrah will in den Bundestag

Der extrem rechte Maximilian Krah will als Direktkandidat für den Bundestag antreten. Der AfD-Bundesvorstand ist darüber nicht erfreut.

Extrem rechter Querulant mit Riesenego: Maximilian Krah (AFD) Foto: Fabrizio Bensch/reuters

Berlin taz | Kaum nach Brüssel gewählt, ist der EU-Abgeordnete Maximilian Krah (AfD) bereits wieder auf Wahlkampftour. Er wolle in den nächsten Wochen eine Reihe von Terminen im sächsischen Wahlkreis Chemnitzer Land absolvieren, kündigte der Rechtsextremist der taz an. Eine Kandidatur sei aber noch nicht entschieden, behauptete er.

Seit Wochen geistert das Gerücht durch seine autoritär-nationalradikale Partei, Krah wolle in den Bundestag. Die Freie Presse berichtete nun, dass er bei einem der „Bürgerabende“ in Stollberg unter dem Titel „Krah kommt!“ seine Direktkandidatur im Wahlkreis 162 angekündigt hat.

So ist es immer wahrscheinlicher, dass der wegen SS-Verharmlosung, Spionage- und Korruptionsverdacht berüchtigte EU-Parlamentarier für seine Partei in den Bundestag einziehen könnte – wenn er denn den Wahlkreis gewinnt. Es ist der Wahlkreis des CDU-Abgeordneten Marco Wanderwitz, der auch wegen rechter Anfeindungen nicht wieder antreten wird. Die Union musste den Wahlkreis bereits bei der letzten Bundestagswahl an die AfD abtreten.

In der Parteiführung freut man sich offenkundig nicht über Krahs Kandidatur. Anfragen nach einem Statement dazu ließen die designierte Spitzenkandidatin Alice Weidel sowie der Co-Vorsitzende Tino Chrupalla unbeantwortet. Die Parteichefs hatten sich nach einem verkorksten EU-Wahlkampf, bei dem Krah als Spitzenkandidat keinen Skandal ausließ, erfolgreich gegen dessen Aufnahmen in die AfD-Delegation im EU-Parlament gestellt. Danach gab es offenen Streit quer durch alle Fronten. In die von der AfD in Brüssel mitgegründete Fraktion von Europas ultranationalistischer Resterampe (Titel: „Europa der souveränen Nationen“) wurde Krah dann nicht aufgenommen, weswegen er in Brüssel als unzufrieden gilt.

Das könnte nun zum Bumerang für Weidel und Chrupalla werden: Krah gilt nicht nur im Bundesvorstand als Querulant mit Riesenego, den man lieber weit weg in Brüssel als in der eigenen Bundestagsfraktion wüsste. Hinzu kommen fragwürdige Verbindungen nach Russland, China und Katar und sein selbst in der extrem rechten Partei berüchtigter Hang zu Ausschweifungen, der ihm den internen Spitznamen „Schampus-Max“ eingebracht hat. Bereits in der ehemaligen ID-Fraktion in Brüssel wurde er mehrfach wegen diverser Eskapaden suspendiert.

Auch Höcke überlegt – mal wieder

Rückhalt hat Krah allerdings durch seine Bekanntheit und Beliebtheit in der extrem rechten Online-Bubble und dem aktivistisch-politischen Vorfeld der Partei. Nicht zuletzt in den sozialen Medien erfreut er sich mit seiner gezielten Ansprache vor allem von jungen, männlichen Use­rn großer Beliebtheit.

Wohl auch aufgrund des fehlenden Rückhalts in der Parteispitze gilt es jedoch als unwahrscheinlich, dass Krah sich für die Landesliste der AfD Sachsen aufstellen lässt, die der Landesverband am 30.11 wählen will. Stattdessen schielt er nun auf das frei gewordene Direktmandat von Mike Monczek, der nach seiner erfolgreichen Kandidatur für den sächsischen Landtag nicht mehr für den Bundestag antritt. Monczek gilt als Vertrauter von Krah.

Aber es könnte noch dicker kommen: Der Kopf des völkischen Flügels, Björn Höcke, hält sich bislang ebenfalls eine Kandidatur für den Bundestag offen. Sein Co-Landeschef Stefan Möller bestätigte der taz, dass dies zumindest eine Option sei, über die Höcke seit Wochen intensiv nachdenke. In den nächsten Tage solle eine Entscheidung fallen: „Nichts ist ausgeschlossen“, sagte Möller der taz.

Es wäre das erste Mal, dass sich der Haupttreiber der Radikalisierung der AfD aus Thüringen heraustrauen würde. Höcke hatte immer wieder mit dem Wechsel auf die Bundesebene kokettiert. Letztlich hatte er es aber nie gewagt, weil er nur zu Abstimmungen antritt, bei denen er sicher ist, sie auch zu gewinnen.

Dass Höcke es in der Bundestagsfraktion unterhalb der Fraktionsspitze machen würde, gilt wiederum als unwahrscheinlich. Dabei ist es derzeit nicht einmal sicher, ob er überhaupt in den Fraktionsvorstand kommen würde. Zuletzt bröckelte der Einfluss Höckes, die völkische Strömung hat sich zunehmend fragmentiert – auch nach einem Zerwürfnis mit Krah. Unterm Strich bleibt es damit zweifelhaft, dass Höcke sich wirklich nach Berlin traut.

Offene Kritik an den Kandidaturen von Krah und Höcke gibt es indes nicht. Auch die Spitzenkandidatin Weidel hält sich zurück. 2017 hatte sie noch für den Parteiausschluss Höckes nach dessen geschichtsrevisionistischer Rede in Dresden gestimmt. Mittlerweile gibt es einen Burgfrieden zwischen Weidel und Höcke.

Eine weitere Überraschung zeichnete sich am Freitag ab: Der 83-jährige AfD-Ehrenvorsitzende Alexander Gauland will ebenfalls nochmal in einem Direktwahlkreis antreten, wie mehrere Medien berichteten. Antreten soll er nicht mehr in Brandenburg, sondern als Direktkandidat in Sachsen – und zwar im Nachbarwahlkreis von Krah: in Chemnitz. Vor einigen Wochen hatte er noch dementiert, erneut für den Bundestag kandidieren zu wollen. Gauland war 40 Jahre lang in der CDU und gründete 2013 die AfD mit, wandelte sich vom Leiter der hessischen Staatskanzlei zum rassistisch argumentierenden Wut-Rentner. Im Bundesvorstand hielt er stets seine schützende Hand über die völkische Strömung und Höcke.

Krah macht Wahlkampf beim Barbier

Für Aufsehen sorgte unterdessen mal wieder Krah mit einem Video, dass er bei einem Barbier drehen ließ. Darin haut er während einer Nassrasur rassistische Thesen zur „Remigration“ raus: Einer der Männer beim Barbier fragt: „Möchtest du, dass wir alle verschwinden aus Deutschland?“ Krah behauptet daraufhin, dass es ihm nur um „arbeitslose Ausländer“ ginge und macht dann mit einer Rasierklinge am Hals noch einen geschmacklosen Witz über einen mutmaßlich islamistischen Anschlag: „Echte Männer haben keine Angst vorm Messer – auch nicht in Solingen“. Kurz darauf lobt er den autoritär-islamistischen türkischen Staatspräsidenten Erdoğan.

Offenkundig, dass er mit dem Video auch migrantische Communities ansprechen will – eine Strategie, die in der AfD durchaus kontrovers ist. Wie viel Krah das im Chemnitzer Land bringt, bleibt abzuwarten.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

1 Kommentar

 / 
  • "Der 83-jährige AfD-Ehrenvorsitzende Alexander Gauland will ebenfalls nochmal in einem Direktwahlkreis antreten, wie mehrere Medien berichteten. Antreten soll er nicht mehr in Brandenburg, sondern als Direktkandidat in Sachsen – und zwar im Nachbarwahlkreis von Krah: in Chemnitz."



    Da schließt sich dann ein Kreis?



    aus dem im Netz einsehbaren "Chemnitzer Autorenlexikon":



    "Alexander Gauland verlebte seine Kindheit als Sohn des ehemaligen, von den Nazis abgesetzten, Chemnitzer Polizeipräsidenten auf dem Kaßberg. Die Schulzeit endete 1959 mit dem Abitur. Ein Jahr später ging er in die Bundesrepublik. Er studierte Jura und promovierte 1971 über „Das Legitimationsprinzip in der Staatenpraxis seit dem Wiener Kongress“ (Buchveröffentlichung im selben Jahr). Von 1970 bis 1972 war er im Presse- und Informationsamt der Bundesregierung tätig. 1974/75 wirkte er als Generalkonsul in Edinburgh. Ab 1977 leitete er das Büro des Oberbürgermeisters der Stadt Frankfurt und von 1987 bis 1991 war er Staatssekretär und Chef der Hessischen Staatskanzlei in Wiesbaden. Vorgänge aus dieser Zeit wurden von Martin Walser im Schlüsselroman „Finks Krieg“ verarbeitet. ..."