AfD Hannover setzt Vereine unter Druck: Post von Rechtsaußen
Die hannöversche AfD-Fraktion hat Rechenschaftsberichte von Vereinen mit Migrationsberatung angefordert. Die sind nun verunsichert.
In der Mail bittet die AfD-Ratsfraktion um Zusendung der Satzung und Rechenschaftsberichte der vergangenen zwei Jahre im Hinblick auf die bevorstehende Verabschiedung des Haushaltsplanes 2025/2026. Die Dokumente seien „von großer Bedeutung, um eine fundierte und transparente Entscheidungsfindung zu gewährleisten“, steht da. Man bitte die Adressaten, „uns die genannten Dokumente zeitnah zur Verfügung zu stellen“.
Ahmed fand dieses Vorgehen ein bisschen forsch und so ungewöhnlich, dass sie die Ratsfraktionen der SPD und der Grünen anrief und um eine Einschätzung bat. Sie habe Angst bekommen, möglicherweise irgendwo nicht korrekt gehandelt zu haben. „Fehler findet man immer, wenn man danach sucht“, sagt Ahmed.
Bei der Ratsfraktion der Grünen meldete sich auch die Liberale Jüdische Gemeinde, die die gleiche Mail erhalten hatte. „Wir waren darüber sehr überrascht und irritiert“, sagt Geschäftsführerin Rebecca Seidler. Sie habe dergleichen noch nie erlebt.
AfD nicht an gutem Miteinander interessiert
Die Grünen entschlossen sich auf die Nachfragen hin, die Öffentlichkeit zu suchen. Für die Fraktion sei klar gewesen: „Wir müssen die Vereine informieren, dass die Rechenschaftspflicht nur gegenüber der Verwaltung existiert, nicht gegenüber den Fraktionen“, sagt das grüne Ratsmitglied Liam Harrold.
Natürlich stünden die Vereine, die Zuwendungen erhalten wollten, im Kontakt mit den Fraktionen. Die Fraktionen ließen sich die Arbeit der Vereine vorstellen. Der Austausch finde aber in einem ganz anderen Duktus statt, sagt Harrold.
Auch Marc-Dietrich Ohse, Geschäftsführer der SPD-Ratsfraktion, ist über das Ansinnen der AfD-Kollegen verwundert. „Wenn die Vereine Zuwendungsanträge stellen, müssen sie alle Informationen vorlegen“, sagt Ohse, „das heißt, alle Unterlagen, die die AfD möchte, stehen den Parteien ohnehin zur Verfügung.“ Im Rahmen des Zuwendungscontrollings der Stadt könne die AfD diese Unterlagen jederzeit einsehen.
Die Mail der AfD zeige, dass sie nicht an einem guten Miteinander interessiert sei, sagt SPD-Fraktionschef Lars Kelich. Dass sie vor allem migrantische Vereine anschreibe, zeige, dass es ihr vor allem darum gehe, Ressentiments zu schüren. „Diese Aktion kommt aus dem braunen Sumpf“, resümiert Kelich.
Ratsherr Harrold von den Grünen drückt sich vorsichtiger aus. Was die AfD mit ihrer Aktion verfolge, sei zwar unklar. „Aber es ist offensichtlich, welches Weltbild dahinter steckt“, sagt er. Die Vorgehensweise der Rechtsaußenpartei sei perfide.
Wie das wirkt, schildert Ahmed von der IIK. „Wir wissen schon, warum sie uns solche Mails schicken“, sagt sie. „Wir kämpfen seit vielen Jahren und haben ein bisschen was aufgebaut gegen Rassismus.“ Jetzt habe sie Angst um ihr Lebenswerk. Sie habe keine Kraft, das noch mal zu machen.
Wolfgang Becker, Sprecher des MigrantInnenselbstorganisationsnetzwerks Hannover (Miso), zu dem auch die IIK gehört, sagt, die AfD-Mail habe unter den 52 Mitgliedsvereinen zu Verunsicherung geführt. Per Rundmail teilte das Netzwerk seinen Mitgliedern mit, dass sie nicht verpflichtet seien, die angeforderten Unterlagen herauszugeben.
Niedersachsens Verfassungsschutz beobachtet AfD
Das Netzwerk betrachte die Aufforderung der AfD als „Versuch einer Ausforschung der migrantischen Communitiy“, der zu ignorieren sei. Es folgt der Hinweis, dass sich die AfD als Partei mit ausländerfeindlichen Parolen zu profilieren suche und vom niedersächsischen Verfassungsschutz als Verdachtsfall beobachtet werde.
Nach Auskunft ihres Vorsitzenden Jens Keller hat sich die AfD-Fraktion für ihr Anschreiben gezielt Vereine herausgesucht, die Migrationsberatung betreiben. An circa zehn Vereine sei die Mail gegangen. Die Fraktion habe höflich um Auskunft gebeten.
Die Auswahl begründet Keller damit, dass Migration ein „großer Kostenfaktor“ sei. Sie sei in Ordnung, wenn sie eine Gegenleistung erbringe. Wenn allgemein gespart werde, könne auch die Migrationsberatung davon nicht ausgenommen werden. Die AfD wolle hinterfragen, wie sinnvoll das Geld angelegt sei. „Ich kürze lieber bei einem Migrationsverein, bevor ich einen Kindergarten schließe“, sagt Keller.
Die Sorgen der Vereine erklärt er für unbegründet. Es gehe nur um die Haushaltsplanung. Dabei stehe „alles auf dem Prüfstand“.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Sourani über das Recht der Palästinenser
„Die deutsche Position ist so hässlich und schockierend“
Haftbefehl gegen Netanjahu
Sollte die deutsche Polizei Netanjahu verhaften?
Autounfälle
Das Tötungsprivileg
Spardiktat des Berliner Senats
Wer hat uns verraten?
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Israel und Hisbollah
Waffenruhe tritt in Kraft