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AfD-Demonstration und Gegenprotest25.000 gegen die AfD? Mindestens

Wie viele Menschen haben für und wie viele gegen die AfD demonstriert? Die kursierenden Zahlen überschätzen die AfD und unterschätzen die Gegendemos.

Und jetzt bitte einmal durchzählen! Eine der zahlreichen Anti-AfD-Proteste Foto: dpa

Berlin taz | Schon vor diesem Sonntag war klar: Zahlen werden wichtig. Wenn die AfD eine bundesweite „Großdemonstration“ in Berlin ankündigt, dann wird mit Spannung erwartet, wie viele Menschen sie zu so einem Ereignis mobilisieren kann. Ist die AfD mittlerweile tatsächlich eine Bewegungspartei, wie sie es gern behauptet? Und, mindestens genauso spannend: Schafft es eine Stadt wie Berlin, deutlich mehr Menschen als die RechtspopulistInnen auf die Straße zu bringen?

Die Antwort auf die letzte Frage ist ein klares Ja – dass bei den Gegenveranstaltungen mehr Menschen waren als auf der AfD-Demonstration, darin sind sich alle einig. Wie viel mehr es genau waren, dazu gehen die Zahlen allerdings auseinander.

Die AfD selbst spricht von 8.000 Menschen, die an ihrer Demonstration teilgenommen haben. Laut Berliner Polizei waren es deutlich weniger, nämlich „gut 5000“. Nach Schätzung der taz waren es tatsächlich 4.000 bis 5.000 TeilnehmerInnen, also noch einmal weniger – aber auch etwas mehr, als manche andere Medien berichteten, die nur von 2.000 bis 3.000 Teilnehmern sprachen.

Als Erfolg verbuchen kann die AfD diese Zahlen so oder so nur mit Mühe: Angemeldet waren eigentlich 10.000 TeilnehmerInnen. Schon im Vorfeld hatten die Organisatoren versucht, die Erwartungen nach unten zu korrigieren, plötzlich hieß es, 2.500 Menschen sei das Mindeste, schon 5.000 ein Erfolg. Das bedeutet für die Partei aber keine Steigerung: 2015, als sie das letzte Mal zu einer bundesweiten Demonstration in Berlin aufgerufen hatten, zogen gut 5.000 AfD-AnhängerInnen durch die Stadt. Auch gelang der angekündigte Schulterschluss mit Bürgerinitiativen nicht: Viele der TeilnehmerInnen waren lokale AfD-FunktionärInnen und ihr enges Umfeld. Lediglich die eng mit der AfD verwobene Initiativen „Zukunft Heimat“ aus Cottbus und „Merkel muss weg“ aus Hamburg unterstützten die Demonstration offiziell.

Der Gegenprotest fiel 2015 mit 2.000 bis 3.000 TeilnehmerInnen deutlich kleiner aus als am Sonntag. Kein Wunder: Dieses Mal gab es gleich eine ganze Reihe von Gegenveranstaltungen. Das Bündnis „Stoppt den Hass“ hatte nicht nur zu einer Kundgebung auf der Reichstagswiese, sondern auch zu zwei Aktionstreffpunkten für Blockaden aufgerufen. Dazu kamen drei verschiedene Zubringerdemonstrationen der Clubszene, die „Glänzende Demonstration“ aus dem Kunst- und Kulturbereich, eine Bootsdemo auf dem Wasser, eine antirassistische Kundgebung des Bündnisses „Welcome United“ sowie mehrere angemeldete Gegenkundgebungen entlang der AfD-Route, die als Anlaufpunkte dienten.

Die Polizei erläutert ihre Zahlen nicht

Die VeranstalterInnen der Gegenproteste beziffern die TeilnehmerInnenzahl bei ihren Veranstaltungen auf 71.800 oder aufgerundet 72.000: 60.000 bei den drei verschiedenen Demo-Raves der Clubszene, 3.500 bei der Gegenkundgebung sowie einmal 750 und einmal 1.000 Menschen bei den Aktionstreffpunkten von „Stoppt den Hass“, 250 auf den Booten der Wasserdemo sowie 1.000 dazu am Ufer, 5.000 auf der Glänzenden Demonstration und 300 bei der Kundgebung von „Welcome United“.

Die Polizei spricht hingegen nur von 25.000 GegendemonstrantInnen. Allerdings will sie diese Zahl nicht auf die einzelnen Veranstaltungen aufschlüsseln, ihre Zusammensetzung bleibt damit unklar.

Die taz kann keine eigene Zahl zu den GegendemonstrantInnen liefern – um hier eine belastbare Zählung durchzuführen, hätten wir mit deutlich mehr ReporterInnen im Einsatz sein müssen, und selbst dann wären seriöse Angaben nicht einfach. Denn viele Gegenveranstaltungen gingen ineinander über, die TeilnehmerInnen wechselten von einer zur anderen und wieder zurück, mischten sich mit Passanten und Touristengruppen. Klar ist aus unserer Sicht, dass die Polizeizahl von 25.000 die absolute Untergrenze beziffert.

„Wir wollten, dass es chaotisch wird, dass die Demonstrationen überlaufen, dass sich das mischt und da ganz viel Bewegung drin ist, damit das Bild entsteht: Die ganze Stadt ist auf den Beinen“, sagt Nora Berneis, Sprecherin des Bündnisses „Stoppt den Hass“ am Montag. Dieses Ziel haben die GegendemonstrantInnen erreicht – genaue Zahlen macht das schwierig, aber vielleicht auch etwas weniger wichtig.

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16 Kommentare

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  • Achja, lasst den Chauvi-Patrioten und besorgten Nazispießern doch diese offiziellen Zahlen.

     

    Die sind eh schon so frustriert (sonst hätten sie andere politische Ansichten) und werden von keinem mehr ernst genommen, der nicht auch schon Thilo Sarrazin zum Bundespräsidenten machen wollte für dieses eine Buch damals ("Deutschländer Würstchen schaffen an. Warum alles immer scheißer wird, besonders hier überall, wissenschaftlich bewiesen in 6.300 Fakten und Tortengrafiken").

    • 8G
      81331 (Profil gelöscht)
      @the fall:

      ...das mit den Torten war echt gut.

      Der Rest allerdings, der vom Sarrazin, war nur noch für'n Locus.

  • Ich find's gaaanz toll, dass so viele gegen die AfD demonstriert haben.

     

    DANKE Berlin!

     

    Glücklicherweise sind es nicht so viele die, die AfD unterstützen, und die, die dagegen sind fünf mal so viele!

     

    Danke.

  • Ich habe um 16:30 auf dem 17.Juni von der Siegessäule zum Brandenburger Tor eine Dichte von durchschnittlich 20 Personen pro Meter (minus 100m Freifläche zur Säule), also ca. 30.000 Personen allein dort und genau zu dieser Zeit). Ich aus meiner Zeit aus den berliner Loveparade Priduktionen, dass die Polizei eigentlich sehr gut Menschenmengen zahlenmässig erfassen kann.

  • Und? Was nützen die Zahlenspiele?

    Wäre es für gutmeinenden Journalistx etc. nicht vielleicht mal Zeit, sich ernsthaft mit der Strategie der AfD zu befassen?

     

    Hat deren Vordenker, Marc Jongen, nicht immer und immer wieder erklärt, im deutschen Volke den "Thymos" zu wecken?

    "Denn die Bundesrepublik, da ist Jongen sicher, leidet an einer „thymotischen Unterversorgung“, einer Armut an Zorn und Wut."

     

    Je heftiger sich der selbsternannt progressive Teil der Gesellschaft hier "im Kampf gegen rechts" engagiert, desto mehr reiben Jongen und co sich die Hände. Allein würden sie das niemals so hinkriegen.

     

    Bitte, liebe Autoren, ÜBERLEGT doch mal. Was hat diese "bunte" Veranstaltung denn wirklich gebracht? Wollen wir wetten, in der nächsten Wahlumfrage steht die AfD so satt wie eh und jeh?

    • @Frank Erlangen:

      Was die "bunte" Veranstaltung wirklich gebracht hat, möchten Sie wissen.

      Wenn allein in Berlin gegen die Rassisten mindestens fünfmal mehr Menschen auf die Straße gehen als diese aus dem ganzen Bundesgebiet zusammenkarren können, wird endlich klar, wie sehr die "Wir-sind-das-Volk"-Schreier bisher von Medien und Politik überbewertet worden sind.

      • @unSinn:

        Sie geben sich die Antwort selber. Berlin ist Links und Linke sind weitaus eher auf der Straße! Das beweist erstmal nicht viel! Wahlen zählen!

    • @Frank Erlangen:

      Wie man's macht, so macht man's falsch.

       

      Hat gestern trotzdem Spaß gemacht - auch wenn es nur der dunklen Seite der Macht geholfen hat.

      Nächstes Mal stehe ich natürlich auf der AfD-Seite, weil man das ja alles dialektisch sehen muss: Dann werden die automatisch weniger...

      • 7G
        76530 (Profil gelöscht)
        @pitpit pat:

        Vorsicht, Vorsicht. Ich befürchte, die Reaktion der bekannten Hardliner wird nicht lange auf sich warten lassen ...

  • "25.000 gegen die AfD?" Und schon sind alle glücklich.

    Vielleicht könnt Ihr Euch auch mal Gedanken machen, ob die AfD wirklich in allem unrecht hat und ob "Hauptsache-Anti-Afd" ein gutes Rezept für eine friedliche Zukunft des Landes bringt.

    Ich bin übrigens Anfang der Siebziger ein junger, wilder Westlinker gewesen, der ebenfalls bestrebt war, die Probleme der ganzen Welt mit einfachen Rezepten zu lösen. Bei uns war jeder ein ganz übler Nazi, der sich traute von der Wiedervereinigung zu sprechen. So dämlich waren wir damals.

    • @Rakatak:

      Solange die AfD eine undemokratische Partei ist, interessieren mich ihre Inhalte nicht wirklich. Das wäre auch so, wenn ihr Programm links, ökologisch oder sonst irgendwie nett wäre. Ich glaube deren Parteiprogramm sowieso nicht, die AfD lügt zuviel.

       

      Demokratische Parteien wissen, dass es in einer pluralistischen Gesellschaft unterschiedliche Meinungen und Interessen gibt, um die man in der politischen Arena (und das ist nicht nur das Parlament) erbittert streiten kann. Aber man stellt nie in Frage, dass die anderen Parteien auch Teile der Bevölkerung und Meinungen eines Teils der Bevölkerung repräsentieren.

       

      Einzig die AfD ist der Auffassung, dass es einen homogenen "Volkswillen" gibt und sie allein diesen "Volkswillen" vertritt. Wer nicht der Meinung der AfD ist, ist "nicht deutsch" (Storch über Özil) und gehört damit nicht zum "Volk". Und wenn die AfD nicht friedlich an die Macht kommt, gibt es eine "demokratische" Revolution (Kalbitz), wobei das "demokratisch" hier wohl genauso gemeint ist, wie die SED das auch meinte.

       

      Und auf den Sprechchor: "Wer Deutschland nicht liebt, soll Deutschland verlassen", der ebenfalls Menschen aus der "Volksgemeinschaft" ausschließen möchte, kann ich nur mit dem damaligen Bundespräsidenten Heinemann sagen: Ich liebe nicht mein Land, ich liebe meine Frau.

       

      Die AfD stellt sich gegen die pluralistische Demokratie, und mit Antidemokraten setze ich mich manchmal auch inhaltlich auseinander, aber nicht primär.

    • @Rakatak:

      Kommt da noch sinngemäß das "Aber sie haben auch die Autobahn gebaut"-Argument? ;)

    • @Rakatak:

      "…ob die AfD wirklich in allem unrecht hat…"

       

      Meines Erachtens ja. Egal, was die sagen – es ist wie beim Rattenfänger von Hameln – meine Meinung.

       

      Denn die AfD verpackt und versteckt ihren offensichtlichen Rassismus hinter populistischen "Stimmenfangthemen", verfolgt aber ganz andere, Jahrzehnte alte Ziele, die Europa schon mal in Krieg gestürzt haben. Nichts gelernt aus der Vergangenheit? NICHTS.

      Aber Krieg schafft ja angeblich Arbeitsplätze. Nein, tut er nicht. Er zerstört, bereichert ausschließlich die Reichen, vernichtet Freiheit und Gerechtigkeit. Ich persönlich hab' Angst von denen, die sind gefährlich.

       

      Um die "so genannten berechtigten Interessen" der Bevölkerung anzubringen, braucht es keine Rassisten, sondern konstruktiven Dialog. DEN genau verhindert die AfD nicht mit Ihrer m. E. menschenverachtenden und ausgrenzenden Hetze.

       

      Das kann doch wirklich jeder verstehen, oder sind vielleicht viele einfach nur zu sehr intellektuell herausgefordert?

      • @Frau Kirschgrün:

        Gibt es für sie nur schwarz oder weiß?

        • @Rubia:

          Es gibt für mich unzählige Grautöne zwischen schwarz und weiß.

           

          Die AfD wird ausgezeichnet in diesem taz-Artikel beschrieben: https://www.taz.de/Archiv-Suche/!5489358&s=Nazis%2Bin%2BNadelstreifen/

           

          "Diese Mischung aus Verherrlichung des Nationalsozialismus, krimineller Energie, Gewaltfantasien und dem üblichen AfD-Tourette ließe sich noch beliebig fortführen – doch wozu? Es kann kein Vertun mehr darüber geben, was die AfD will und ist. Denn nur, weil Nazis keine Nazis sein wollen, heißt das noch lange nicht, dass sie nicht welche sind."

           

          Ich sehe bei der AfD keinerlei Grautöne. Nur Rassismus, Machtstreben, Gewaltverherrlichung, Freiheitsbeschränkungen, Geschichtsverzerrung, Frauen zurück "unter" den Mann und an den Herd, usw., usw.

           

          Was finden Sie an der AfD nochmal so toll?!

      • @Frau Kirschgrün:

        Es muss natürlich

         

        Um die "so genannten berechtigten Interessen" der Bevölkerung anzubringen, braucht es keine Rassisten, sondern konstruktiven Dialog. DEN genau verhindert die AfD mit Ihrer m. E. menschenverachtenden und ausgrenzenden Hetze.

         

        heißen – ohne "nicht".

         

        Mannmannmann – FrauFrauFrau…