Ärger mit AfD-Stadtrat: Bezirk sucht Facharzt
Verhindern Rassismus und Homophobie einen Amtsarzt in Treptow-Köpenick? Ein Bezirksverordneter hat nun Akteneinsicht beantragt.
SPD-Fraktionschef Alexander Freier-Winterwerb sagt der taz nur: „Die Situation ist schwierig, und es gibt noch viele offene Fragen. Wir Bezirksverordneten sind aber parteiübergreifend um Aufklärung bemüht.“ Er habe Akteneinsicht beantragt. Den Rassismus- und Homophobievorwurf des schwarzen, schwulen Amtsarztes gegenüber dem AfD-Stadtrat nehme er ernst.
Hedeler hatte sich um die freie Amtsarztstelle beworben, war aber nicht genommen worden. Er vermutet dahinter rassistische Motive, was Bezirksbürgermeister Oliver Igel (SPD) für das Bewerbungsverfahren, an dem er auch selbst beteiligt war, zurückweist. Hedeler kann die von ihm behaupteten rassistischen Bemerkungen des AfD-Stadtrats nicht beweisen, weil es keine Zeugen gab. Die Stelle ist noch immer frei und ein Bewerber nicht in Sicht.
Hedeler, der als Hygienereferent im Bezirksamt arbeitet und etwa darüber entscheidet, ob Kitas oder Schulen wegen Quarantäne geschlossen werden, hat nach eigenen Angaben an den meisten Tagen keinen Zugang mehr zur Software des Bezirksamts. Eine Begründung dafür habe er nicht erhalten. Er müsse sich dann manuell von der EDV-Abteilung freischalten lassen, was wertvolle Zeit koste: Arbeitszeit, die in der Pandemie eigentlich nicht da ist.
Ausbildung noch nicht ganz abgeschlossen
Was die Bewerbung um die freie Amtsarztstelle betrifft, so kreist sich die Debatte derzeit um Hedelers noch nicht abgeschlossene Ausbildung als Facharzt für öffentliches Gesundheitswesen. Nach eigenen Angaben fehlen Hedeler von der fünfjährigen Ausbildung noch rund acht Monate. Die Stellenausschreibung des Bezirks sieht allerdings auch keine abgeschlossene Facharztausbildung vor. Dem Ausschreibungstext zufolge würde man auch einen Bewerber akzeptieren, der sich im fortgeschrittenen Stadium der Ausbildung befindet. Ähnliche oder sogar noch geringere Anforderungen stellen Lichtenberg und Marzahn-Hellersdorf an die Bewerber um die auch dort freien Amtsarztstellen.
Entgegen dem eigenen Ausschreibungstext fordert Treptow-Köpenick nun allerdings, dass ein Bewerber zum Zeitpunkt der Stellenbesetzung seine Facharztausbildung bereits abgeschlossen hat, „da in unserem Gesundheitsamt kein weiterer Amtsarzt vorhanden ist“, sagt der Bürgermeister zur taz. Gesundheitsstadtrat Geschanowski hatte eine Anfrage der taz nicht beantwortet.
Sechs Monate der noch ausstehenden Ausbildung muss Hedeler sich nach eigenen Angaben in der Psychiatrie ausbilden lassen. Könnte das gegen ihn sprechen, weil er dann nicht als Amtsarzt zur Verfügung stehen könnte? Diese Befürchtung weist Hedeler zurück. „Heutzutage ist alles berufsbegleitend möglich. Es gibt Vertretung“, sagt er.
Bezirksbürgermeister Igel, der auch Personalstadtrat ist, beklagt die mangelnde Kommunikation „eines Bewerbers“. Der Bewerber habe dem Bezirk nicht mitgeteilt, wann seine Facharztausbildung beendet sei. Er sagt nicht, wer gemeint ist, aber es ist klar, dass es um Hedeler geht. Die Stimmung im bezirklichen Gesundheitsamt sei schlecht, seit sich Hedeler an die Öffentlichkeit gewandt hat. „Wir sind keine AfD-Anhänger“, sagt eine Mitarbeiterin der taz. „Aber viele Mitarbeiter solidarisieren sich doch eher mit dem Stadtrat.“
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Leak zu Zwei-Klassen-Struktur beim BSW
Sahras Knechte
Klimaneutral bis 2045?
Grünes Wachstum ist wie Abnehmenwollen durch mehr Essen
Nach Hitlergruß von Trump-Berater Bannon
Rechtspopulist Bardella sagt Rede ab
Bildungsforscher über Zukunft der Kinder
„Bitte nicht länger ignorieren“
CDU-Chef Friedrich Merz
Friedrich der Mittelgroße
Wahlentscheidung
Mit dem Wahl-O-Mat auf Weltrettung