Änderung des Infektionsschutzgesetzes: Ende des Konsensnebels

Die Rückkehr zur verfassungsrechtlichen Normalität macht sichtbar, wer für die Pandemiebekämpfung eigentlich zuständig ist: die Bundesregierung.

Bundeskanzleramt im Nebel.

Hier muss in Zukunft wieder mehr Verantwortung getragen werden: Bundeskanzleramt in Berlin Foto: Marius Schwarz/imago

Die geplante Änderung des Bundesinfektionsschutzgesetzes ist eine begrüßenswerte Rückkehr zur verfassungsrechtlichen Normalität. Bisher hat sich die Bundesregierung aus der Verantwortung gestohlen. Das Infektionsschutzgesetz delegierte die Entscheidungen durch Verordnungsermächtigung auf die Landesregierungen. Der Inhalt der Corona-Verordnungen der Länder wurde zugleich durch informelle Treffen der Ministerpräsidenten mit der Kanzlerin koordiniert.

Auf diese Weise trugen für die getroffenen Maßnahmen letztlich weder die Länder noch der Bund die Verantwortung. Die Verantwortung verschwand vielmehr im Konsensnebel eines rechtlich nicht existierenden Gremiums. Der Bund besitzt aber nach dem Grundgesetz durchaus die Kompetenz, selbst durch Gesetz alle pandemiebezogenen Entscheidungen wie beispielsweise Kontaktverbote, Ausgangssperren und Schulschließungen zu treffen. Ein derartiges Gesetz bedarf rechtlich nicht einmal der Zustimmung des Bundesrats.

Sind diese Entscheidungen einmal gesetzlich getroffen, haben die Länderverwaltungen diese zu beachten und zu vollziehen, wie das auch in vielen anderen Bereichen selbstverständlich ist. Die Länder werden über den Bundesrat im vom Grundgesetz vorgesehenen – bescheidenen – Umfang eines Einspruchsrechts beteiligt. Wird es genutzt, kann das Inkrafttreten des Gesetzes allenfalls verzögert werden.

Damit endet die unhaltbare Situation, dass über informelle Konsensrunden jedem Ministerpräsidenten faktisch ein Vetorecht über die gesamte Pandemiepolitik zukam und man sich nur noch auf den kleinsten gemeinsamen Nenner einigte, um diesen später in jedem Land auch noch unterschiedlich zu interpretieren. Die Rückkehr zur verfassungsrechtlichen Normalität kann nicht garantieren, dass die Bundesrepublik bestmöglich durch die Pandemie geführt wird. Sie macht aber sichtbar, wo die zentrale Verantwortung für die Pandemiebekämpfung liegt: bei der Bundesregierung und ihrer Parlamentsmehrheit.

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lehrt Staats­recht und Staatsphiloso­phie an der Universität zu Köln.

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