Achtelfinale Frankreich – Argentinien: TGV Mbappé
In einem Wahnsinnsspiel kann Argentinien über 48 Minuten mithalten. Dann aber kommt Frankreich so richtig ins Rollen.
Die Voraussetzungen: Frankreichs Offensive klang bisher so, als würde die Nachbarin Violine üben. Allerdings haben die Gegner ihr bisher auch kaum Räume gelassen; da verspricht die argentinische Verteidigung mehr Freiheiten.
Andererseits: die französische eben auch. Ob sie die Disziplin hat, Messi durchgehend die Räume streitig zu machen, überhaupt die mutmaßlich aufgedrehte argentinische Offensive an die Leine zu nehmen? Wahrscheinlich nicht. Es könnte ein wildes Spiel werden, war die Hoffnung: Es wurde ein hervorragendes.
Das Ergebnis: 4:3 (1:1).
Das Spiel: Argentinien tat Frankreich den Gefallen, aufzurücken und dann den Ball leichtfertig herzugeben; dann ging sie ab, die wilde Fahrt, vor allem Kylian Mbappé überlief zweimal die Spalier spazierenden Argentinier, bis sich einer zwischen Tor und sturmlaufenden Stürmer warf. Daraus resultierend: ein Freistoß, ein Elfmeter, zwei gelbe Karten, ein Lattentreffer, ein Tor.
Danach nahm Frankreich etwas die Luft raus, wohl in der Hoffnung, dass Argentinien, wenn hinten die Räume dicht sind, keine großartigen Ideen haben würde. Das stimmte auch, aber sie haben eben auch hervorragende Solisten, und als solcher erhob sich Angel di Maria von seinem Platz und und drückte ein Ding aus 25 Metern in den Winkel. Ausgleich zur Pause, alles auf Null.
Nach der Pause dann der Turnaround, der eines Köln-Tatorts würdig wäre, so unwahrscheinlich war er; Messi schlenzte den Ball aufs lange Eck, Gabriel Mercado hob verzagt seinen Fuß hinein. 2:1-Führung Argentinien, Hugo Lloris im Tor schimpfte wie Troubadix singt, bei zwei Schüssen aufs Tor hat er sich zwei Dinger gefangen.
Frankreich blieb unverdrossen, kam auch immer wieder an, in und um den Strafraum herum; und nach 57 Minuten drosch Pavard eine Flanke in den Winkel, dass es nach Tor des Jahres roch. Und plötzlich tauchte der kurzzeitig indisponierte Kylian Mbappé wieder auf, legte einen Abpraller an drei Argentiniern vorbei und traf trocken in die Mitte. Als jetzt die bedauernswerten Argentinier vorne drauf mussten, bauten die Franzosen mit allergrößter Selbstverständlichkeit, in sauberen Passstaffetten und in grandioser Geschwindigkeit ihr Spiel auf; und sie kamen auch zum Abschluss. Wiederum Mbappé brachte dann in der 68. Minute beendete einen solchen kontrollierten Wirbel mit einem Tor: 4:2. Ein Hauch von Island lag in der Luft.
Argentinien brauchte 79 Minuten, um aufs Tor zu schießen, ohne dass es zählbar wurde; es war eine abgefälschte Flanke. Ganz zum Schluss, Frankreich hatte schon in den Snooze-Modus geschaltet, köpfte Aguero noch eine Flanke rein, das gab Argentinien Gelegenheit für noch zwei Fouls. Unfassbarerweise kamen sie dann noch einmal vors Tor; aber verpufft. Hätte hätte Viererkette. Beeindruckend jedenfalls, welches Tempo die französische Mannschaft auf den Platz zaubert, wenn sie etwas Raum hat. Eines der bisher besten Spiele dieser WM.
Leerstelle des Spiels: Nominell sollte Lionel Messi eigentlich die zentrale Offensivposition besetzen, aber: Da war der nie. Hatte Argentinien im Spielaufbau den Ball, kuckten sie erst in die Mitte, dann rechts und dann links und spielten dann vertikal auf die Flügel, um da dann irgendwie bis zur Grundlinie durchzukommen. Durchschaubar wie ein Loch in der Wand.
Und nun? Es wartet entweder Uruguay oder Portugal, beides Mannschaften, die, wie man so gern sagt, aus einer gesicherten Defensive heraus agieren; das heißt, dem Gegner Betonschuhe anlegen. Gegen solche Art Fußball hat Frankreich bisher nicht gut ausgesehen. Dann wird es wohl wieder eher auf Paul Pogba und Olivier Giroud ankommen.