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Abschlussbericht zur documenta 15Die gut verwaltete Kunstfreiheit

Ein Bericht zur documenta deckt viele Mängel in Kassel auf. Und er zeigt, wie sich Kunstfreiheit in öffentlichen Kulturinstitutionen bewahren lässt.

Kassel, Friedericianum wartet auf die nächste Documenta Foto: Frank Ossenbrink/imago

Es herrscht Verunsicherung im Kulturbetrieb. Der Krieg in Nahost polarisiert. Kunstausstellungen werden abgesagt oder Preisverleihungen verschoben. Und nicht jede Entscheidung war richtig in den letzten Wochen.

Die documenta fifteen hat im Sommer 2022 mit ihren antisemitischen Verfehlungen, ihrem verantwortlichen und kommunikativen Chaos auf eine unheimliche Weise vorausgegriffen, was jetzt auch andernorts den Kulturbetrieb in Deutschland zermürbt. Nun liegt seit ein paar Tagen der Abschlussbericht einer Ordnungsentwicklung vor, die in Folge der Debatten um die documenta fifteen von den Gesellschaftern der Kunstschau, der Stadt Kassel und dem Land Hessen, veranlasst wurde.

Der Bericht greift tief in die Organisationsstruktur der documenta und Fridericianum gGmbH vor, legt Mängel auf und gibt Handlungsempfehlungen. Nachdem im November die Findungskommission der anstehenden documenta 2027 komplett zurückgetreten war und damit zunächst alle Prozesse für die nächste Ausgabe der Kunstschau ruhten, soll dieser Abschlussbericht nun den Anstoß dafür geben, die Arbeit wieder aufzunehmen. Im ersten Quartal 2024 solle der Findungsprozess für eine Künstlerische Leitung der 16. documenta-Ausgabe neu starten, teilte der Kasseler Oberbürgermeister Sven Schoeller (Die Grünen) mit.

Das gut 50 Seiten umfassende Papier der Metrum Managementberatung aus München, die auch schon von den Bayreuther Festpielen oder dem Goethe-Institut beauftragt wurde, befasst sich mit einer Frage, die gerade bei vielen Kulturinstitutionen zu einem Dilemma zu werden droht: In welchen organisatorischen Strukturen kann ein öffentlich gefördertes Kunstgroßprojekt Diskriminierung von Menschengruppen oder politische Feindbilder vermeiden und andererseits die Kunstfreiheit bewahren.

Ein Code of Conduct soll politischen Dissens vermeiden

Bemerkenswert ist, wie die Unternehmensberater die besonders diffizile Stelle zwischen künstlerischer Leitung und Institution lösen, wenn politischer Dissens herrscht. An dieser war die documenta fifteen sichtlich gescheitert, als eine indonesische Kuratorengruppe aus dem sogenannten „globalen Süden“ auf einen deutschen Diskurs über Antisemitismus stieß. Ohne Bevormundung, „auf Augenhöhe“, wie es im Bericht heißt, solle fortan zu Beginn der Zusammenarbeit zwischen künstlerischer Leitung und der documenta gGmbH ein Verhaltenskodex erarbeitet werden, der als eine Art ethischer Maßstab für die Ausrichtung der öffentlichen Ausstellung gelte.

Einmalig, schreibt Metrum, sei so ein von der künstlerischen Leitung entworfener Code of Conduct in deutschen Kultureinrichtungen. Er würde für jede documenta-Ausgabe, also alle fünf Jahre, neu erarbeitet. Bislang wird im Kulturbetrieb so ein Verhaltenskodex vor allem für innerbetriebliche Prozesse eingesetzt. Auch das schlägt die Beratungsfirma zusätzlich für die documenta und Fridericianum gGmbH vor.

Die Unabhängigkeit einer künstlerischen Leitung, die bei der letzten documenta fifteen wegen der antisemitischen Verfehlungen unter der Direktion von ruangrupa so in Frage gestellt wurde, sie gilt dem Münchener Beratungsunternehmen als unbedingtes Gut. Doch offenbar hatte man es in Kassel 2022 versäumt, sie auch genügend zu gewährleisten.

Im Bericht liest man, dass Verantwortlichkeiten nicht klar genug getrennt waren. Die Findungskommission etwa, die eigentlich nur die künstlerisch Leitung ernennen soll, hatte ruangrupa auch kuratisch Hilfestellung geleistet, Aufgaben von Geschäftsführung und künstlerischen Inhalten vermischten sich, in der Außenkommunikation wurden die Stimmen von Institution und künstlerischer Leitung kaum getrennt. Die organisatorischen Gegebenheiten müssten aber derart gestaltet sein, dass die documenta gGmbH sich auch von den künstlerischen Inhalten distanzieren kann. Auch das gewähre die Kunstfreiheit.

Kleinerer documenta-Aufsichtsrat mit Beteiligung des Bunds

Zu den im Bericht geforderten klaren Verantwortlichkeiten gehöre in Zukunft ein kleinerer documenta-Aufsichtsrat von fünf bis neun Personen, bislang sind es zwölf. Ihm sollten neben Ver­tre­te­r:in­nen der Stadt Kassel und des Landes Hessen nunmehr auch Ver­tre­te­r:in­nen des Bundes angehören. Der war 2018 aus dem Aufsichtsrat ausgeschieden. Ein neu einzurichtender wissenschaftlicher Beirat solle zudem den Aufsichtsrat bei Entscheidungen unterstützen.

Und noch ein Detail fällt in diesem Bericht auf: Offenbar ist das stimmliche Chaos während der documenta fifteen auch darauf zurückzuführen, dass die Anzahl der Mit­ar­bei­te­r:in­nen für die wenigen Monate der Ausstellungszeit massiv anstieg, viele von ihnen aber nur kurzfristig eingearbeitet und prekär angestellt waren. Hier empfiehlt die Beratungsfirma bessere Bezahlung und mehr Verbindlichkeit für Arbeitnehmer:innen. Es überrascht nicht, aber man kann es sich für so ein großes Kunstereignis wie die documenta vor Augen führen: Eine ungute Arbeitssituation führt auch – nach innen wie nach außen – zu unguten Entscheidungen.

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