Abschlussbericht zu Hanau-Morden: Polizei- und Justizfehler bestätigt
Im Abschlussbericht bescheinigt Hessens Landtag den Sicherheitsbehörden doch noch Fehler. Opfervertreter bemängeln ausbleibende Konsequenzen.
In einer letzten Debatte zogen die Abgeordneten Bilanz der Arbeit des Untersuchungsausschusses. Im Juli hatte es noch so ausgesehen, dass die zweieinhalb Jahre währenden Aufklärungsarbeit in fünf separaten Abschlussberichten der Fraktionen enden würde – und damit in einem im parteipolitischen Missklang. Doch zuletzt war es dem Ausschussvorsitzenden Stephan Grüger, SPD, den Obleuten der Parteien und ihren MitarbeiterInnen in internen Beratungen doch noch gelungen, angesichts des erschütternden Verbrechens weitgehend Einigkeit zu erzielen.
Mitten im Landtagswahlkampf hatten die Regierungsparteien CDU und Grüne zunächst einen umstrittenen Textentwurf vorgelegt. Darin waren Behörden und Polizei des Landes von Vorwürfen entlastet, die Verantwortung für Versäumnisse im Vorfeld der Tat allenfalls bei den SPD-geführten Verwaltungen von Stadt und Landkreis zugewiesen worden.
Nun fand der Ausschuss doch noch gemeinsam Worte der Entschuldigung. Der Berichterstatter des Ausschusses Michael Ruhl, (CDU) zitierte so im Namen aller Ausschussmitglieder Sätze aus dem Vorwort des Berichts: „An einigen Stellen besteht Grund zu der Annahme, dass ein anderes Handeln der zuständigen Behörden, das Durchführen der Tat erschwert oder den Ablauf der Tat bzw. die Ereignisse in der Tatnacht und danach verändert hätte. Dies gilt für die Erteilung der Waffenbesitzkarte, die Erreichbarkeit des Notrufs, die Verschlussverhältnisse des Notausgangs und den Umgang mit den Angehörigen der Opfer“.
Auch dass bei dem Umgang von Polizei und Justiz mit den Angehörigen der Opfer und mit Überlebenden nach der Tat verschiedene Fehler gemacht worden waren, ist nicht länger strittig: „Wir bedauern, dass das Vorgehen im Umgang mit den Überlebenden und den Angehörigen der Opfer nach der unfassbaren Tat dazu geführt hat, dass sie sich in diesem Moment alleine gelassen und unverstanden gefühlt haben und dadurch Vertrauen in unser Land verloren gegangen ist“, heißt es in dem gemeinsamen Text.
CDU sieht „gute Arbeit“ der Polizei
Bei aller Gemeinsamkeit bleibt es gleichwohl in Details bei unterschiedlichen Einschätzungen, die sich in vier abweichenden Minderheitenvoten von SPD, Linken, FDP und AfD wiederfinden. Nach Überzeugung von CDU, FDP und AfD war die Tat nicht abwendbar: „Dieser Anschlag des hochkranken und rassistischen Menschen war nicht zu verhindern“, sagte CDU-Obmann Jörg-Michael Müller.
Dass der Täter vierzehn Tage vor dem Anschlag im Internet in einem „Manifest“ rassistische Morddrohungen online gestellt hatte, ändere daran nichts. Jeden Tag erschienen drei Millionen neue Webseiten, sagte Müller und fügte hinzu „Freiheit hat manchmal einen fürchterlichen Preis“. Der Polizei bescheinigte die CDU „insgesamt eine gute Arbeit“.
SPD-Obfrau Heike Hofmann hielt dagegen und sprach von „erheblichem Organisationsverschulden“. Der später ermordete Vili-Viorel Păun, der den Täter auf dem Weg vom ersten zum zweiten Tatort mit seinem Auto verfolgt hatte, war beim Polizeinotruf nicht durchgekommen, weil der mangelhaft ausgestattet gewesen sei, erinnerte Hofmann. Auch nach Überzeugung seines Vaters hätte der junge Mann gerettet werden können, wenn er mit seinem Notruf durchgekommen wäre. „Keine Übernahme von Verantwortung“ durch Polizeiführer oder den Innenminister beklagte Hofmann in diesem Zusammenhang.
Beförderungen für verantwortliche Beamte
Auch das Verhalten der Polizei nach der Tat sei unprofessionell und unsensibel gewesen, sagte Hofmann; so seien zwei Überlebende des Anschlags in der Tatnacht zu Fuß oder mit dem Fahrrad ohne Begleitung zum Polizeiposten geschickt worden.
Institutionellen Rassismus erkannte Linken-Fraktionschefin Elisabeth Kula im Verhalten der Polizei, weil Angehörige der Opfer später in einer „gefährlichen Täter-Opfer-Umkehr“ vor der Begegnung mit dem Vater des Täters gewarnt worden waren, „statt den Vater als Gefahr zu erkennen“.
„In die Hände von psychisch kranken Menschen gehören keine Waffen!“, formulierte SPD-Obfrau Hofmann. Auch aus dem Schießsport sollten künftig tödlich gefährliche Waffen verbannt werden, sagte Linken-Fraktionschefin Kula.
RednerInnen aller Parteien wandten sich mit Worten der Anteilnahme und des Bedauerns an Überlebende und Angehörige der Opfer, die Obfrauen von SPD, Grünen und Linken dankten ihnen ausdrücklich für ihre aktive Mitwirkung bei der Aufklärungsarbeit. Auch nach 42 Ausschussitzungen mit 84 ZeugInnen und Sachverständigen blieben allerdings viele Fragen offen, mussten die Abgeordneten mit Bedauern einräumen.
Dass die Opferfamilien und ihre UnterstützerInnen von der „Initiative 19. Februar“ mit der Arbeit des Parlaments unzufrieden sind, haben sie mehrfach zu Protokoll gegeben. Der Vater des ermordeten Hamza, Armin Kurtović betonte nach der Abschlussdebatte, ähnlich wie nach Mordserie des rechtsterroristischen NSU seien so gut wie keine Konsequenzen gezogen worden und Verantwortliche der Polizei seien nach gravierenden Fehlern sogar noch befördert worden.
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