Abschiebungen nach Afghanistan: Trauma, Armut, Ausbeutung

Wie geht es Afghan*innen, die abgeschoben wurden? Eine Studie zeigt: nicht gut. Die Menschen könnten selbst zum Sicherheitsrisiko werden.

Männer in Uniform stehen auf einer Straße, die mit einem Absperrband gesichert ist

Kabul im September dieses Jahres: Afghanische Sicherheitskräfte sichern einen Anschlagsort Foto: Omar Sobhani/reuters

BERLIN taz | Hadi Marifat hält sein Smartphone in die Höhe. „Acht Angriffe in Afghanistan, allein heute“, sagt der Geschäftsführer der Afghanistan Human Rights and Democracy Organisation (AHRDO) am Dienstag in Berlin. AHRDO hat 50 Afghan*innen interviewt, die aus Europa zurückgekehrt sind oder abgeschoben wurden. Nun stellt er zusammen mit Medico International die Ergebnisse vor: Die Menschen kämpften mit Trauma, Armut und der katastrophalen Sicherheitslage. Und: All das könne Afghanistan weiter destabilisieren.

19.390 Menschen kehrten aus der Europäischen Union nach Afghanistan zurück oder wurden abgeschoben, seit beide Seiten 2016 den „Joint Way Forward“-Vertrag unterzeichnet haben. Darunter sind laut Pro Asyl 756 Abgeschobene aus Deutschland – Tendenz steigend: 317 davon wurden allein 2019 abgeschoben. Und das, obwohl die Sicherheitslage in dem Land sich drastisch verschlechtert. Im Global Peace Index für das Jahr 2019 liegt Afghanistan auf dem letzten von 163 Plätzen – und hat damit Syrien als das am wenigsten friedliche Land überholt.

Die Befragten beschreiben die traumatisierenden Erlebnisse ihrer Flucht – etwa wie sie fast im Mittelmeer ertrunken oder in den Fahrzeugen von Schleppern fast erstickt sind. Und sie beschreiben die katastrophale Lage seit ihrer Rückkehr: Nur 30 Prozent konnten an ihren Heimatort zurückkehren, fast 60 Prozent fühlten sich dazu „nicht in der Lage“ oder zu unsicher. Viele von ihnen seien in Kabul geblieben – obwohl selbst der UNHCR die Stadt nicht mehr als sichere Alternative ansieht.

Afghanistans Regierung zeichne ein sehr negatives Bild von Menschen, die aus dem Land geflohen seien, erklärt Marifat – und kümmere sich kaum um Rückkehrer*innen, die hoch verschuldet – im Schnitt koste die Flucht 11.120 US-Dollar – und mehrfach traumatisiert wieder in Afghanistan ankämen. Fast alle Befragten geben der Regierung eine Mitschuld an ihrem Schicksal.

Zwar seien die Menschen nicht organisiert, aber die Mehrheit äußere den Wunsch, ihren Protest auf die Straße zu tragen. Zwölf Prozent gaben an, „Rache nehmen“ zu wollen. „Solche Menschen sind sehr anfällig für die Ausbeutung und Rekrutierung durch bewaffnete Gruppen oder kriminelle Netzwerke“, so Marifat.

Dass die Studie jetzt erscheint, ist kein Zufall: Kommende Woche tagt in Lübeck die Innenministerkonferenz, auf der auch Abschiebungen Thema sein werden. „Es darf nicht in Krisengebiete abgeschoben werden“, sagt Ramona Lenz von Medico International. Und Marifat ergänzt: „Wir verletzen die Menschenrechte der Abgeschobenen – insbesondere ihr Recht auf Leben.“

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