Abschiebung von Sami A.: Die Manöver des Ministers
Nordrhein-Westfalens Integrationsminister Stamp wollte eine Nachlässigkeit von Sami A.s Anwältin nutzen, um den Islamisten schneller abzuschieben.
Die Hinweise verdichten sich, dass der nordrhein-westfälische Integrationsminister Joachim Stamp (FDP) im Fall Sami A. das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen im Juli bewusst umgangen hat. Er wollte ein „Zeitfenster“ nutzen, um den islamistischen Gefährder schnell nach Tunesien abzuschieben. Das war aber nur möglich, wenn nicht auf eine diplomatische Zusicherung Tunesiens gewartet wurde und auch nicht auf eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts (VG) Gelsenkirchen, das eine solche Zusicherung absehbar fordern würde.
Wie Stamp in einer Erklärung am Donnerstag offenlegte, war ursprünglich geplant, Sami A. „bis September“ abzuschieben. Am 25. Juni wurde A. in Abschiebehaft genommen. Die lange Frist bis September war wohl deshalb nötig, um vorher noch eine diplomatische Zusicherung Tunesiens einzuholen, dass A. dort nicht gefoltert würde. Solche Zusicherungen werden von den Gerichten häufig verlangt. Tunesien gibt auch solche Zusicherungen, etwa in einem Fall, über den das Bundesverfassungsgericht im Mai entschied.
Außerdem lief noch ein Prozess am VG Gelsenkirchen. Sami A.s Anwältin Seda Basay hatte dagegen geklagt, dass das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) am 20. Juni das Bestehen des Abschiebehindernisses einer drohenden Folter widerrief. Doch die Klage an sich hatte keine aufschiebende Wirkung. Und Basay stellte damals nicht den erwarteten Eilantrag, mit der Abschiebung zu warten, bis das VG entschieden hat.
Deshalb sah Stamp eine Chance, Sami A. schneller abzuschieben als geplant. Der saß zwar in Abschiebehaft, aber Stamp war das nach eigener Darstellung nicht geheuer, er rechnete sogar mit Befreiungsversuchen durch Extremisten. Am 4. Juli wurde die neue Strategie in der AG Status des Gemeinsamen Terrorismusabwehrzentrums (GTAZ) beraten und gutgeheißen. Am 6. Juli wurde ein Charterflugzeug für den 13. Juli gebucht.
Die Abschiebung gilt als rechtswidrig
Auf die diplomatische Zusage Tunesiens wurde wegen der Eile nun verzichtet. Das war aber heikel, denn nach früheren Entscheidungen des VG Gelsenkirchen war zu erwarten, dass es die Abschiebung ohne diplomatische Zusicherung stoppen würde. Stamp hatte also ein großes Interesse, dass die Abschiebung schon vor der Entscheidung des VG Gelsenkirchen stattfindet. Der Minister gibt das zwar nicht zu, aber das Handeln seines Ministeriums spricht dafür, dass es so war.
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So schrieb das Ministerium am 10. Juli per E-Mail an die zuständige Ausländerbehörde Bochum, die Besonderheiten des Falles „lassen es leider nicht zu, dass der Betroffene oder das Gericht über das Datum der Rückführung informiert werden“. Und am 12. Juli wurde dem Bamf, das im Auftrag des VG nach einem bestimmten Abschiebetermin fragte, mitgeteilt, dass dieser „storniert“ worden sei. Nicht mitgeteilt wurde, dass für den kommenden Tag ein neuer Abschiebeflug festgesetzt war. Danach sei ja nicht gefragt worden, rechtfertigte sich Stamp später.
Fast hätte Stamps Manöver geklappt. Das VG entschied zwar noch am 12. Juli, dass das Abschiebehindernis ohne diplomatische Zusicherung weiterbesteht, stellte den Beschluss aber erst am nächsten Morgen zu, weil es ja nichts von der Eilbedürftigkeit wusste. Allerdings hätte die Abschiebung da noch gestoppt werden können, so inzwischen das OVG Münster, weil Sami A. noch nicht an Tunesien übergeben war. Nur deshalb gilt die Abschiebung als rechtswidrig und muss nun rückgängig gemacht werden.
Wäre der Beschluss des VG eine Stunde später eingetroffen, wäre Stamps Kalkül aufgegangen und ihm die Peinlichkeit einer Rückholung von Sami A. erspart geblieben. Inzwischen fordert Stamp von der Bundesregierung nachdrücklich, sie möge endlich die erforderliche diplomatische Zusicherung einholen.
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