Abschiebezentren für Dublin-Flüchtlinge: Ein neues Lager soll’s richten
Brandenburg eröffnet ein „Dublin-Zentrum“ für Flüchtlinge, für die ein anderes EU-Land zuständig ist. Welche Probleme das lösen soll, bleibt unklar.
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„Man darf keine Wunder erwarten“, dämpfte Lange die Ansprüche an das neue Zentrum. Es sei jedoch ein „wichtiger Schritt zu mehr Ordnung und Effizienz“. Faeser ergänzte, das Zentrum werde – zusammen mit den kürzlich verlängerten Grenzkontrollen – einen Beitrag zur Begrenzung „irregulärer Migration“ leisten.
Das „Dublin-Zentrum“ soll schon ab 1. März in Eisenhüttenstadt auf dem Gelände der Zentralen Erstaufnahmestelle für Asylbewerber entstehen und 250 Plätze umfassen. In der Einrichtung sollen insbesondere Dublin-Fälle aus Polen interniert werden. Flüchtlinge, die im Nachbarland registriert sind, sollen gar nicht mehr auf Landkreise verteilt werden, sondern in Eisenhüttenstadt bleiben müssen, bis ihre Rücknahme vereinbart ist. „Die Überstellung soll innerhalb von zwei Wochen erfolgen“, erklärte das Brandenburger Innenministerium.
Die Vereinbarung zwischen Bund und Brandenburg sieht vor, dass ab dem Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Bamf), dass ein Asylantrag als Dublin-Fall abgelehnt ist, der Betreffende von Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz ausgeschlossen wird und nur noch „befristet“ Sachleistungen bekommt. Diese Möglichkeit war in der jüngsten Asylrechtsverschärfung beschlossen worden und hatte scharfe Kritik von Flüchtlingsverbänden ausgelöst. Was passiert, wenn die Befristung der Sachleistungen ausläuft – laut Gesetz sind 14 Tage vorgesehen –, der Mensch aber nicht nach Polen geht oder Polen ihn nicht aufnimmt, ist ungeklärt.
Menschen unter Kontrolle halten
Olaf Jansen, Leiter der Zentralen Ausländerbehörde in Eisenhüttenstadt, betonte am Montag, niemand würde im Dublin-Zentrum eingesperrt. Es gebe zunächst eine Residenzpflicht für den Landkreis, nach dem Bamf-Bescheid dann für Eisenhüttenstadt. Die Einrichtung könne aber unter Auflagen verlassen werden. Das Zentrum soll laut Innenministerin Lange eine „geringe Bewachung“ haben – inklusive elektronischer An- und Abmeldung. So müsse man die Menschen „nicht suchen“, wenn man sie abschieben will.
Am vergangenen Mittwoch hatte Faeser bereits in Hamburg das erste derartige Dublin-Zentrum angekündigt. Die neuen Lager stehen im Zeichen der verschärften Migrationsdebatte, in der nach den Messerangriffen von Solingen und Aschaffenburg Forderungen nach Abschottung und rigider Abschiebepolitik immer lauter werden.
Ob diese Zentren die Zahl der „Rückführungen“ in andere EU-Länder nennenswert erhöhen werden, ist allerdings zweifelhaft. Laut Dublin-III-Verordnung müssen Flüchtlinge in dem EU-Land ihren Asylantrag stellen, in dem sie die EU betreten. Viele aber wollen nach Deutschland. Werden sie in einem anderen EU-Land von der Polizei angehalten und registriert und beantragen später in Deutschland Asyl, stellt das Bamf beim entsprechenden EU-Land einen Antrag auf Rücknahme. Erfolgt diese in sechs Monaten nicht, ist Deutschland zuständig.
Inzwischen sind ein Gutteil der Asylbewerber in Deutschland „Dublin-Fälle“ – aber nur relativ wenige werden in andere EU-Länder zurückgebracht. Dies zeigen Statistiken des Bamf, die auf der Pressekonferenz genannt wurden. Danach hat das Bamf 2024 in knapp 75.000 Fällen die Überstellung beantragt (bei rund 251.000 Asylanträgen), in etwa 44.000 Fällen stimmte das andere EU-Land zu. Aber in nur 5.740 Fällen fand die Überstellung tatsächlich statt.
Menschenunwürdige Zustände
Gründe für die wenigen Rückführungen gibt es viele. Italien etwa nimmt kaum Geflüchtete zurück, auch andere Länder stellen Bedingungen, die für die hiesigen Behörden kaum zu erfüllen sind. Oft ist auch die Kommunikation zwischen Behörden zu langsam, sodass die Frist abläuft. So war es auch im Fall des Täters von Aschaffenburg. Immer wieder verhindern zudem Gerichte die Rückführung, weil sie die Zustände im jeweiligen EU-Land als menschenunwürdig beurteilen.
Laut einer Antwort der Bundesregierung auf eine Linken-Anfrage ist der Hauptgrund für das Scheitern von Rücknahmen mit 36 Prozent das Verhalten der anderen EU-Länder. In 22 Prozent der Fälle liegt es an der jeweiligen Ausländerbehörde, in 12 Prozent der Fälle sind die Betreffenden untergetaucht. Nur bei letztgenannten Fällen würden „Dublin-Zentren“ überhaupt etwas „nützen“ – am Kern der Probleme ändert sich jedoch überhaupt nichts.
So sagt Wiebke Judith, rechtspolitische Sprecherin von Pro Asyl: „Dublin-Zentren lösen nicht die Probleme der Bundesregierung, verschlechtern aber drastisch die Lage der Menschen.“ Damit meint sie vor allem die Ankündigung, dass die Menschen in den Zentren nur zwei Wochen lang eine Grundversorgung bekommen sollen. „Was ist danach, sollen die Menschen dann unversorgt bleiben? Das wäre verfassungswidrig“, sagt Judith.
Auch der Flüchtlingsrat Brandenburg kritisiert das Vorhaben. „Das ist wieder ein Symptom der aktuellen Migrationspolitik, die nur von Abschottung und Abschiebung geprägt ist“, sagt Kirstin Neumann. Das Problem an den Dublin-Verfahren seien nicht die niedrigen Überstellungszahlen, sondern „systemische Mängel bei der Aufnahme und den Asylverfahren anderer Dublin-Staaten“, weshalb Schutzsuchende weiterwanderten.
Alle seien sich einig, dass das Dublin-System gescheitert ist, so Neumann. „Doch dass die Leidtragenden der Unfähigkeit der EU, ein gemeinsames und funktionierendes Asylsystem aufzubauen, wieder einmal Schutzsuchende sind, die nun in ein Zentrum gesperrt und in Europa hin- und hergeschoben werden sollen, ist fatal.“ Statt Dublin brauche man eine menschenwürdige Aufnahme.
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