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Abschiebepolitik in JapanEin Tod setzt Tokio unter Druck

Eine Frau aus Sri Lanka stirbt in japanischer Abschiebehaft. Nach massiver Kritik am gesamten Abschiebesystem will die Regierung nun nachbessern.

Auf dem Weg zum Gericht: Wishma Sandamalis Schwester trägt ein Foto der Verstorbenen Foto: The Asahi Shimbun/getty

TOKIO taz | Nach dem Tod einer Sri Lankerin wächst der Druck auf Japans Regierung, zu deportierende Ausländer humaner zu behandeln. Die 33-jährige Wishma Sandamali aus Sri Lanka war am 6. März in Abschiebehaft in Nagoya gestorben, nachdem ihr medizinische Hilfe verwehrt wurde. Danach musste die konservative Regierung die geplante Asylrechtsverschärfung aufgeben, die schnellere Abschiebungen ermöglichen sollte.

In einem Untersuchungsbericht gestand die Einwanderungsbehörde eine schlechte Gesundheitsversorgung der Häftlinge und „ineffektive Kommunikation“ mit ihnen ein. So blieb ein Bittbrief der Sterbenden an die einzige unabhängige Appellinstanz fünf Wochen lang liegen. Er wurde erst nach ihrem Tod geöffnet.

Doch laut dem Bericht lässt sich die genaue Todesursache nicht feststellen. Auch Systemfehler bleiben unerwähnt, obwohl im Vorjahr eine UN-Arbeitsgruppe die Zustände generell kritisiert hat. Seit 2007 starben 17 Ausländer in Abschiebehaft. Daher nannten vier japanische Menschenrechtsgruppen den Bericht „völlig unzureichend“. Die Sri Lankerin sei durch „willkürliche Inhaftierung“ gestorben, die gegen die Menschenrechte verstoße. „Sie wurde wie ein Tier behandelt“, klagte eine Schwester der Toten, nachdem sie Aufnahmen aus der Abschiebehaft gesehen hatte.

Der Flüchtlingsanwalt Koichi Kodama forderte nicht nur eine bessere medizinische Versorgung der Häftlinge: „Das Hauptproblem ist Japans Politik, jeden Ausländer einzusperren, gegen den ein Abschiebebefehl vorliegt.“ De facto ist dies eine Beugehaft, damit abgelehnte Asylbewerber oder Ausländer ohne gültiges Visum der Deportation zustimmen.

Reform der Abschiebepraxis angekündigt

Japan akzeptierte 2020 nur 47 Flüchtlinge. 1.300 Ausländer sitzen in Abschiebehaft. Justizministerin Yoko Kamikawa entschuldigte sich. „Man kann sich unmöglich vorstellen, wie einsam, ängstlich und hoffnungslos sich Frau Sandamali gefühlt haben muss, als sich ihre Gesundheit verschlechterte“, so Kamikawa.

Die Leiterin der Einwanderungsbehörde, Shoko Sasaki, kündigte eine Reform der Abschiebepraxis an. Dann könnten Ausländer bis zu ihrer Deportation unter Aufsicht von Anwälten frei bleiben.

Weder Kamikawa noch Sasaki sprachen von Rücktritt, obwohl sie die Zustände verantworten. Angehörige bekamen keine Entschädigung. Nur vier Beamte in Nagoya wurden verwarnt. Die „Kultur der Geheimhaltung“ gehe weiter, so die Zeitung Asahi.

Anwälte der Sandamali-Schwestern bekamen erst nach Monaten die Berichte zum Gesundheitszustand der Sri Lankerin. Die 15.000 Seiten waren fast alle geschwärzt. Dafür wurden umgerechnet 1.200 Euro in Rechnung gestellt.

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