Abkommen zum Artenschutz: Global verhandeln, lokal handeln

In Kenia starten wichtige Vorverhandlungen für die große UN-Artenschutz­konferenz. Deutsche Naturschützer schauen erwartungsvoll nach Nairobi.

Kanufahrer paddeln auf einem schmalen Fluss, der von Bäumen überschattet wird

Schutz muss auch durchgesetzt werden: Biosphärenreservat Spreewald Foto: Rainer Weisflog

BERLIN taz | Sollen 30 Prozent der Welt unter Schutz gestellt werden? Das ist eine der großen Fragen bei den Verhandlungen zu einem neuen globalen Abkommen zum Schutz der Natur. Ab Mittwoch treffen sich die Mitgliedstaaten der Convention on Biodiversity (CBD) im kenianischen Nairobi zu letzten wichtigen Vorverhandlungen vor ihrer großen Konferenz im Dezember.

Wie viel Geld werden die reichen Länder dem Globalen Süden für den Schutz der Artenvielfalt zur Verfügung stellen? Welche Beachtung wird den Rechten der Menschen eingeräumt, die in den artenreichen Regionen der Tropen leben? Wer wird künftig an biotechnologischer Forschung und Entwicklung verdienen, deren Grundlage genetische Vielfalt ist? Um diese Fragen wird es in Nairobi gehen – und eben um das 30-Prozent-Ziel.

30 Prozent Deutschlands unter Naturschutz? „Haben wir doch schon längst“, sagt Magnus Wessel, Leiter Naturschutzpolitik beim Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND). „Rechnet man alle Schutzgebietstypen zusammen, FFH-Gebiete nach EU-Recht, Biosphärenreservate, Nationalparke und so weiter, dann sind es sogar mehr“, sagt Wessel. Aber viele dieser Gebiete „werden schlecht behandelt“, kritisiert der studierte Geograf. Zum Beispiel sei das Naturschutzrecht, das den gemäß der Flora-Fauna-Habitat-Richtline (FFH) geschützten Gebieten zugrunde liege, gut. „Aber die Umsetzung ist mangelhaft“, sagt Wessel.

Ein Beispiel dafür, worum es hierbei geht, liefert Greenpeace mit einer aktuellen Untersuchung. Die Umweltorganisation hat stichprobenartig einige der rund 4.000 FFH-Gebiete daraufhin untersucht, ob sie entsprechend ihrem Schutzstatus behandelt werden. Das Ergebnis sei ernüchternd, sagt Sandra Hieke, Waldexpertin von Greenpeace.

Arbeiten mit Widersprüchen

So seien in dem FFH-Gebiet in der Rheinniederung Speyer-Ludwigshafen im vergangenen Winter „Eschen, eine Linde und Auenstrauchvegetation entfernt worden“. Ergebnis sei eine Kahlfläche. „Hier wurde das natürliche Kronendach zerstört und dadurch in das Mikroklima vor Ort eingegriffen“, kritisiert Hieke, „das wirkt sich auch negativ auf benachbarte Flächen aus, angrenzende Bäume können absterben“.

Das rheinland-pfälzische Umweltministerium begründet die Einschläge mit dem Eschentriebsterben. „Infolge des Klimawandels führten gerade in der klimatisch bisher schon warmen und trockenen Rheinebene extrem heiße Dürrejahre zur Schwächung der Wälder“, schreibt das Ministerium. Die Baumfällungen seien erfolgt, um die Waldbesitzenden vor noch größeren finanziellen Verlusten und Verkehrssicherungsrisiken zu schützen, den Ökorohstoff Holz – auch als Maßnahme für den Klimaschutz – noch verwerten zu können, um den klimawandelresilienten Waldumbau mit lichtbedürftigen Baumarten zu ermöglichen sowie um die Arbeitssicherheit zu gewährleisten. Außerdem seien die Baumfällungen nur auf einzelnen, kleinen Flächen erfolgt, versichert das Ministerium.

Vorteil Forstwirtschaft

Greenpeace-Expertin Hieke lässt das nicht gelten. „Die Interessen der Forst- und Holzwirtschaft stehen hier deutlich über den Interessen des Gemeinwohls“, sagt Hieke. „Mit der Kennzeichnung als FFH-Gebiet ändert sich bisher leider nicht viel für den Wald, da findet Forstwirtschaft weiter meist ungehindert statt.“

Um die Gebiete tatsächlich gesetzestreu zu schützen, brauche es deutlich mehr Personal auf allen staatlichen Ebenen, bei Bund, Ländern und Gemeinden, sagt Magnus Wessel. Außerdem sei wichtig, dass der Naturschutz künftig Zugriff auf die Fläche bekomme. „Wir haben Straßenneubau, noch immer einen steigenden Flächenverbrauch durch neue Gebäude – das zahlt alles nicht auf das Konto des Artenschutzes ein.“

„Ob der Naturschutz in Deutschland effektiver wird, hängt auch von dem Vertragstext von Montreal ab“, sagt Wessel. Beispielsweise muss jetzt die Biodiversitätsstrategie der EU in deutsches Recht umgesetzt werden. „Das wird durch den globalen Vertragstext beeinflusst“, sagt Wessel.

Florian Titze, der für den WWF nach Nairobi geflogen ist, fordert die Bundesregierung auf, sie müsse „ihrer Verantwortung gerecht werden und ihren Beitrag zur internationalen Biodiversitätsfinanzierung drastisch erhöhen“. Dazu habe sie sich im Koalitionsvertrag bereits verpflichtet.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Wir würden Ihnen hier gerne einen externen Inhalt zeigen. Sie entscheiden, ob sie dieses Element auch sehen wollen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.