Abgrenzung nach rechts: Hamburger AfD frisst Kreide
Die Spitze der Hamburger AfD distanziert sich von Identitärer Bewegung und Patriotischer Plattform. Der Grund ist offensichtlich: Angst vorm Verfassungsschutz.
In einer Erklärung vom vergangenen Freitag, die Wolf und Nockemann unterschrieben haben, wird betont, dass AfD und IB „grundlegend wesensverschieden“ sein. In den vergangen Monaten waren aus den Nordverbänden ganz andere Aussagen trotz Unvereinbarkeitsbeschluss zu hören. Im April hatte der Bundesvorstand beschlossen, dass eine AfD-Mitgliedschaft nicht mit der in einer vom Verfassungsschutz beobachteten Organisation vereinbar sei. Mit dem Beginn der Beobachtung der IB durch Verfassungsschutzämter und –behörden (VS) wurden diese Bewertungen leiser.
Die Abgrenzung zur Patriotischen Plattform um Hans-Thomas Tillschneider ist ebenso Überlegungen des Verfassungsschutzes geschuldet. Unlängst erklärte das nordrhein-westfälische Landesamt, dass bei der PP „gewichtige Anhaltspunkte für eine verfassungsfeindliche Bestrebung“ vorlägen. In einem internen Vermerk zu der parteiinternen Organisation heißt es: „Zweck der PP ist es, mit ihrer rechtsextremistischen Agenda auf die AfD Einfluss auszuüben.“ Das Landesamt empfahl die bundesweite Beobachtung. Die PP reagierte schnell. Der Vorstand beschloss am Freitag, bei der nächsten Mitgliederversammlung die Selbstauflösung zu beantragen.
Die Plattform hatte Tilschneider 2014 mitgegründet, um den vermeintlichen Ausgrenzungsbemühungen des damaligen Bundesvorsitzenden Bernd Lucke entgegenzuwirken. Die AfD sollte „keine fade Scheinalternative“ werden. Die PP wollte das Umfeld des neu-rechten Instituts für Staatspolitiks des Verlegers Götz Kubitschek einbinden: „Die AfD wird entweder mit Götz Kubitschek sein oder sie wird gar nicht sein“, polterte die PP 2015.
Bundesvorstand der AfD
Heute erklärt der Vorstand: „Wir können alles, was wir sagen wollen, auch in der AfD sagen. Wir können alles, was wir tun wollen, auch in der AfD tun.“ Die PP brächte keinen Mehrwert mehr. Mit der Selbstauflösung würde aber ein „Angriffsziel“ verloren gehen, sodass die AfD „eine echte patriotische Alternative“ bleiben könne. Tillschneider selbst zog noch eine weitere Konsequenz, er will sein Büro im Hausprojekt der IB in Halle auflösen.
Die Bewertung der PP wollen Wolf und Nockemann nicht so stehen lassen. In der Erklärung, die der Landessprecher der AfD Nordrhein-Westfallen, Helmut Seifen sowie der Landes- und Fraktionschef von Rheinland-Pfalz, Uwe Junge, mittragen, wird betont, dass die „Vorstellungen“ der PP „innerhalb der AfD zu keinem Zeitpunkt mehrheitsfähig gewesen sein.
In Hamburg hatte zuvor der AfD-Bürgerschaftsfraktionsvorsitzende Jörn Kruse in der Öffentlichkeit immer wieder die Rechtsentwicklungen seiner Partei kritisiert. Im August leitete der Landesvorstand prompt ein Parteiordnungsverfahren. Vor Kurzem zweifelten Nockemann und Wolf auch die VS-Einschätzung an, das Rechtsextreme die Kundgebung „Mekel muss weg“ bestimmen. Die neue Positionierung dürfte nicht allen AfD-Mitgliedern und –freunden gefallen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Bundeskongress der Jusos
Was Scholz von Esken lernen kann
Schwedens Energiepolitik
Blind für die Gefahren
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag