Abgesagte Studie zu „Racial Profiling“: Gift für die Gesellschaft
Horst Seehofer hat sich mit dem Veto gegen die Studie keinen Gefallen getan. Es ist ein Schlag ins Gesicht für alle, die von Rassismus betroffen sind.
E s ist schlichtweg ignorant, dass sich Bundesinnenminister Horst Seehofer gegen eine von der Bundesregierung geplante Studie zum „Racial Profiling“ bei der Polizei ausgesprochen hat. Und die Begründung des Ministeriums, dass es eine solche Studie nicht brauche, weil „Racial Profiling“ ohnehin verboten ist, ist geradezu realitätsfremd.
Zivilgesellschaftliche Organisationen wie etwa die „Kampagne für Opfer rassistischer Polizeigewalt“ dokumentieren seit Jahren solche Vorfälle. Richtungsweisend wurde im Jahr 2012 ein Fall vor dem Oberverwaltungsgericht Koblenz: Ein Student klagte erfolgreich gegen eine anlasslose Polizeikontrolle – das Gericht entschied, dass Personenkontrollen aufgrund der Hautfarbe nicht mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz vereinbar seien. Der Polizist hatte zugegeben, ihn wegen seiner Hautfarbe kontrolliert zu haben.
Es ist unbestritten, dass „Racial Profiling“ in der polizeilichen Praxis existiert. Nur das genaue Ausmaß ist unklar, weil die Forschung dazu unzureichend ist. Die Studie, die von der Europäischen Kommission gegen Rassismus und Intoleranz (ECRI) des Europarats empfohlen wurde, hätte geholfen, sich sachlicher mit rassistischer Diskriminierung durch Polizeibehörden auseinanderzusetzen und diese Lücke zu füllen.
Seehofer hat sich damit selbst und der Polizei keinen Gefallen getan. Eine solche Studie würde die Polizei keinesfalls unter Generalverdacht stellen. Es geht vielmehr um Gesetze, die es Polizistinnen erlauben, verdachtsunabhängig zu kontrollieren – was wiederum „Racial Profiling“ befördert. Wissenschaftliche Studien auf diese Weise zu unterbinden ist ein Schlag ins Gesicht für alle Menschen in Deutschland, die von Rassismus betroffen sind.
Als Bundesinnenminister sollte Seehofer die Sicherheit aller Menschen in diesem Land wichtig sein. „Racial Profiling“ ist Gift für diese Gesellschaft. Diese Praxis kriminalisiert ganze Bevölkerungsgruppen und stellt sie unter Generalverdacht.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Entlassene grüne Ministerin Nonnemacher
„Die Eskalation zeichnete sich ab“
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Utøya-Attentäter vor Gericht
Breivik beantragt Entlassung
Böllerverbot für Mensch und Tier
Verbände gegen KrachZischBumm
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin