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Abgeordnetenhauswahl in BerlinSPD stärkste Kraft, CDU abgestraft

Die SPD hat Hochrechnungen zufolge mit rund 22 Prozent den höchsten Stimmenanteil in Berlin erhalten. Die AfD steht bei rund 14 Prozent.

Muss sich einen neuen Koalitionspartner suchen: Berlins Regierender Michael Müller Foto: reuters

BERLIN taz | Die SPD ist in den Wahlen zum Berliner Abgeordnetenhaus am Sonntag mit deutlichem Abstand stärkste Partei gewonnen. Der ersten Hochrechnung nach Schließung der Wahllokale zufolge holten die Sozialdemokraten mit ihrem Spitzenkandidaten und amtierenden Rathauschef Michael Müller rund 22 der Stimmen. Auf Platz zwei lag die CDU mit etwa 18 Prozent, dicht gefolgt von Grünen mit rund 15 und Linkspartei mit rund 16 Prozent. Die Alternative für Deutschland zog erstmals mit rund 14 Prozent ins Abgeordnetenhaus und damit in das zehnte Länderparlament bundesweit ein. Der Berliner FDP gelang mit etwa 7 Prozent ein knappes Comeback, sie wird nach ihrer Abwahl 2011 erneut im Abgeordnetenhaus vertreten sein. Anders als die Piraten. Die Newcomer von vor fünf Jahren sind unter die 5-Prozent-Hürde geschrumpft.

Für den regierenden Bürgermeister Michael Müller, der das Amt 2014 von Klaus Wowereit übernommen hatte, ist es der erste Wahlsieg in einer Landtagswahl und für die SPD ein erneuter Platzsieg. Doch die Schönheitsfehler des SPD-Ergebnisses sind deutlich. Zwar gelang es den Sozialdemokraten zum dritten Mal nach Rheinland-Pfalz im Frühjahr und in Mecklenburg-Vorpommern vor zwei Wochen, den Posten der RegierungschefIn zu verteidigen. Doch sie verlor in Berlin fast 7 Prozentpunkte und ist weit von den Boomjahren der Wowereit-Ära entfernt. Müller gab sich nach der Wahl vor der SPD Basis betont kämpferisch: „Wir haben unser Ziel erreicht, wir sind stärkste politische Kraft geblieben und wir haben einen Regierungsauftrag.“

Für eine Neuauflage der großen Koalition reicht es nicht mehr – SPD und CDU kämen zusammen nicht auf die erforderliche Mehrheit von 75 Sitzen im Abgeordnetenhaus. Theoretisch könnte Müller die CDU in ein Dreierbündnis mit den Grünen einbinden. Doch Müller hatte im August bereits angekündigt, die Zusammenarbeit mit der CDU und ihrem Spitzenkandidaten Frank Henkel nicht fortsetzen zu wollen, und eine Regierung mit den Grünen favorisiert. Doch auch diese Zweierkoalition hätte im Parlament keine Mehrheit. Der SPD bleiben also nur Dreierbündnisse – entweder mit CDU und FDP, mit Grünen und CDU oder mit Grünen und der Linkspartei. Letzterer Konstellation werden derzeit die besten Chancen eingeräumt.

Rot-Grün-Rot hätte eine komfortable Mehrheit und man kennt sich. Die Linkspartei hatte bereits von 2001 bis 2011 zusammen mit den Sozialdemokraten regiert. Von dem miesen Wahlergebnis von vor fünf Jahren (11,7 Prozent) hat sich die Partei wieder aufgerappelt. Mit gut 16 Prozent gelang es der Linkspartei zudem erstmals wieder in Landtagswahlen zuzulegen. In den vier bisherigen Landtagswahlen dieses Jahres hatte die Linkspartei all ihre Wahlziele verfehlt und musste gerade im Osten herbe Stimmenverluste hinnehmen.

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Klare Verliererin ist die CDU, die in Berlin das schlechteste Ergebnis seit Kriegsende verzeichnet. „Ein bitteres Ergebnis“ räumte CDU-Sozialsenator Mario Czaja ein. Die rund 18 Prozent, die die Partei laut Hochrechnung bekam, liegen noch einmal deutlich unter dem Wahlergebnis von 2001, welches die Berliner Christdemokratien nach dem Zusammenbruch der landeseigenen Bankgesellschaft aus den Regierungssesseln katapultierte. Spitzenkandidat Frank Henkel lehnt seinen Rücktritt am Wahlabend ab.

Das Ergebnis ist auch für die Bundes-CDU und Kanzlerin Angela Merkel ein Fiasko. Die Abwärtsspirale, die im März in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt einsetzte, hält an. Nur ein schwacher Trost dürfte es für die Christdemokraten sein, dass die SPD in Mecklenburg-Vorpommern beschlossen hat, die Große Koalition fortzusetzen und mit der CDU – und nicht mit der Linkspartei – Verhandlungen aufzunehmen. CDU-Generalsekretär Peter Tauber machte die Schuldigen aus: Die CDU könne in fünf Jahren nicht reparieren, was Rot-Rot zuvor in zehn Jahren kaputt gemacht habe.

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Wahrscheinlich ist, dass die Berliner CDU künftig etwas nach rechts rutscht, wenn sie auf den Oppositionsbänken Platz nimmt. Dort sitzt ganz sicher die AfD. Den Parlamentsneulingen gelang mit rund 14 Prozent aber längst kein so hohes Ergebnis wie in Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern, wo jeweils über 20 Prozent der WählerInnen die AfD wählten. Georg Pazderski, Landesvorsitzender Berliner AfD, war dennoch in Jubelstimmung: „Dieses Ergebnis ist einmalig für Berlin. Das hat es seit 66 Jahren nicht gegeben“, sagte er gleich nach der Wahl. Auf welche der 1950 angetretenen Parteien er anspielte ließ er offen.

Das Thema Flüchtlinge war in Berlin nicht das dominierende, im Vordergrund standen landespolitische Themen wie steigende Mieten und Warteschlangen in Bürgerämtern Die FDP profilierte sich mit der Offenhaltung des Flughafens Tegel – der eigentlich längst hätte geschlossen sein sollen. Wenn der Hauptstadtflughafen BER denn eröffnet worden wäre.

Die Wahlbeteiligung war mit rund 67 Prozent etwa 7 Prozent höher als 2011.

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14 Kommentare

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  • "SPD stärkste Kraft"

     

    "SPD hat am stärksten verloren", liebe Frau Lehmann.

    • 5G
      571 (Profil gelöscht)
      @DR. ALFRED SCHWEINSTEIN:

      Neue Erfahrung:

      Die größten Loser sind jetzt Sieger.

  • 5G
    571 (Profil gelöscht)

    Der Verschreiber des Tages:

    "BERLIN taz | Die SPD ist in den Wahlen zum Berliner Abgeordnetenhaus am Sonntag mit deutlichem Abstand stärkste Partei gewonnen. Der ersten Hochrechnung nach Schließung der Wahllokale zufolge holten die Sozialdemokraten mit ihrem Spitzenkandidaten und amtierenden Rathauschef Michael Müller rund 22 der Stimmen."

    Traumhaft!

  • 2G
    24636 (Profil gelöscht)

    Hahaha von Mr. Zig Zag zum kreiselnden Gabriel. Wo und wann wird er umfallen, das ist die Frage.

  • 3G
    32795 (Profil gelöscht)

    Mal ein Vergleich zu den letzten Wahlen. Dort kam der "progressiv/linke Block" aus SPD, Grüne, Linke und Piraten noch auf 66,5%. Jetzt kommt "RotRotGrün" noch auf 55,2% (FG-Wahlen 19Uhr).

     

    Die Verluste des linken Lagers (-11%) decken sich mit den Zugewinnen von 13% im konservativ/rechten Lager aus CDU, FDP und AfD (von 23,3% in auf jetzt 36,6%).

     

    Es beißt die Maus kein Faden ab, das ist ein deutlicher Rechtsruck...

    • @32795 (Profil gelöscht):

      Ich habe vor 2 Monaten mit einem Freund um ein Mittagsessen gewettet, daß es RRG im Bundestag geben wird.

       

      Er hat mich anfangs ausgelacht, mittlerweile meint er, dein MIttagsessen mit allem drum und dran, wird immer wahrscheinlicher... ;)

    • 6G
      628 (Profil gelöscht)
      @32795 (Profil gelöscht):

      Wenn man ehrlich ist, und davon ausgeht, dass die FDP ihren Rauswurf aus dem Bundestag 2013 bedauerlicherweise überlebt hat, muss man davon ausgehen, dass es linke Mehrheiten im Bund erst in ferner Zukunft wieder geben wird.

      • 3G
        32795 (Profil gelöscht)
        @628 (Profil gelöscht):

        So ausgeschlossen ist eine linke Mehrheit im Bund nicht. Die FDP kratzt an den 5% und ohne FDP fehlen dem linken Lager nur 2% zur (knappen) Mehrheit.

         

        Mal abwarten wie sich die Stimmung bis zur Bundestagswahl so entwickelt. Reine Protestparteien fallen schnell in Ungnade. Aus meiner Sicht ist der Ausgang vollkommen offen.

        • 5G
          571 (Profil gelöscht)
          @32795 (Profil gelöscht):

          "eine linke Mehrheit im Bund"?

          Aber bitte nicht mit Gabriel!

        • @32795 (Profil gelöscht):

          Eine Frage ist doch ob der Grund für den Protest wirklich in der Flüchtlingspolitik alleine zu suchen ist.

           

          MMn fängt die AfD derzeit die Politikverdrossenen ein und an denen herrscht kein Mangel.

          Es gibt schlicht keine Thema bei der linke Parteien dasselbe tun könnten. Sicher gäbe es da Ceta und TTIP, aber da macht sich die SPD ja gerade wieder schmutzig, grün stellt sich auch nicht dagegen und die Linke taugt noch nicht um die Mitte mitzureissen.

           

          Die Schwäche der Linken ist die Politik von SPD und Grünen!

        • 6G
          628 (Profil gelöscht)
          @32795 (Profil gelöscht):

          "Reine Protestparteien fallen schnell in Ungnade."

           

          Die AfD ist allerdings schon außergewöhnlich stark, das ist kein Vergleich zu den Reps, die irgendwann auch mal von Rechts die Bundesrepublik aufgemischt haben. Es gilt ja fast schon als Erfolg, dass die AfD heute 'nur' 12% geholt hat. Zudem ist der gesellschaftliche Rechtsruck nicht erst seit Erscheinen der AfD zu beobachten. Das fing ja spätestens schon mit Sarazzin (wahrscheinlich viel früher) an. Insofern ist die AfD nur das Ergebnis einer seit Jahren oder Jahrzehnten stattfindenden Entwicklung.

          Vermutlich kann man der AfD mit glaubwürdigen linken Politikkonzepten ein Stück weit Wasser abgraben. Aber verschwinden wird die Partei wohl nicht wieder so schnell.

          • @628 (Profil gelöscht):

            Das Problem an der Sache ist nur:

            Linke Politikrezepte lassen die meisten Wähler schreiend wegrennen.

  • Wie ist das eigentlich wenn die Volksparteien verloren haben. Gehören die restlichen Wähler nicht mehr zum Volk?

  • 2G
    24636 (Profil gelöscht)

    Freudscher Versprecher des Abends in der ARD: Nur 21% der Berliner SPD-Wähler sehen Sigmar Gabriel als positiven Stimulus für die CDU.