Grüne und die Berlin-Wahl: Mit Pop an die Regierung
Die Spitzenkandidatin Ramona Pop könnte die erste grüne Innenministerin in Deutschland werden. In der eigenen Partei ist sie jedoch umstritten.
Nicht dass Pop wirklich hätte zittern müssen – seit über einem Jahr schon ließen die Wahlumfragen nur noch eine Koalition mit Beteiligung ihrer Partei zu. Doch für die Berliner Grünen gilt bei Koalitionen mehr als anderswo der Spruch, man habe schon Pferde kotzen sehen vor der Apotheke, sprich: das schier Unmögliche erlebt.
Seit 2001, als Pop im Alter von 24 Jahren erstmals ins Abgeordnetenhaus kam, hätte es von den Zahlen her dreimal für eine grüne Regierungsbeteiligung gereicht. Doch die SPD wollte nie, ging 2001 erst mit der PDS/Linkspartei zusammen und ab 2011 mit der CDU. So blieb es bei der bisher einzigen rot-grünen Kurzzeit-Koalition zu Wendezeiten.
Jetzt aber kann die SPD offenbar nicht anders, Rot-Rot-Grün ist zurzeit das einzige Bündnis, für das es sicher reicht. Und darum könnte es gut sein, dass Pop, inzwischen 38 und seit sieben Jahren Fraktionschefin, als erste Grüne bundesweit ein Innenministerium leiten wird. Nicht, dass sie das gefordert hätte, keineswegs. Pop ließ sich auch nicht zu unbedachten Äußerungen hinreißen, als im Juli eine Umfrage die Grünen fast auf Augenhöhe mit der SPD sah und sie selbst als Regierungschefin möglich schien.
Bleibt nur das 1A-Ressort
Das mit dem Innenressort ergibt sich schlicht bei logischem Durchzählen: Schon lange vor der Wahl hat die in Berlin seit 1989 ununterbrochen zumindest mitregierende SPD klargemacht, dass sie weiter den für Finanzen zuständigen Senator stellen will. Auch auf das Stadtentwicklungsressort wird der alte und mutmaßlich neue Regierungschef Michael Müller nicht verzichten. So bleibt von den klassischen 1A-Ressorts nur das Innenministerium.
Pop hat sich zwar eher als Haushaltspolitikerin einen Namen gemacht, kann aber als Fraktionschefin und Generalistin zwangsläufig auch Inneres. Mit einer grünen Reala wie ihr könnten auch konservative SPDler leben.
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An diesem Wahlabend gehen Monate zu Ende, die für Pop, die im Alter von zehn Jahren aus Rumänien nach Deutschland gekommen ist, durchaus belastend waren. Denn so einheitlich das Vierer-Spitzenteam agierte, das die Grünen im Frühjahr mit Pop als Nummer 1 nominierten, so gespalten stellte sich die Parteibasis dar. Bei Pops Wahl auf den ersten Platz im März bekam sie ohne GegenkandidatIn nur rund 60 Prozent der Stimmen. Bei einem weiteren Parteitag rührte sich nach ihrer Rede beim linken Parteiflügel kaum eine Hand, während der Realo-Flügel stehend applaudierte.
Pop wirkte in diesem Moment noch zerbrechlicher als sonst. Die Partei hatte bereits nach der Wahl 2011 heftige interne Kämpfe erlebt, und offensichtlich waren auch jetzt einige nicht bereit, einem Erfolg bei Wahlen anderes unterzuordnen.
Das ist nun weit weg. Nicht, dass es in einem künftig rot-rot-grünen Senat ohne Streit abgehen wird – das ließ schon die letzte Sitzung des Landesparlaments vor zehn Tagen ahnen, als Regierungschef Müller Pop „Klientelpolitik“ vorwarf. Aber die Gegner am Senatstisch kommen dann zumindest nicht aus der eigenen Partei.
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