Abgeordnetenhaus Berlin: Rot-Rot-Grün überholt sich selbst
Fraktionen wollen die Coronakredite anders als der Senat schon vor der Sommerpause beschließen. Sonst könnten die Milliarden zu spät kommen.
Im Dezember erst hatte das Abgeordnetenhaus den Haushalt für 2020 und 2021 beschlossen. Dann aber kam Corona – erst mit der Notwendigkeit, Geld für Schutzausrüstung und Masken lockerzumachen und ein Notfall-Krankenhaus zu finanzieren, dann mit Hilfsprogrammen, vor allem für kleinere Betriebe. Durch den weitgehenden Shutdown war zudem absehbar, dass auch nach Berlin weit weniger Steuern fließen würden.
Der Plan von Finanzsenator Matthias Kollatz (SPD) war daher, den im Dezember beschlossenen Haushalt in zwei Schritten zu aktualisieren – Nachtragshaushalt heißt das offiziell. Der erste, über den am Mittwoch der Hauptausschuss debattierte und über den das gesamte Parlament nächste Woche abstimmen soll, sollte noch ohne neue Schulden auskommen, denn viele Fördermittel kamen aus der Kasse des Bundes.
Ein zweiter hingegen, am Dienstag im Senat als Entwurf beschlossen, sollte – auf Basis der Steuerschätzung von Mitte Mai – die milliardenschweren Kosten für Förderprogramme und sonstige coronabedingten Ausgaben abbilden. Er kommt offiziell am 4. Juni ins Parlament und könnte frühestens am 20. August, wahrscheinlich aber im September beschlossen werden.
Koalition kritisiert Regierung
Im Hauptausschuss ging es am Mittwoch also eigentlich nur um den ersten Nachtrag – aber im Kopf hatten die Parlamentarier natürlich schon den Senatsbeschluss vom Dienstag. Was die Sache nicht leichter machte: Die Fraktionschefs von SPD, Linkspartei und Grüne hatten in einem Papier klar gemacht: Die geplanten sechs Milliarden Euro neue Schulden sollen schon in das erste Haushalts-Update. „Der Senat hat einen anderen Weg vorgeschlagen, den wir kritisch sehen“, sagte im Ausschuss der Chef-Haushälter der SPD-Fraktion, Torsten Schneider. Nach seiner Ansicht sind die Kredite vor den Sommerferien zu beschließen. Die Hilfen müssten jetzt fließen, weil mancher sonst im Herbst pleite ist.
Koalitionsfraktionen, die einen Haushalt der eigenen Regierung in großem Umfang kritisch sehen – das war neu. Daran musste sich auch die oppositionelle CDU-Fraktion erst gewöhnen. Ohne die Änderungen der Koalitionsfraktionen hätten sie, so war jedenfalls ihr Chef-Haushälter Christian Goiny zu verstehen, dem Update zugestimmt.
Nach dem Nachbessern der Koalitionäre sieht er das nicht mehr uneingeschränkt so: Manches von dem, „was jetzt um die Ecke kommt“, habe mit der Krise nichts zu tun, sagte Goiny und griff als Beispiel den früheren Redaktionssitz dieser Zeitung in der Rudi-Dutschke-Straße heraus: Die Nachnutzung des taz-Hauses habe „nicht so richtig was mit Corona zu tun.“ Dessen künftige Nutzung ist in dem Änderungspapier der Fraktionschefs als zwei Millionen schwerer Punkt hervor gehoben.
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