Abgas-Vorwürfe gegen Audi: Bundesamt erschwert Ermittlungen
Das Kraftfahrt-Bundesamt, berüchtigt für Nähe zur Autoindustrie, soll Abgas-Ermittlungen im Fall Audi behindert haben. Nun schweigt das Amt dazu.
BERLIN taz | Dass das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) bei der Aufklärung des Abgas-Skandals der deutschen Automobilhersteller keinen besonderen Ehrgeiz gezeigt hat, ist bekannt. Doch offenbar hat die Flensburger Bundesbehörde, die dem Bundesverkehrsministerium untersteht, die Ermittlungen im Fall Audi sogar aktiv behindert. Des geht aus internen Unterlagen hervor, aus denen der Bayerische Rundfunk und das Handelsblatt zitieren.
Staatsanwalt Dominik Kieninger von der Staatsanwaltschaft München II beschwerte sich demnach im Juli 2017 schriftlich bei KBA-Chef Ekhard Zinke, weil dessen Behörde bei neuen Verdachtsfällen von illegalen Abschalteinrichtungen nicht die Ermittler, sondern zunächst den betroffenen Konzern Audi informiert hatte. „Zum wiederholten Male sehe ich mich veranlasst, Sie darauf hinzuweisen, dass eine nur eingeschränkte Kooperation – erst recht, wenn von deren Seite eine klare Aufforderung erfolgte – den Straftatbestand der (mindestens versuchten) Strafvereitelung erfüllen kann“, heißt es in dem Schreiben.
Er habe Zweifel, so der Staatsanwalt, „ob das KBA uneingeschränkt zur Kooperation – und zur Erfüllung seiner strafprozessualen Pflichten – bereit ist“, schrieb Kieninger, verbunden mit der Drohung, dass das Prozessrecht „in solchen Fällen auch die Durchsuchung von Behörden zulässt“.
Spottgedicht
Das Kraftfahrt-Bundesamt äußerte sich zu diesem Vorwurf auf Anfrage nicht. Das von Andreas Scheuer (CSU) geführte Bundesverkehrsministerium bestritt die Existenz des Problems. „Das KBA kooperiert vollumfänglich mit den jeweiligen Staatsanwaltschaften“, behauptete eine Sprecherin, ohne auf die Vorwürfe der Münchener Staatsanwaltschaft einzugehen.
Auch in Bezug auf Audi verschärfen die internen Unterlagen, aus denen Handelsblatt und BR zitieren, die Vorwürfe. So war im Unternehmen offenbar bereits 2003 bekannt, dass in den Fahrzeugen illegale Abschalteinrichtungen (englisch: Defeat Devices) eingebaut wurden, die die Abgasreinigung im Normalbetrieb drosseln. In einem Gedicht verspottete ein Mitarbeiter die Behörden: „Defeat Device, komm her zu mir. Gar schöne Spiele spiel’ ich mit dir“, heißt es darin.
Und: „Seid ruhig, bleibt cool, wahrt euer Gesicht, es murrt nur der TÜV, die Carb merkt das nicht.“ Das stellte sich später als Irrtum heraus: Die kalifornische Regierungskommission Carb brachte den Abgasskandal ins Rollen – und damit auch strafrechtliche Ermittlungen gegen zahlreiche Audi-Manager.
Leser*innenkommentare
97088 (Profil gelöscht)
Gast
Ich verstehe die ganze Aufregung nicht. Das KBA ist eine nachgelagerte Behörde und macht (ausschließlich in diesem Fall!) was das vorgelagerte Ministerium und hier der Minister will.
Also: Nicht den Sack schlagen, wenn der Esel gemeint ist!
Drabiniok Dieter
Es müssen unbedingt noch ein paar Milliarden zur Belohnung locker gemacht werden! Verdoppelt die Kaufprämien, erhöht die Dienstwagenpauschale und die Emissionsgrenzwerte, senkt die Steuern für SUVs und Unternehmensgewinne, und zahlt eine Sonderdividende an die Aktionäre. Sie tragen ein Risiko, dass unbedingt noch einen zusätzlichen Bonus verdient. Leistung muss sich lohnen!
Lasst bloß keine Makel an unsere Schlüsselindustrie kommen, sie ist sauber, war sauber und demnächst rettet sie sogar unser Klima!
So macht Kapitalismus richtig Spaß!
Eimsbüttler
Mich würde interessieren wieviele Mitarbeiter des Bundesamtes sich noch trauen in die USA zu reisen.
Rolf B.
In Anbetracht der Tatsache, dass in Deutschland SchwarzfahrerInnen oder GEZ-VerweigerInnen im Knast sitzen, müssten doch bestimmte Leute aus der Automobilindustrie und ihrer behördlichen Helfershelfer dringend in den Knast.
mowgli
@Rolf B. Tja. Das KBA ist eben nicht das BKA. Und ein forscher Staatsanwalt allein macht auch noch keinen Prozess.
Im Übrigen kennt die taz das Gefühl, „zwischen Baum und Borke“ festzustecken, vermutlich selber auch ganz gut. So gut, wie jeder andere von uns. Und zwar aus ähnlichen Gründen. Dass Schadenfreude hier mal wieder eine ziemlich reine Freude ist, kann ich mir also gut vorstellen. Besser wäre es aber, nicht nur alte Kamellen zu reaktivieren und mangels Fakten mit bislang unveröffentlichter Spottlyrik zu garnieren, sondern aktuelle zu informieren. Und zwar unter Nennung von Ross und Reiter.
Thomas Brunst
Der eigentliche Skandal: Audi soll einige Dieselfahrzeuge der Abgasnorm Euro-6 noch bis Anfang 2018 verkauft haben, in denen jeweils bis zu vier verschiedene Abschalteinrichtungen verbaut sind. Das haben Recherchen des Bayerischen Rundfunk (BR) und des Handelsblatts ergeben.
Mainzerin
@Thomas Brunst Und warum bleibt das alles ungestraft?
Haben wir jetzt einen Rechtsstaat oder nicht?
Wohl eher nicht...
Markus Müller
Wann werden endlich Konsequenzen für Scheuer folgen?
Was dieser Idiot verzapft geht wirklich auf keine Kuhhaut.
Bitbändiger
@Markus Müller Dies, mein lieber Markus Müller, wird auf keinen Fall geschehen, denn Scheuer (wie auch seine beiden intellektuell nicht minder schlichten Vorgänger) haben sich jederzeit genau so verhalten, wie es die Doktrin der Kanzlerin von der "marktkonformen Demokratie" von ihnen erwartet (Gleiches gilt übrigens auch für die Landwirtschaftsministerin und ihren Vorgänger).
Die Korruption (im Sinne von "regulatory capture" des Bundeskabinetts ist Staatsraison.
Markus Müller
Ich möchte wissen,wann Scheuers Versagen und Manipulationen endlich Konsequenzen für ihn und seine Mitarbeiter haben.
Kein Minister der aktuellen Groko hat einen solchen Schaden angerichtet.
Und auch Dobrindt sollte zur Verantwortung gezogen werden.
Sonnenhaus
Eigentlich nix Neues. Das war zu erwarten.
Wird das Ministerium doch schon seit vielen Jahren von Mitgliedern der "Amigo-Partei" geführt, mit Heimatadresse Bayern, dem Sitz von Audi.
Staatsanwalt Dominik Kieninger von der Staatsanwaltschaft München II wird wohl bald sein "Fett" von den "Amigos" abbekommen. Vielleicht läßt er sich noch schnell von seinen "amigoerfahrenen" Kollegen aus Augsburg beraten, wie er um eine Versetzung noch herum kommt. Im schlimmsten Fall der Fälle wird er einfach - nach aktuellem bayerischen Amtssprech - "weggesödert".