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Abbiegeassis­tenten für LkwSicher um die Ecke

Immer wieder werden Fußgänger und Radfahrer von Lastwagen überfahren. Die Berliner Grünen wollen Warnsysteme nun zur Pflicht machen.

Der tote Winkel könnte dank Abbiegeassistent seinen Schrecken verlieren Foto: dpa

BERLIN taz | Sie ist im Berliner Mobilitätsgesetz verankert: die „Vision Zero“. Dass man sich einer Reduzierung der tödlichen Verkehrsunfälle auf null immer nur annähern kann, ist klar. Klar ist aber auch, dass es einschneidender Maßnahmen bedarf, um diese Utopie zumindest realistisch erscheinen zu lassen. Die Grünenfraktion im Abgeordnetenhaus hat diese Botschaft offenbar verstanden: In der vergangenen Woche beschloss sie einen Antragsentwurf, der vom Senat verlangt, Lkws ohne sogenannten Abbiegeassistenten aus der Stadt zu verbannen.

Der Entwurf, der nun noch mit den anderen beiden Koalitionsfraktionen abgestimmt werden und dann vom Plenum des Abgeordnetenhauses verabschiedet werden soll, liegt der taz vor. Er fordert den Senat auf, juristisch zu prüfen, ob großräumige Durchfahrverbote für Lkws ohne Abbiegeassistenten auf Grundlage der Straßenverkehrsordnung erlassen werden können. Wenn diese Prüfung positiv ausfalle, solle die Landesregierung diese Beschränkungen nach einer angemessenen Übergangsfrist auf den Weg bringen. Außerdem soll der Senat sein geplantes 2-Millionen-Euro-Förderprogramm zur Umrüstung privater Lastwagen so schnell wie möglich umsetzen und sich dabei mit dem Bund abstimmen, der ebenfalls einen Fördertopf aufgemacht hat.

Zur Begründung heißt es, die Abbiegeassistenten in Lkws böten den zuverlässigsten Schutz vor Unfällen mit RadfahrerInnen und FußgängerInnen an Kreuzungen – diese Unfälle enden für die ungeschützten ­VerkehrsteilnehmerInnen oft tödlich oder mit schweren Verletzungen. Abbiegeassistenten warnen die Lkw-FahrerInnen vor Personen im Gefahrenbereich. Zwar gehe das Land Berlin mit gutem Beispiel voran und statte die Lastwagenflotte der landeseigenen Unternehmen bereits mit den Warnsystemen aus, schreiben die Grünen. Ohne eine Pflicht werde es aber noch sehr lange dauern, bis auch der letzte private Lkw umgerüstet sei.

Unfälle mit Folgen

Verkehrstote Im Jahr 2018 kamen in Berlin 45 Menschen im Straßenverkehr ums Leben: 19 Fußgänger, 11 Radfahrer, 9 Motorrad- oder Rollerfahrer, 3 Autofahrer sowie 3 Lkw- oder Busfahrer. 2017 hatte es 36 Tote gegeben – der niedrigste Wert überhaupt in den vergangenen Jahrzehnten.

Radverkehr Die Zahl der Unfälle von Radfahrern bewegte sich in den vergangenen Jahren jeweils um die 5.000. Laut ADFC verur­sachen Lkw-Fahrer, die beim Abbiegen den Vorrang von Radfahrern missachten, jeden dritten tödlichen Radunfall. (dpa)

Hintergrund des grünen Vorstoßes – der sich in erster Linie an Verkehrssenatorin Regine Günther (parteilos) richtet, die aus den eigenen Reihen vorgeschlagen wurde – ist ein Rechtsgutachten, das die grüne Bundestagsfraktion im Januar vorgelegt hat. Eine Forschungsgruppe der Hochschule Darmstadt kommt darin zu dem Schluss, dass Durchfahrverbote für Lkws ohne Abbiegeassistenten nicht auf EU-Ebene geregelt werden müssen, sondern von jeder deutschen Straßenverkehrsbehörde verhängt werden können. Bislang waren VerkehrspolitikerInnen davon ausgegangen, dass erst eine für das Jahr 2024 oder später erwartete EU-Richtlinie hier allmähliche Veränderung bringt.

Abgeordnete der Grünen, aber unter anderen auch der verkehrspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Tino Schopf, hatten das Gutachten begrüßt. Von der Senatsverwaltung dagegen war Ende Januar lediglich zu erfahren, dass man dabei sei, das Papier und seine juristischen Implikationen zu prüfen. Auch drei Wochen später ist die Meinungsbildung hier offenbar noch nicht abgeschlossen.

Stefan Taschner, Sprecher für Radverkehr in der Grünenfraktion, betonte im Hinblick auf den Antragsentwurf, es sei „unsere Verantwortung und Pflicht, Berlins Straßen sicherer zu machen“. Die freiwillige Umrüstung durch finanzielle Anreize zu fördern, wie der Senat es vorhabe, sei zwar richtig, man dürfe aber „keine falschen Kompromisse eingehen“. Menschenleben stünden auf dem Spiel, so Taschner. „Deswegen müssen wir den Druck erhöhen.“

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