piwik no script img

Abbau im EisenbahnnetzEs führt ein Gleis nach nirgendwo

Zwischen Rheine und Quakenbrück fahren zwar keine Züge mehr, aber die Bahnstrecke existiert großteils noch. Jetzt soll ein Stück zum Radweg werden.

Das Bild täuscht: Im deutschen Bahnnetz fehlt es eher an Platz Foto: Carmen Jaspersen/dpa

Auf einer entwidmeten Bahnstrecke Draisine zu fahren – das hört sich nach einem originellen Freizeitvergnügen an. Möglich ist das derzeit noch zwischen Fürstenau und Quakenbrück in Südniedersachsen. Jetzt soll die Strecke abgebaut und in einen Radweg verwandelt werden. Damit rückt eine zukünftige Wiederindienststellung der Strecke ein Stück weiter in die Ferne – und das in einer Situation, wo allenthalben die Engpässe im Eisenbahnverkehr beklagt werden.

Errichtet worden sei die Strecke „als Teil der kürzesten Fernverbindung zwischen dem Ruhrgebiet und den Seehäfen der Nordsee“, heißt es in der Zeitschrift Lok-Report. Heute könnte sie zur Umfahrung Osnabrücks dienen und helfen, den absehbar wachsenden Containerverkehr aus dem Jade-Weser-Port in Wilhelmshaven abzuwickeln.

„Aus heutiger Sicht wäre die Strecke nie entwidmet worden“, sagt Malte Diehl, der niedersächsische Landesvorsitzende des Fahrgastsverbandes Pro Bahn. Denn die Strecke sei nicht nur als Umleitung für den Güterverkehr wichtig, sondern habe auch Potenzial für den unterentwickelten öffentlichen Personenverkehr in der Region.

1969 fuhren die letzten Passagiere auf der Strecke, 1997 wurden die letzten Güter transportiert. Einzelne Abschnitte der Strecke wurden abgebaut, andere für nostalgische Dampflokomotivenfahrten und Ausflüge mit Draisinen erhalten.

Dass die Eisenbahntrasse Stand 2020 im Landesraumordnungsprogramm als „Vorranggebiet sonstige Eisenbahnstrecke“ ausgewiesen ist, hat die Kommunen nicht daran gehindert, Teile davon für ihre Zwecke zu verplanen. Wie das funktioniert, hat eine Kleine Anfrage der Grünen-Abgeordneten Detlev Schulz-Hendel und Volker Bajus vor zwei Jahren im niedersächsischen Landtag gezeigt.

Damals hatte die Stadt Fürstenau beantragt, bei vier Flurstücken der Bahnstrecke vom Landesraumordnungsprogramm abweichen zu dürfen. Die Bahn-tochter DB Immobilien Nord beantragte dafür beim Eisenbahnbundesamt eine Freistellung, sprich Entwidmung, vom Bahnbetrieb.

Eine Freistellung oder Entwidmung bedeutet im Gegensatz zu einer Stilllegung nicht, dass die Strecke endgültig nicht wieder in Betrieb genommen wird. „Eine Freistellung kann erfolgen, wenn nach Auswertung der eingegangenen Stellungnahmen und der vorliegenden Informationen für die aktuell oder früher einmal vorhandenen Betriebsanlagen kein Verkehrsbedürfnis mehr besteht und langfristig eine Nutzung nicht mehr zu erwarten ist“, teilte das Eisenbahnbundesamt mit.

Im Falle der Fürstenauer Grundstücke hatte das Verkehrsministerium nur unter dem Vorbehalt sein Einvernehmen erteilt, „dass eine durchgängige Alternativtrasse planerisch gesichert ist“. Das war zwar nicht der Fall – trotzdem wurde die Freistellung erteilt und die Gemeinde durfte ihr Baugebiet ausweisen.

Dabei versicherte die rot-schwarze Landesregierung in ihrer Antwort an die Grünen, im Landesraumordnungsprogramm würden „regelmäßig Strecken gesichert, für die perspektivisch eine strategische Bedeutung für das Land besteht, im Fall von Quakenbrück – Rheine für die Hafenhinterlandverbindung des Jade-Weser-Ports“.

Der Lok-Report erwähnt ein Gutachten des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt, in dem schon 2008 für den Verkehr von und zu dem Tiefseehafen doppelstöckige Container­züge ins Gespräch gebracht werden. Diese würden die Kapazität verdoppeln, könnten aber nicht wie bisher durch Osnabrück rollen.

Tatsächlich hat Wilhelmshaven seinen Containerumschlag in jüngster Zeit stark gesteigert. Die Bedeutung des Hafens, der jederzeit von den größten Containerschiffen angelaufen werden kann, wächst mit den Pro­blemen der Hamburger, die Fahrrinne der jüngst noch einmal vertieften Elbe von Schlick und Sand freizuhalten.

Aus heutiger Sicht wäre die Strecke nie entwidmet worden

Malte Diehl, Fahrgastverband Pro Bahn

Die Freistellung der Strecke sei für deren raumordnerische Sicherung mit Blick auf den Jade-Weser-Port nicht relevant, versicherte die Landesregierung den Grünen. Die Entwidmung erschwere lediglich deren Reaktivierung.

In ihrer Antwort bleibt die Landesregierung allerdings eine direkte Antwort auf die Frage nach künftigen Entschädigungen im Falle zu erwartender Enteignungen schuldig: Der Bebauungsplan sei rechtsverbindlich, auch wenn er nicht im Einklang mit den Zielen der Raumordnung stehe, heißt es in dem Schreiben. Die Baugenehmigungen seien rechtens.

Welchen Ärger es geben wird, sollte der Bund Grundstücke für eine Reaktivierung der Strecke enteignen, lässt sich leicht ausmalen. „Ich hätte erwartet, dass die niedersächsische Landesregierung aktive Trassensicherung betreibt“, sagt Pro-Bahn-Vorstand Diehl.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

1 Kommentar

 / 
  • Mich würde nicht wundern, wenn eine der Europas größten Lkw-Speditionen "Schenker", eine 100% Tochter der Bahn, den Umbau sponsorn würde.

    Dass das Schienennetz entgegen diverser Lippenbekenntnisse immer weiter ausgedünnt wird hat einfach nachvollziehbare finanzielle Gründe:

    Warum sollte der Staat in einen defizitären Bereich investieren wenn er über die Lkw-Maut an der gleichen Stelle viel Geld verdienen kann ?

    Und der Verstand bleibt, einmal mehr, außen vor:



    "Der Bebauungsplan sei rechtsverbindlich, auch wenn er nicht im Einklang mit den Zielen der Raumordnung stehe"

    Mit welchen Zielen steht er denn im Einklang?