ADAC bietet Fahrrad-Service: Allgemeiner Verkehrswendeclub?
Der ADAC galt lange als unbeirrbare Lobbyorganisation für Überholspur-Junkies. Nun will er Mitgliedern in Berlin und Brandenburg auch bei Fahrradpannen helfen.
N eulich bekam ich nochmal Post vom ADAC. Sie fänden es ja echt schade, dass ich meine Mitgliedschaft gekündigt habe, ob ich es mir nicht nochmal überlegen wolle? Aber da ich vor einem Jahr meinen treuen, aber mittlerweile 24 Jahre alten Kombi abgegeben hatte, brauchte ich auch keine Pannenhilfe mehr.
Eingetreten war ich schon mit ein wenig schlechtem Gewissen. Der ADAC erschien mir immer ziemlich uncool. Ich würde ja auch nie in die FDP eintreten oder in einen Kleingärtnerverein mit 20-seitigem Regelwerk über die Wuchshöhe meiner Johannisbeersträucher.
Der ADAC war sogar noch schlimmer: Ich erinnere mich noch an die Ölkrise von 1974 und die autofreien Sonntage, gegen die der ADAC mit dem unverschämten Slogan „Freie Bürger fordern freie Fahrt“ protestierte. Über Tempo 100 auf Autobahnen schimpfte der ADAC damals, ein solch „unrealistisches Kriechtempo“ müsse verhindert werden.
Ziemlich uncool waren dann auch 2014 die Manipulationen bei der Vergabe des „Gelben Engels“, mit dem bestimmte Kfz-Modelle nach einem Publikumsvotum vom ADAC ausgezeichnet wurden. Immerhin: Das kostete den Präsidenten des Clubs den Job. Eine Imagekampagne folgte, mit ziemlich gewagten Spots wie „Don’t call Mom“.
Und das Gepäck aus dem Zug?
Und jetzt das: In einer lapidaren Pressemitteilung lässt der ADAC wissen, dass er Mitgliedern in Berlin und Brandenburg in einem Pilotprojekt ab sofort auch bei einer Fahrradpanne helfen werde! Im Notfall werden Räder samt Gepäck und Ladung auch geborgen, ganz wie bei Autos auch. Ich frage mich: Wird aus dem ADAC jetzt der ADVC – der Allgemeine Deutsche Verkehrswende-Club? Will man wirklich zwei eigentlich spinnefeinde Bevölkerungsgruppen – Auto- und Fahrradfahrende – unter seinem Dach haben?
Eines hat man bei den ehemaligen Autolobbyisten begriffen: „Viele unserer Mitglieder nutzen immer häufiger das Fahrrad“, heißt es in der Mitteilung. Also, lieber ADAC: Wir finden das super! Und wir hätten eine Idee, wie man da weitermachen könnte. Wenn der ICE im Winter wieder liegenbleibt, könntet ihr uns da nicht auch abholen und unser Gepäck bergen? Viele ADAC-Mitglieder nutzen auch immer häufiger die Bahn – Ihr wisst schon: Klimakrise und so.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Tabubruch der CDU
Einst eine Partei mit Werten
Trump und die Ukraine
Europa hat die Ukraine verraten
Social-Media-Star im Bundestagswahlkampf
Wie ein Phoenix aus der roten Asche
Krieg und Rüstung
Klingelnde Kassen
Münchner Sicherheitskonferenz
Selenskyjs letzter Strohhalm
Gerhart Baum ist tot
Die FDP verliert ihr sozialliberales Gewissen