ABBA, Union, Wildtierpopulation: Vom Wahl-O-Mat benutzt
Warum die Union am Schluss doch die Nase vorn hat und vier schwedische Mittsiebziger das Rampenlicht suchen. Und: Klimaopfer Kommodowaran.
t az: Herr Küppersbusch, was war schlecht vergangene Woche?
Friedrich Küppersbusch: Kein Schwein interessiert, wer in 21 Tagen NRW regiert.
Und was wird besser in dieser?
Wir sind unregiert auch gut.
Haben Sie schon den neuesten Wahl-O-Mat benutzt?
Nein, er mich. Ich hatte erst Briefwahl gemacht und dann gewahlomatet und mir wurden ein Dutzend Parteien eher empfohlen als die meiner Wahl. Wohl weil einige Kleinstparteien ihre Antworten besonders clever designen. Schöne Vision: Statt Parteien, die einem viel erzählen können, träfe man 38 bindende Sachentscheidungen für die kommende Legislatur. Und präferierte eine Partei. Wenn also der O-Mat selbst die Wahl wäre: spannend.
Die Lokführer der GDL streiken zum dritten Mal innerhalb kürzester Zeit. Geht dadurch was voran?
Im Speisewagen erwartet Sie unser astronomisches Angebot: Nö. GDL und Bahn sind nah am Abschluss, etwa in der Größenordnung des öffentlichen Dienstes. Beide haben Hintergedanken: Die Bahn möchte die ruppige GDL kleinhalten und Tarifabschlüsse lieber auskungeln mit der frommen Eisenbahn-Verkehrs-Gewerkschaft EVG. Die GDL möchte Abschlüsse erzielen für andere, aufgesplitterte Bahntöchter. Sprich: Diesen Tarifkampf nutzen als Werbefläche für ihre bevorstehende Weltgeltung. Der DGB streitet für die Einheitsgewerkschaft gegen den Spalter Weselsky und seine GDL. Die GDL ist für die Einheitsgewerkschaft – wenn sie GDL heißt. Möge der Lautsprecher knistern und eine Stimme zu uns sprechen: „In Hamm werden beide Zugteile vereinigt.“ Das dauert.
Die schwedische Popband Abba kehrt nach 40 Jahren mit einem Album zurück. Summen Sie dazu „Mamma Mia“, „SOS“ oder „Money, Money, Money“?
Es hat vier Buchstaben, kommt aus Schweden und funktioniert wie Sau: Ikea, Wasa, Abba. Die vier finanziell unabhängigen Mittsiebziger kommen mit neuen Songs und einer technisch innovativen Bühnenshow. Das muss einem sympathischer sein als Thirtysomethings, die ihre größten Hits memorieren. Zudem erinnern Abba daran: Es ist erst 46 Jahre her, dass der ESC musikalisch innovativ war und eine Superband hervorbrachte. Schließlich mutet die Avatar-Bühnenshow an, als gelänge Kraftwerk doch der Ausbruch aus dem Museum. Lauter spannende Vorzeichen. Schade, dass ich auf die Musik einfach nicht kann.
Eine Wildtierzählung in Kenia hat ergeben, dass es erstaunlich positiv steht um die Populationen von Elefanten, Zebras und Giraffen. Ist die Umweltlage doch nicht so düster?
Zugleich erscheint die Rote Liste der 40.000 vom Aussterben bedrohten Tierarten. Neu sind Klimaopfer wie der Kommodowaran. Aber der Thunfischbestand hat sich erholt. Durch Fangquoten und Kampf gegen Wilderei. Tenor, wie in Kenia: der Mensch kann zum Guten hin eingreifen.
Den Menschen in Afghanistan droht eine humanitäre Krise. Was können wir von Deutschland aus für sie tun?
Die bemerkenswerte Spurlosigkeit des 20-jährigen Militäreinsatzes und der über 50 Toten bei der Bundeswehr ehrlich bilanzieren. Doch das hilft höchstens den Menschen im „nächsten Afghanistan“. Die in diesem sind auf Verhandlungsgeschick gegenüber den Taliban angewiesen. Also das, was nach dem kommt, vor dem es kommen sollte.
Die New York Times amüsiert sich über Olaf Scholz. Er verkünde seine Botschaften wie ein Roboter. Stimmen Sie zu?
Die derbsten Fiesheiten lässt die NYT-Kronzeugen sagen, wie Ex-Botschafter Kornblum: Spannender als Scholz sei, einem Topf Wasser beim Kochen zuzuschauen. Die Autorin selbst attestiert den Deutschen, „Langeweile zu lieben“, und sieht „null Charisma“ als Kriterium, sich einen wie Trump zuverlässig zu ersparen. Wer mag, kann den Artikel als Kompliment für die deutsche Schnarchokratie lesen.
Trotz der Häme: Scholz und die SPD sind bei Umfragen oben auf, während die CDU in einem Rekordtief steckt. Neu aufstellen in der Opposition, ist das eine Option für die Union?
Vor einem Jahr wäre die SPD für die Prognose „25 Prozent“ ausgelacht worden. Vor 20 Jahren auch, nur von oben. So volatil geht’s mit der Union nun auch rauf und runter. Unterschied zu Merkel: Laschet demobilisiert die SPD-Kundschaft nicht, eher die eigene. Doch wie stets im Leben, im Sterben: Je näher die Urne kommt, desto ernster werden die Gebete. Kurz vor Schluss werden viele auf Nummer sicher gehen und Union ankreuzen.
Und was machen die Borussen?
Nix. Also wenn Reus gegen Armenien auch nicht spielt.
Fragen: Emeli Glaser, Rieke Wiemann, waam
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Kompromiss oder Konfrontation?
Flexible Mehrheiten werden nötiger, das ist vielleicht gut
Eine Chauffeurin erzählt
„Du überholst mich nicht“
Niederlage für Baschar al-Assad
Zusammenbruch in Aleppo
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
Ungerechtigkeit in Deutschland
Her mit dem schönen Leben!
Der Check
Verschärft Migration den Mangel an Fachkräften?