80. Fall des ZDF-Krimis „Wilsberg“: Der immer gleiche Muff und Witz
Auch zum Jubiläum muss der Münsteraner Privatdetektiv Wilsberg ohne Handy und Auto auskommen. Und die Bielefeld-Witze fehlen auch nicht.
In seinem 80. (!) Fall bekommt der ganz und gar nicht charmante, sondern eher grummelige Münsteraner Privatdetektiv Georg Wilsberg leider wieder kein Smartphone geschenkt. Dabei wäre es endlich mal an der Zeit, die ganze Chose zu modernisieren.
Für Unwissende: Wilsberg, eigentlich Antiquar in Münster, besitzt weder Auto noch Handy, braucht beides aber dann doch immer mal für seinen Zweitjob und muss sich dann im Zuge seiner Ermittlungen beides regelmäßig bei seinen Freunden ausborgen (und nein, Fahrrad fährt Wilsberg nicht). Leonard Lansink verkörpert ihn übrigens seit der zweiten Folge „In alter Freundschaft“, die am 25. Mai 1998 im ZDF erstausgestrahlt wurde (Wilsberg wurde in der allerersten Folge, bereits 1995 gesendet, noch von Joachim Król gespielt.)
Allerdings gibt es zum Jubiläum dann doch eine Art Geschenk in Form eines Gastermittlers aus dem Vereinigten Königreich. John Cross taucht zunächst wie zufällig im Antiquariat auf und fragt nach einem Buch über Münster nach 1945. Aber eigentlich sucht der Typ Anschluss. Und den findet er. Seine britisch-charmante Art kommt bei Anna Springer (Rita Russek), Hauptkommissarin des Morddezernats und von Anfang an mit Wilsberg befreundet, gut an. Ein Grund mehr für Wilsberg zu grummeln. Dabei würde ihm „etwas mehr Charme stehen“, wie Springer meint. Nun, ja.
Wilsberg und Cross (August Zirner redet im besten Deutsch mit britischem Akzent) kabbeln sich die ganze Zeit, ermitteln dann aber doch gemeinsam und werden immer besser. Ekki Talkötter (Oliver Korittke), ein alter Freund von Wilsberg, ist wie immer mit im Boot, und auch Overbeck (Roland Jankowsky), der altgediente Kollege von Springer, sowie Tessa Tilker (Patricia Meeden), die resolute Anwältin. Alle haben mit dem Fall zu tun, direkt und indirekt. Und das ist mal mehr, meist aber eher weniger spannend, aber immerhin recht kurzweilig und das ist ja irgendwie auch ein Qualitätsmerkmal.
„Wilsberg – Ein Detektiv und Gentleman“, Sa., 20.15 Uhr, ZDF und in der Mediathek
Und darum geht es: Ein Taxifahrer wird erschossen. Just als John Cross auftaucht, der sich als Historiker ausgibt. Er war einst als Soldat in Münster stationiert. Die alten Kasernen von damals sollen nun abgerissen werden und an ihrer Stelle ein neuer Wohnpark entstehen. Und voilà: das ist der Fundort der Leiche. Schöner Schachzug auch: mit der Baugeschichte spielt die sich verändernde Stadt eine Rolle.
Entschleunigte Erzählweise
Fortan werden verschiedenste Versatzstücke zu einem durchaus kompliziert angelegten Plot verrührt. Der reicht von auf der Baustelle geklauten Pflastersteinen (ein sich durchziehender Kalauer, für den Ekki, der Steuerprüfer beim Finanzamt, samt Chef zuständig ist) über eine familiäre Tragödie und am Ende sogar die IRA. Und auch ein Hörgerät spielt eine kleine, am Ende entscheidende Rolle … Ja, es gilt aufzupassen, um folgen zu können. Die entschleunigte Erzählweise aber kommt dem zupass.
Ach so, Bielefeld: In jeder Folge wird mindestens einmal die Stadt erwähnt, meist in einem vermeintlich launigen Zusammenhang. Aber auch diese 80. Bielefeld-Erwähnung ist alles andere als lustig. Und es gibt noch mehr solch witzig oder amüsant gemeinter Momente wie in jedem „Wilsberg“. Aber schauen Sie wie immer selbst. Vertrauen Sie keiner Rezension! Weil: Alles ist Geschmackssache. Gerade beim Krimi.
Fakt aber ist: Die „Wilsberg“-Reihe zu entstauben wäre dringend geraten, Geschmack hin oder her. Damit wir auch den 100. Fall erleben.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Historiker Traverso über den 7. Oktober
„Ich bin von Deutschland sehr enttäuscht“
Deutsche Konjunkturflaute
Schwarze Nullkommanull
Schäden durch Böller
Versicherer rechnen mit 1.000 Pkw-Bränden zum Jahreswechsel
Elon Musk greift Wikipedia an
Zu viel der Fakten
Ende der scheinheiligen Zeit
Hilfe, es weihnachtete zu sehr
Grünen-Abgeordneter über seinen Rückzug
„Jede Lockerheit ist verloren, und das ist ein Problem“