piwik no script img

75 Jahre NatoParty mit Dämpfer

Tanja Tricarico
Kommentar von Tanja Tricarico

Das transatlantische Militärbündnis geht bei seinem Jubiläum durch eine schwierige Phase. Viel hängt an Deutschland – und am Wahlausgang in den USA.

Ein Kampfflugzeug der Bundeswehr bei einer Luftwaffenübung der Nato im Juni Foto: Björn Trotzki/imago

E s sollte die größte Party aller Zeiten in Washington werden. Die Nato feiert sich, ihre Stärke und Solidarität mit der Ukraine, als Bollwerk gegen Aggressoren und Diktatoren aller Art. Schließlich – so heißt es im Nato-Sprech – habe man schon 75 Jahre Frieden zwischen den Mitgliedstaaten geschaffen. Weggewischt ist die provokative Bemerkung des französischen Präsidenten Emmanuel Macron von 2019, mit der er dem Militärbündnis den Status „hirntot“ verlieh.

Zynisch, aber wahr – die russische Invasion in der Ukraine kann getrost als Booster für das Militärbündnis bezeichnet werden. Die Rekordwerte an Verteidigungsausgaben der Verbündeten, die Noch-Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg vor wenigen Wochen vermelden konnte, zeigten die Bereitschaft der Mitglieder, in die landeseigene Rüstung zu investieren.

Es war US-Präsident Joe Biden, der gleich zu Kriegsbeginn in der Ukraine 2022 die Fäden in der Hand hielt – und der Nato recht schnell seine fast bedingungslose Unterstützung zusagte. Nun sind rund zweieinhalb Jahre vergangen, und die Solidarität scheint zu bröckeln. Frankreich ist kein Garant mehr für Stabilität nach den ad hoc anberaumten Parlamentswahlen. Rechtspopulistische Regierungen machen keinen Hehl mehr aus ihrer Putin-Nähe. Aber der größte Unsicherheitsfaktor sind unterdessen die USA selbst.

Wenn im November Donald Trump erneut zum US-Präsidenten gewählt wird, könnte sich das Militärbündnis entscheidend verändern. Trump hat mehrfach gepoltert, dass die Beistandsklausel nach Artikel 5 für ihn nicht bedingungslos gilt. Die europäischen Staaten müssten sich doch bitte mehr anstrengen bei den Verteidigungsausgaben. Wenn nicht, würden die USA den angegriffenen Staaten nicht zu Hilfe eilen.

Die Sorge, dass es nicht beim Poltern bleibt, ist real. Die Welt blickt auf Washington in diesen Tagen und den schwächelnden US-Präsidenten Joe Biden. Nach vermasselten öffentlichen Auftritten mehren sich Zweifel an seiner Belastbarkeit. Und die braucht der Präsident einer Kriegsmacht, die sich entschieden gegen Diktatoren wie Putin stellen will. Wenn in einer Trump-Administration der Stabilitätsanker USA wegfällt, ist das Bündnis dann gewappnet?

Viel Hoffnung liegt auf Deutschland. Die Erwartungen an Kanzler Olaf Scholz sind enorm hoch, wenn er in diesen Tagen in Washington aufschlägt – zählt doch Deutschland nach den USA zu den zweitgrößten Rüstungsgebern an die Ukraine. Und die Nato setzt darauf, dass künftig im hessischen Wiesbaden Waffenlieferungen und Ausbildung ukrainischer Streitkräfte koordiniert werden.

Zwar hat die Bundesregierung das Zweiprozentziel der Nato für Verteidigungsausgaben gemessen am Brutto­inlandsprodukt aktuell erreicht. Aber ob dies in den kommenden Jahren zuverlässig anhält, ist fraglich. Aufrüstung kostet. So bekommt die Party ordentliche Dämpfer, bevor sie überhaupt losgeht.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Tanja Tricarico
wochentaz
Schreibt seit 2016 für die taz. Themen: Außen- und Sicherheitspolitik, Entwicklungszusammenarbeit, früher auch Digitalisierung. Leitet derzeit das Politik-Team der wochentaz. Privat im Einsatz für www.geschichte-hat-zukunft.org
Mehr zum Thema

8 Kommentare

 / 
  • Gut das mein Großeltern nicht mit erleben müssen wie Deutschland wieder in einen Krieg gezogen wird und sich dabei verhält als hätten wir Wiener Würstchen statt Gehirnen und Spagetti statt nem Rückgrat.

    Eines weiß ich sicher, von unserer Generation wird keiner wieder aufbauen was dann in Trümmern liegt.



    Das is viel zu viel Arbeit ... *hust

    • @Thomas O´Connolly:

      Na ja, einen entscheidenden Unterschied zu damals gibt es. Diesmal sind es nicht die Deutschen die den Krieg nach Europa tragen, sondern das Putin Regime. Die Ukraine hat auch auf deutsches Drängen hin die Atomwaffen aufgegeben, gegen ein Friedensversprechen von Russland.

      www.swr.de/swrkult...n-nato-os-100.html

      Jetzt Russland die Ukraine ungehindert mit Krieg überziehen zu lassen hieße nicht nur in der jüngeren Geschichte Weltkriege vom Zaun gebrochen zu haben, sondern ebenfalls, oppurtunistisch zu handeln und kein verlässlicher Partner in Belangen der globalen Sicherheitspolitik zu sein.

  • Laufen da in Berlin tatsächlich noch Strategen herum, die glauben, man könne sich Deutschland wieder schlank und gelenkig unter die 2% Marke schleichen? Völlig egal wer in den USA gewinnt. Putin verschwindet nicht, s



    Ein etwaiger Nachfolger ist nicht wesentlich vertrauenswürdiger. Undes müssen Vorräte angelegt werden Munition, Waffen Ausrüstung, Medikamente. Cyberschutz kostet. Es braucht wieder mehr Kasernen. Produktionsanlagen müssen in Europa hingestellt werden. Wehrlogistik braucht Hardware.



    Ich sehe da eher 3 bis 4%. Andere (Polen) können das auch. Wer da mit "Ja, aber...." antwortet hat den Schuß immer noch nicht gehört.

  • Grade gibt es auch einen guten Artikel im Guardian zu CO2 Klimaverschmutzung durch die Nato „Nato’s 2023 military spending produced about 233m metric tonnes of CO2“ in ökologisch unsicheren Zeiten nützt militärische Sicherheit nichts.. es sollte also wesentlich um Kollaboration und Zusammenarbeit gehen statt Militarismus, aber die Waffen produzieren Firmen machen gerade immense Gewinne, die sie sich nicht wegnehmen bzw kürzen lassen werden.

  • Ich bin jetzt alles andere als ein Trump Fan. Aber wenn 2% vereinbart wurden, sollte man auch diese erfüllen. Gerade jetzt, wo Putin eine neue Bedrohungslage in Europa geschaffen hat. Dies erklärt auch, warum gerade die baltischen Staaten dieses Ziel schon seit Jahren erfüllen.

    de.statista.com/st...t-der-natostaaten/

    Diese sind als erstes betroffen, sollte Putin in der Ukraine Siegen und seiner Phantasie von Großrussland weiter entgegenstreben.

    www.fr.de/politik/...tung-92509678.html

    • @Pawelko:

      Die baltischen Staaten grenzen nicht nur an und haben nennenswerte russischstämmige Bevölkerungen, sie sind auch sehr kleine Volkswirtschaften, mit kleinen Streitkräften. Die im Prinzip noch dazu komplett neu aufgebaut werden mussten. Dieser Vergleich ist nicht zielführend, noch hätten sie dafür NATO-Vorgaben gebraucht, die eigentlich informelle Abmachungen sind und als grobe Ziele aufgefasst wurden. Ohne das Bündnis oder ihre Mitgliedschaft würden sie da heute 10 % aufwenden, einfach weil sie es müssten. Diese Situation teilen zum Glück nicht viele Länder. Aber alle könnten sich einig sein und viele waren es immer, dass 2% des variablen BIP kein hilfreicher Parameter ist. Trump ficht das nicht an, weil ihn die Hintergründe schlicht nicht interessieren, das Militär schon erst recht nicht, da geht es einfach um Fairness. Das muss man schon berücksichtigen, aber anderweitig sinnvoll ist es dadurch noch nicht. Besser wäre es personelle und materielle Sollvorgaben zu vereinbaren, würde zumal berücksichtigen, wer schon näher dran ist. Noch besser wäre die Zuteilung konkreter Fähigkeiten, so könnten sich Länder spezialiseren und man kann Redundanzen vermeiden. Und richtig Geld sparen.

      • @Tanz in den Mai:

        Das sind wirklich interessante Vorschläge die sie da machen. Zumal die angrenzenden Länder die Infrastruktur liefern könnten, und die übrigen Länder die "Manpower". Beim Thema "Spezialisierung" sehe ich allerdings ein großes Hindernis. Vertrauen. Ich kann jetzt nur aus meiner persönlichen Bubble berichten, aber viele Esten, Litauer oder Polen zweifeln tatsächlich, dass das Bündnis bestand hätte wenn es ernst werden sollte. Dies wird zum Beispiel in diesem Artikel ebenfalls angedeutet

        www.deutschlandfun...efaehrdete-laender

        Man kann festhalten, dass die Nato ohne die USA seinen mit Abstand schlagkräftigsten Verbündeten verliert. Den Wunsch, dass die europäischen Länder mehr in die eigene Sicherheit investieren ist aus amerikanischer Sicht ebenfalls nachvollziehbar.

    • @Pawelko:

      Das ist wahr. Obama hatte auch vergeblich versucht, Europa zur Einhaltung seiner Verpflichtungen zu bewegen. Gehörte zum Teil des Changes, den er nicht vollbracht hat