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40 Jahre taz: Vom Umgang mit RessourcenNullwachstum? Nein, danke

Die Bevölkerung wächst, die Ressourcen schwinden – ein wirtschaftliches Problem. Einige sagen, Degrowth sei die Lösung, doch das ist falsch.

Insekten essen gegen den Hunger der wachsenden Weltbevölkerung Foto: dpa

Nach einer Prognose der UNO wächst die Weltbevölkerung in den nächsten 40 Jahren von jetzt sieben auf über zehn Milliarden Menschen. Wie können so viel Leute ernährt werden, woher kommt die Energie für Mobilität, Wärme oder Kälte – und wie wirkt sich das auf das Klima aus?

Die meisten Ökonomen sehen den Ausweg in mehr Wachstum und dem effizienteren Einsatz von Ressourcen. Wenige andere warnen vor einem ungebremsten Wachstum, nur Verzicht könne die Welt im Lot halten. Der Ökonom Niko Paech ist einer von ihnen. Die Gesellschaft möge sich von „übervollen Lebensstilen befreien“, man brauche eine andere Balance zwischen Selbst- und Fremdversorgung und man müsse sich auf eine „Regionalökonomie“ rückbesinnen, sagt er.

Aber hilft das gegen die globale Misere? Schon heute preist jeder Supermarkt – zumindest bei uns – Produkte aus der Region an. Längst haben wir uns aber daran gewöhnt, dass es zu jeder Jahreszeit praktisch alle Früchte gibt, Erdbeeren an Weihnachten, oder Äpfel aus Chile, Kiwis aus Neuseeland, die eingeflogen worden sind. Das kostet Treibstoff, doch die Lagerung von Obst in riesigen Kühlhäusern im Alten Land bei Hamburg frisst ebenso Energie. Manch einer sagt, sogar mehr.

Betrachten wir den ökologischen Fußabdruck von uns Mitteleuropäern: Gegen Flugreisen über mittel- und lange Strecken und den der ausgeprägte Individualverkehr werden auch Carsharing und E-Mobilität nicht viel helfen. Bleibt einzig der Verzicht, die Entsagung, Laufen oder das Fahrrad.

40 Jahre taz

Am 27. September 1978 erschien die erste sogenannte Nullnummer der taz. Es gab noch keine tägliche Ausgabe, aber einen kleinen Vorgeschmack auf das, was die Abonnent*innen der ersten Stunde von der „Tageszeitung“ erwarten können. Die erste Nullnummer können Sie sich

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In Erinnerung an die allererste taz-Ausgabe haben die taz-Gründer*innen am 26. September das Ruder übernommen und die Printausgabe der taz vom 27. September 2018 produziert. Dieser Text stammt aus unserer Gründer*innen-Sonderausgabe.

Wir leben auf hohem Niveau

Mit dem Verzicht ist es aber so eine Sache. Bei uns wäre das vielleicht denkbar, wir leben auf hohem Niveau. Wie aber sieht es auf anderen Kontinenten aus? Hier leben Menschen in bitterer Armut, darben und hungern, haben oft nicht einmal das Nötigste. Will hier jemand in allem Ernst den Leuten sagen, weniger ist mehr, haltet euch mal zurück?

Und auch bei uns stellt sich beim Entsagen die soziale Frage. Hier ein paar Fakten: Nach Angaben des Bundesamts für Statistik hatte 2016 jeder Siebte zwischen 15 und 64 Jahren keinen richtigen Job, sondern ging einer atypischen Beschäftigung nach, also Zeit- oder Leiharbeit, befristete und/oder geringfügig Beschäftigung.

Interessant dabei ist, dass ihr Anteil an allen Beschäftigten über die Jahre relativ konstant geblieben ist. Sie verdienen längst nicht so viel, dass sie auch noch verzichten könnten. Die Armutsgefährdungsgrenze lag 2015 bei 12.400 Euro im Jahr. Die Armutsquote bei 16,7 Prozent der Bevölkerung, mit steigender Tendenz. Wachstum ist der Motor der kapitalistischen Wirtschaft. Auf Wachstum zu verzichten ist in diesem System ein Widerspruch in sich, Kapitalismus funktioniert nicht ohne Wachstum.

Sich an Karl Marx erinnern

Da schlägt doch der Politologe und Degrowth-Anhänger Ulrich Brand in der taz ernsthaft vor: „Große Unternehmen wie Siemens oder Daimler müssen gesellschaftlich gesteuert werden. Private Investitionen müssten in einem längeren Prozess über ein paar Jahre gestoppt und diese Unternehmen in öffentlichen Besitz überführt werden.“ „Enteignet“ sagt er nicht, sondern er will die „Macht der Aktionäre stoppen“. Wie er sich das vorstellt, das erwähnt er lieber nicht.

Man muss sich bei diesen steilen Thesen Karl Marx in Erinnerung rufen: Jeder Kapitalist versucht, den Konkurrenten zu übertrumpfen, besser zu sein und so einen Extraprofit zu erwirtschaften. Die anderen versuchen dann, den Vorsprung einzuholen und auszugleichen, der Nächste findet durch Innovation wieder eine Möglichkeit des Extraprofits – und so dreht sich die Spirale unaufhaltsam weiter. Dies zu durchbrechen würde die Abkehr vom privaten zum gesellschaftlichen Eigentum und zur Planwirtschaft bedeuten – und davon haben wir aufgrund der historischen Erfahrungen die Nase voll.

Natürlich sind Rohstoffe und Ressourcen endlich. Das Ende der fossilen Brennstoffe naht, die Energiewende ist eingeläutet. Verzichten, wie es die Degrowth-Anhänger nahelegen, ist keine Lösung. Eher helfen ein effizienter Einsatz von Ressourcen, die Entwicklung anderer Produktionsverfahren, die Entdeckung neuer Rohstoffe – in der Ernährung zum Beispiel Algen und Insekten –, um den Schwund auszugleichen. Es kommt nicht darauf an, das Wachstum umzukehren, sondern es durch staatliche oder gesellschaftliche Interventionen zu steuern, damit das „Richtige“ wächst.

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14 Kommentare

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  • Das einzige, was den Planeten retten könnte, wäre ein Degrowth der Menschheit selbst.

    • @Thomas Friedrich:

      Sorry, aber das ist ziemlicher Bullshit. Das kann man nur behaupten wenn man davon ueberzeugt ist, dass wir unser Miteinander und unser Verhalten nicht aendern koennen. Da fehlt die Fantasie und der Mut zur Veraenderung.

  • Der Verzicht auf Konsum geht bei der Degrowth-Bewegung i.d.R. mit einer gleichzeitigen Steigerung der Lebensqualität einher. Lieber Herr Zügel: bevor sie wieder etwas veröffentlichen: bitte erstmal gründlich recherchieren. Sonst kann man auf die taz demnächst verzichten...

  • Wir (sieh unten mehrere Kommentaren) wollen eine TAZ mit NIVEAU, d. h. begründete, informierte, Berichte oder Stellungsnahmen. Stammtischredner und Gemeinplätzer bitte weiterbilden oder im persönlichem Blog lassen.

  • 6G
    61321 (Profil gelöscht)

    Das hier zu lesen ist sehr schlimm

  • Wenn wir annehmen, dass der Kapitalismus grundsätzlich wachsen muss, um weiter existieren zu können, wird eine sparsamere Nutzung von Ressourcen keine dauerhafte Problemlösung darstellen. Sie kann Zeit verschaffen für gesellschaftlichen Umbau, wird aber trotzdem dazu führen, dass das Wirtschaftssystem - etwas später - an die ökologischen Grenzen unseres Planeten stößt.



    Die ausschließliche Nutzung regenerativer Ressourcen klingt auf den ersten Blick wie eine ausreichende Lösung, ist es aber nicht innerhalb eines unter Wachstumszwang stehenden Systems. Regenerative Ressourcen sind nämlich auch endlich, und zwar dann, wenn ihre Kapazitätsgrenze überschritten ist, sie also übernutzt werden. Dann erodiert das Ökosystem, auf dem sie basieren, und wird unproduktiver, wie etwa ein Acker, dessen Boden überbeansprucht und dadurch unfruchtbar wird. Ein unter Wachstumszwang stehendes Wirtschaftssystem übernutzt zwangsläufig irgendwann begrenzte Ressourcen, auch regenerative. Weder die sparsamere Nutzung von nicht-regenerativer noch die zunehmende Nutzung regenerativer Rohstoffe löst also das Problem, das für die Umwelt und die Gesellschaft mit ihrem Wirtschaftssystem entsteht, wenn die Produktivität die Kapazität lokaler oder globaler Ökosysteme überschreitet. Die Entstehung eines wachstumsunabhängigen Wirtschaftssystems ist also nötig.

  • Etwas enttäuschend einen, wie andere Kommentatoren es schon festgestellt haben, so oberflächlichen Kommentar bei der TAZ abgedruckt zu sehen...

    Tatsächlich gibt es Punkte an der Degrowth Bewegung / Sicht die man kritisieren kann. Davon wird aber im Kommentar hier keiner ernsthaft angerissen.



    Eins der grössten Probleme an der Degrowth Bewegung ist wohl die Bezeichnung - die Menschen die sich nicht darüber informieren zu solchen Fehlschlüssen wie denen des Autors verleitet.

    Aus meiner Sicht ist die andere große Schwäche die, dass "soziale Gerechtigkeit" eher als Nachgedanke, und nicht vornan gestellt wird. Der Autor hat hier die umgekehrte Sicht, und sieht den Ansatz, von profitmaximierendem Wirtschaften wegkommen zu wollen als Ding der Unmöglichkeit:



    " Dies zu durchbrechen würde die Abkehr vom privaten zum gesellschaftlichen Eigentum und zur Planwirtschaft bedeuten". Es gibt allerdings in der Geschichte des Sozialismus mehr als nur die Sowjetunion und Mao's China (und genügend Argumente diese beide gar nicht erst als sozialistisch zu betrachten): Siehe z.B. die spanischen Anarchisten im Spanischen Bürgerkrieg -- de.wikipedia.org/w...Soziale_Revolution ). Siehe auch www.opendemocracy....conomics-of-labour für eine modernen Ansatz der nichts mit Planwirtschaft zu tun zu hat.

    Als "Anhang" noch eine kurze Liste mit fehlerhaften Argumentationen (die lange Liste ist der Kommentar selbst...)



    * Wachstum in Ländern mit geringerem Einkommen - hier wird sehr wohl davon ausgegangen, dass eine bessere materielle Versorgung (und Produktion) erreicht werden muss (also von der Degrowth Bewegung). Allerdings ohne das dabei die gleiche Verschwendung/Umweltzerstörung in Kauf genommen wird, wie es hier üblich ist.



    * Im Hinblick auf Flüge gebe es nur den Verzicht - dann weisst der Autor aber auf diejenigen, die sich Flüge schon gar nicht leisten können, und meint Sie könnten ja nicht auch noch verzichten (hä?).

    • @FreieMenschen:

      "Etwas enttäuschend einen, wie andere Kommentatoren es schon festgestellt haben, so oberflächlichen Kommentar bei der TAZ abgedruckt zu sehen..."

      Ja, und zur Liste der hier unten gegebenen Einwände ist einzufügen, dass die Begriffsbestimmung vom "Wachstum" höchst fraglich ist, auch von nicht unbedeutenden Wirtschaftsexperten in Frage gestellt, insofern sie vom Begriff Bruttoinlandsprodukt und Messen von Geldwerten abhängt und dabei viele Dimensionen der Wirtschaft und fast alle Externe Effekte unbeachtet lässt. Daher zur Zeit verschiedene Bemühungen, um alternative zu entwickeln, die das Erfassen dieser Dimensionen wie Zustand der sozialstaatlichen Sicherungssysteme, sozialen Frieden, Umweltqualität, Wohlstand. Der Redakteur hat keine Ahung davon. Bevor man über Nullwachstum urteilt, wäre es nötig, den Wachstumbegriff selbst zu erörtern. In der TAZ sind zu oft und zu viele schwache, uninformierte Berichte wie diese zu lesen, die keine Überlegung zeigen. Blosse persönliche Meinungen. Gestern gab's diese pauschaliesierende herabsetzende Rede über "Ossies". .

      • @Eulenspiegel:

        Korrektur:



        Daher zur Zeit verschiedene Bemühungen, um alternative zu entwickeln, die das Erfassen dieser Dimensionen wie Zustand der sozialstaatlichen Sicherungssysteme, sozialen Frieden, Umweltqualität, Wohlstand in Betracht nähmen.

  • Meinungspluralismus schön und gut, aber muss er in letzter Konsequenz in der taz stattfinden? Wenn ich WELT Online lesen will, kann ich das ja tun.

    Das Argument, dass die Kühlung konsument*innennah angebauter Äpfel (die nicht einmal erforderlich ist) ebensoviel oder mehr fossile Energie verbrauche und CO2 freisetze wie der Transport von Neuseeland nach Europa, könnte Herr Zügel ruhig durch Zahlen belegen. Und mit der Panikmache vor Abschaffung des Privateigentums und Planwirtschaft finden wir uns endgültig bei den Axel-Springer-Kommunistenfressern wieder. Gute Güte, Global Player betreiben intern (inklusive Zulieferer/Wertschöpfungskette) "Planwitschaft" in einem Umfang, gegen das die DDR ein ökonomisches Sandkastenspiel war, und dank heutiger IT ist das auch machbar, wie jeden Tag bewiesen wird. Nichts wird produziert, wenn der Absatz nicht schon vorher durch Marktforschung gesichert wurde, und das globale Netzwerk der Just-in-Time-Produktion hat mit Markt nur bei der Aushandlung neuer Lieferantenverträge etwas zu tun.



    Die Frage lautet nicht primär "Kapitalismus oder Sozialismus", sondern wie man Konsumfreiheit und Konsument*innensouveränität mit Ökologie und Beseitigung der globalen Armut mitten im Wohlstand verbindet. Das stellt die Frage der Macht der Zivilgesellschaft gegenüberüber Renditezwängen, den Mut zu globalen Gesetzen über Arbeitnehmer*innenrechte, Tierschutz und Ökologie.

    Die doofe alte Platte "weiter so oder DDR" knistert und kratzt da doch arg.

  • Ja, Manu - wie oberflächlich!



    natürlich wird´s und muss es Unterschiede zwischen West - Süd und Ost geben - siehe Nica Paech.



    Aber wir (wer TAZ liest, ist überwiegend save und lebt, geniesst den Überfluss) müssen Verzicht lernen. und nochwas irritierendes, Herr Zügel: endliche Recourcen sparen, andere endliche Recourcen anzampft, verschiebt doch höchstens in unsere Enkelgeneration - grundsätzlich Umdenken, nicht immer nur auf Politik und Vorgaben/Gesetze ect warten.... Utopie? ja, Träume gegen Konsumterror



    Heinz

  • Der Artikel behauptet viel und belegt nichts davon.



    "Verzichten, wie es die Degrowth-Anhänger nahelegen, ist keine Lösung."



    Warum nicht? Es geht nicht darum, dass im globalen Süden niemand autofahren soll - das zu behaupten zeugt bestenfalls von schlechter Themenkenntnis des Autors, schlimmstenfalls von mutwilliger Verzerrung. Es geht darum, dass wir, die wir im Reichtum leben, uns nicht jedes Jahr das neueste Smartphone leisten müssen. Dass wir uns nicht jeden Tag saftiges Beef ins Maul schieben müssen. Endloses Wachstum ist auf einem endlichen Planeten nicht möglich, kann nicht möglich sein. Die Frage ist lediglich, wann es soweit ist - und ob wir diesen Punkt erkennen.

    Change will come - by design or by desaster.

  • Auch wenn man Ressourcen effizient (wieviel soll es denn sein? Wo ist ein Kilo Stahl am effizientesten eingesetzt? In der Milchzentrifuge oder als Bauteil einer Drehmaschine?) einsetzt, sind sie irgendwann alle. Es gibt auch noch Jevons-Paradoxon: je effizienter, desto mehr. Ein Led-Licht braucht wenig Energie, nur hat man jetzt 10 davon.

  • Was für ein oberflächlicher Artikel. Wenn der Autor sich mal ein bisschen mit Degrowth oder Niko Paechs Postwachstumsökonomoie bschäftigt hätte, wüsste er, dass dort nicht gefordert wird, dass Länder des globalen Südens nicht weiter ökonomisch wachsen sollten. Es geht darum, dass die Industrienationen, die für einen Großteil von Treibhausgas-Emmisionen und Umweltzerstörung verantwortlich sind die Wirtschaft soweit herunterfahren, dass Klima und Umwelt geschont werden und gleichzeitig Ländern des globalen Südens die Chance gegeben wird die Wirtschaft bis auf ein bestimmtes Niveau wachsen zu lassen.

    Auch die soziale Frage spielt bei Degrowth eine Rolle... möchte jetzt gar nicht weiter darauf eingehen... Bei Interesse einfach mal einlesen (z.B. "Befreiung vom Überfluss" von Niko Paech)

    Bei dem Artikel hab ich den Eindruck, dass der Autor sich überhaupt nicht mit Degrowth auseinandergesetzt hat. Außerdem werden die Behauptungen (Es muss Wachstum geben, es muss nur gelenkt werden) einfach aufgestellt und nicht begründet. Scheint mir eher so, dass der Autor nicht gerne verzichtet.