25. Staatsjubiläum der Ukraine: Unabhängig – aber nicht friedlich
Die Ukraine hat ihre Loslösung von der Sowjetunion mit einer großen Militärparade gefeiert. Doch die Freude ist gedämpft.
4.000 Soldaten, Panzer und Raketen hat die Regierung zu dieser Parade aufgeboten. Unter den Besuchern ist viel Prominenz: Dazu zählen die drei früheren Staatsoberhäupter des Landes, christliche und muslimische Würdenträger.
„Ich bin gegen die Parade“, meinte ein Arbeiter wütend. Er sei nur seiner Frau zuliebe hergekommen. „Es gibt nichts, was wir heute zu feiern haben. Hier lassen sich nur Politiker und Militärs feiern.“
Pünktlich um 10 Uhr trifft Präsident Petro Poroschenko mit seinem Wagen auf der menschenleeren Straße ein. Zuvor hat er mit anderen Vertretern von Staat und Politik am Denkmal des ukrainischen Nationaldichters Taras Schewtschenko Blumen abgelegt. Nach einem Rapport von Verteidigungsminister Stepan Poltorak nimmt er seinen Platz am Rednerpult mitten auf dem Maidan und in unmittelbarer Nähe des polnischen Staatspräsidenten Andrzej Duda ein.
Poroschenko beschwört in seiner Rede an die anwesenden Soldaten und Gäste immer wieder Patriotismus, Vaterland und die russische Aggression. Er ruft zu einer Schweigeminute für die Opfer der mutigen Kämpfer der Anti-Terror-Operation auf, die der russischen Aggression zum Opfer gefallen seien. Die Ukraine habe sich für einen Weg nach Europa entschieden, und dieser Weg, so der Präsident, sei unumkehrbar.
Im Osten der Ukraine bleibt es sehr gefährlich
Mit ihrer Unabhängigkeit habe die Ukraine Freiheit und Demokratie erlangt. Sie habe sich gelöst vom sowjetischen Denken. „Wir haben den Mut gehabt, uns konsequent von der Vergangenheit zu lösen“, so Poroschenko über die Anfangszeit der ukrainischen Unabhängigkeit in den 90er Jahren. Man sei es leid gewesen, immer nach Moskau blicken zu müssen, an den Mythos glauben zu müssen, dass man Brüder sei.
Aus dieser Starre habe sich die Ukraine gelöst, erklärt der Präsident weiter. Die Ukraine habe eine europäische Perspektive, heute gebe es eine echte Mittelklasse in der Gesellschaft. Und die Garantie dafür, dass das Land seinen Weg gehen könne, seien die ukrainischen Streitkräfte. „Ruhm den Streitkräften – Ruhm dem ukrainischen Volk – Ruhm der Ukraine“, ruft er der Menge zu.
„Ich sehe diese Feierlichkeiten und das viele Kriegsgerät mit großer Besorgnis“, sagt eine Bewohnerin des – seit 2014 von Separatisten gehaltenen – Lugansk im Osten der Ukraine. Insbesondere Flugzeuge und Hubschrauber, die im Rahmen der Unabhängigkeitsfeierlichkeiten zu sehen gewesen seien, beunruhigten sie, so Inna aus Lugansk. Zu gut noch könne sie sich an die Luftangriffe auf ihre Stadt im Sommer 2014 erinnern.
Die Berichte der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) in den letzten Tagen und Wochen sprechen eine deutliche Sprache dazu, wie gefährlich die Situation in den von Separatisten gehaltenen Bezirken im östlichsten Teil der Ukraine weiterhin ist. Täglich ist von mehreren hundert Explosionen in Donezk die Rede. Mitunter stellt die OSZE hier an einem Tag über 500 Explosionen fest.
Der amtierende OSZE-Vorsitzende und deutsche Außenminister Walter Steinmeier hat für den 1. September ein weiteres Treffen der Außenminister der OSZE in Potsdam angekündigt. Dort solle über eine Lösung des Ukraine-Konflikts gesprochen werden, melden ukrainische Medien. Im Rahmen der Unabhängigkeitsfeierlichkeiten ist nun immer wieder die Rede von der Revolution auf dem Maidan-Platz Anfang 2014.
Was in der Ukraine passiert sei, sei einzigartig im gesamten Raum der früheren UdSSR, erklärt an diesem Unabhängigkeits-Feiertag die Maidan-Aktivistin Lidia der taz. Sie könne sich erinnern, wie furchtsam ihre Eltern gegenüber Beamten und Politikern gewesen seien. „Der Maidan hat uns diese Furcht genommen“, so die Fotografin.
Ihr 45-jähriger Kollege Vsevolod, Besitzer eines Fotogeschäfts, kann den jüngsten Entwicklungen wenig abgewinnen. Er leidet an einer Nierenerkrankung, muss jede Woche zweimal zur Dialyse und weiß nicht, wie er das bezahlen soll. „So schlecht wie jetzt ist es uns noch nie gegangen“, sagt er. Die Sozialleistungen würden immer mehr gekürzt. „Sehen Sie sich mein Geschäft an. Keine Kunden. In dieser wirtschaftlichen Situation haben die Leute kein Geld für Kameras.“
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