2,4 Milliarden Euro Dividenden: VW wegen Ausschüttung in der Kritik
Die Hauptversammlung will milliardenschwere Dividenden genehmigen. Der Vergleich mit Managern aus Zeiten des Dieselbetrugs könnte dagegen platzen.
Vorstand und Aufsichtsrat von VW schlagen der Hauptversammlung für das Geschäftsjahr 2020 eine Dividende in Höhe von 4,80 Euro je Stammaktie und 4,86 Euro je Vorzugsaktie vor, das ist die gleiche Höhe wie im Vorjahr – eine Gesamtsumme von 2,4 Milliarden Euro. Es ist davon auszugehen, dass dieser Antrag angenommen und über den der Kritischen Aktionär:innen gar nicht abgestimmt wird.
VW gehört zu den weltweit führenden E-Autoherstellern. In Deutschland wird der Kauf eines Elektroautos mit bis zu 6.000 Euro vom Staat gefördert. Die in der Coronakrise – und aufgrund des aktuellen Chipmangels in der Autoindustrie – vielfach angeordnete Kurzarbeit wird mittlerweile nicht mehr nur über die Arbeitslosenversicherung, sondern auch über Steuergelder finanziert.
Aus diesen Gründen sei die Dividendenausschüttung falsch, sagt Jens Hilgenberg, Leiter Verkehrspolitik beim BUND und Mitglied im Vorstand des Dachverbands Kritischer Aktionär:innen. „Volkswagen muss dieses Geld in den Konzernumbau und die Qualifizierung der Belegschaft investieren“, fordert er.
Umbau geht nicht weit genug
VW weist die Forderung mit dem Hinweis zurück, keinerlei staatliche Unterstützung erhalten zu haben. Das Kurzarbeitergeld sei eine Leistung der Arbeitslosenversicherung, in die VW und die Beschäftigten Milliarden eingezahlt hätten, so ein Sprecher. „Ein großer Teil der Dividende geht an institutionelle Anleger. Darunter sind Pensionsfonds, die der Altersversorgung von Privatpersonen dienen.“ VW will bis 2025 rund 35 Milliarden Euro für die Elektromobilität ausgeben
In der vergangenen Woche hatte Konzernchef Herbert Diess neue Pläne für den zügigen Umbau des Konzerns vorgestellt, der künftig viel Geld mit computergestützten Dienstleistungen und dem autonomen Fahren verdienen möchte. Bis 2030 will der Autobauer den CO2-Abdruck seiner Fahrzeuge über den gesamten Lebenszyklus um ein Drittel senken. Dann soll die Hälfte der Flotte aus E-Autos bestehen.
„Der Umbau muss weiter gehen, als VW angekündigt hat“, fordert Hilgenberg. Der Konzern dürfe nicht auf immer größere Wagen und SUVs setzen. „Ein großes E-Auto mit 1.000 Kilometer Reichweite ist eine enormer Energie- und Rohstofffresser.“ VW müsse sich auf kleine Autos und Fahrzeuge für den öffentlichen Nahverkehr konzentrieren und mehr Anlagen für erneuerbare Energien aufbauen, damit der Autobau nachhaltig erfolge.
Weitere Aktionäre verstimmt
Auch die Fondsgesellschaft Union Investment ist unzufrieden mit der VW-Führung und wird den Aufsichtsrat nicht entlasten. „Leider hat Volkswagen seine Lektion aus dem Dieselskandal nur halb gelernt“, so Union-Investment-Vertreter Janne Werning in einem vorab verbreiteten Statement zur Hauptversammlung. Bei grüner Mobilität nehme VW eine globale Vorreiterstellung ein. Aber die Unternehmensführung sei nach wie vor „die Achillesferse des Konzerns“.
Der Betrugsskandal um manipulierte Abgasvorrichtungen von Diesel-Fahrzeugen wird die Hauptversammlung am Donnerstag nochmals beschäftigen. Die Aktionär:innen sollen einem Vergleich zustimmen, den VW mit Ex-Managern wie Martin Winterkorn und ihren Berufshaftpflichtversicherern schließen will. Wird dieser Vergleich rechtsgültig, kann VW an die Manager keine Forderungen mehr stellen. Der Skandal hat VW bislang rund 32 Milliarden Euro für Entschädigungen, Rechtsaufwendungen und Strafen gekostet. Der Vergleich sieht eine Zahlung von 288 Millionen Euro vor. Davon kämen 270 Millionen Euro von den Versicherern, 18 Millionen von den Managern. Für Winterkorn würde das bedeuten, dass er sich mit einer Zahlung von 11,2 Millionen Euro aller Forderungen entledigen könnte – sein letztes Jahreseinkommen bei VW betrug 16 Millionen Euro, seine Altersvorsorge hat einen Wert von nahezu 29 Millionen Euro.
Die Vereinbarung platzt, wenn 10 Prozent der Vorzugsaktien-Eigner:innen dagegenstimmen. Nach Informationen des Handelsblatts gibt es einflussreiche Aktionär:innen, die das planen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Müntefering und die K-Frage bei der SPD
Pistorius statt Scholz!
Kampf gegen die Klimakrise
Eine Hoffnung, die nicht glitzert
Krieg in der Ukraine
Biden erlaubt Raketenangriffe mit größerer Reichweite
Haldenwang über Wechsel in die Politik
„Ich habe mir nichts vorzuwerfen“
Rentner beleidigt Habeck
Beleidigung hat Grenzen
Zweite Woche der UN-Klimakonferenz
Habeck wirbt für den weltweiten Ausbau des Emissionshandels