20. Tag Kongo-Kriegsverbrecherprozess: "Ich muss von hier weg"

Im Kongo besiegt, in Deutschland verfolgt: FDLR-Präsident Murwanashyaka war im März/April 2009 scheinbar am Ende. Er wollte "in den Wald" untertauchen.

Straton Musoni vor Gericht: Sein Chef drängte ihn 2009, "Präsenz zu zeigen". Bild: dapd

STUTTGART taz | Anfang 2009 ging es gegen die ruandische Hutu-Miliz FDLR (Demokratische Kräfte zur Befreiung Ruandas) Schlag auf Schlag: Im Januar und Februar führte Ruandas Armee zusammen mit kongolesischen Regierungstruppen Militärschläge gegen FDLR-Stellungen im Ostkongo durch, unmittelbar danach geriet FDLR-Präsident Igance Murwanashyaka ins Visier der deutschen Justiz.

Zwei Telefonate zwischen dem jetzt in Stuttgart angeklagten Murwanashyaka und seinem ersten Vizepräsident Straton Musoni aus dieser Zeit wurden am 20. Verhandlungstag, Montag, dem 1. August, beim OLG Stuttgart vorgespielt und offenbaren die Ausweglosigkeit, in der sich der FDLR-Führer damals sah.

Murwanashyaka spielt offenbar mit dem Gedanken, sich aus Deutschland abzusetzen und im Kongo unterzutauchen. "Es kann sein, dass ich von hier weg und in den Wald gehe", sagt er seinem Stellvertreter am 26. März 2009. "Du musst anfangen, Präsenz zu zeigen."

FDLR-Präsident Ignace Murwanashyaka, der als anerkannter politischer Flüchtling in Baden-Württemberg lebte, war ab 2006 Gegenstand diverser Gerichtsverfahren. Nachdem ihm das politische Asyl im Februar 2006 erstmals aberkannt wurde und er im April 2006 kurzzeitig in Abschiebehaft kam – abgeschoben wurde er nicht – verhängten die Behörden gegen ihn ein Verbot der politischen Betätigung und strenge Meldeauflagen.

Wegen 13-fachen Verstoßes dagegen verurteilte ihn das Amtsgericht Mannheim am 3. März 2009 zu zunächst vier Monaten Haft auf Bewährung und verhängte gegen ihn ein Kommunikationsmittelverbot. Unter UN-Sanktionen stand er zu dem Zeitpunkt ebenfalls schon.

Ein Auslieferungsantrag Ruandas wurde zwar von Deutschland abgelehnt, aber eigene deutsche Ermittlungen gegen Murwanashyaka wegen des Verdachts auf Kriegsverbrechen gab es zuerst 2006-07 und danach erneut ab der zweiten Hälfte 2008. Diese führten am 17. November 2009 zu seiner Festnahme und zum jetzigen Prozess in Stuttgart. Die Aberkennung des politischen Asyls wurde mittlerweile in mehreren Instanzen bestätigt.

Eine gute Woche später, am 3. April 2009, sprechen die beiden wieder miteinander. Murwanashyaka sieht sich behindert von den laufenden Gerichtsverfahren gegen ihn: "Fast sieben Prozesse, ich weiß nicht wie alle diese Prozesse zu Ende gehen werden, aber es kann sein, dass es schlecht zu Ende geht, so dass ich von hier weg muss", sagt er. "Ich kann auch verhaftet werden." Später verweist er auch auf die schwierige Lage der FDLR im Feld: "Es kann sein, dass ich dringend hier weg muss in den Wald. Es gibt viele ernsthafte Probleme mit Leuten, die desertieren."

Kurz zuvor war Murwanashyaka wegen Missachtung des gegen ihn geltenden politischen Betätigungsverbotes in Deutschland verurteilt worden. "Sie haben mir einen Brief geschickt, dass ich zweimal in der Woche zur Polizei muss. Sie haben gesagt, dass ich keine politischen Aktivitäten in Deutschland ausüben darf", berichtet der FDLR-Präsident und zeigt sich uneinsichtig: "Ich wurde zu vier Monaten auf Bewährung verurteilt, aber das hindert mich nicht, meine Arbeit weiterzumachen. Wenn sie das feststellen, werden sie mich ins Gefängnis bringen. Vier Monate, das kann jederzeit passieren. Du kannst hören, dass sie mich morgen oder nächste Woche abführen. Aber ich habe keine Angst."

Ärger mit dem Anwalt

Der FDLR-Präsident ärgert sich über seine offenbar untätigen Rechtsanwälte: "Ich habe keinen Anwalt, obwohl ich einen Anwalt habe", schimpft er. Rechtsanwalt Gallas – der anfangs auch zur Verteidigung Murwanashyakas im laufenden Prozess gehörte, jetzt aber nicht mehr – habe keinen Widerspruch gegen das Betätigungsverbot eingelegt. "Als Gallas auf diesen Brief nicht geantwortet hat, hat man das umgesetzt", berichtet er.

Musoni will wissen: "Warum verbietet man jemandem, Politik auszuüben?" Murwanashyaka verweist unter anderem auf die Berichterstattung der taz: "Sie haben gesagt, wir sollen mit dem Blödsinn aufhören, mit dem Töten und sich gegenseitig Töten, wie dieser Johnson über mich geschrieben hat, dass die FDLR eine kriminelle Organisation ist, die tötet. Es ist die Sache, die Johnson schreibt." Es gebe "viele Verbündete von Kagame", dem ruandischen Präsidenten, "in der Verwaltung, nicht nur bei Journalisten (...) Vor allem diese Grünen, du musst gucken, was sie im Parlament fordern, sie wollen uns alle ausweisen".

Murwanashyaka drängt weiter, dass Musoni ihn vertritt: "Meine Zeit wird immer weniger. Deswegen bitte ich dich – ich weiß, dass du Probleme mit Rechtsanwälten hast – du sollst wieder in die regelmäßige Organisation zurückkommen."

"Ich fühle mich ein bisschen schlecht informiert", sagt der Vize dazu und fragt: "Ignace, übrigens warum können wir uns nicht treffen und ausführlich über Probleme reden?" Murwanashyaka findet, das Telefon reicht: "Es gibt keine Geheimnisse. Was kann ich dir sagen, was die Polizei nicht weiß? (...) Ich reise nur, wenn es um etwas handelt, was man nicht am Telefon sagen kann."

Musoni erwidert: "Deswegen sage ich, dass du Sachen leicht nimmst. Es gibt Sachen, die in meinem Kopf kursieren, aber die kann ich nicht am Telefon sagen." Murwanashyaka: "Frag mich ruhig. Was kannst du mich nicht fragen? Was du nicht am Telefon sagen kannst, sind die Sachen bezüglich Kriminalität, diese Angelegenheit bezüglich Töten und Bodenschätze klauen."

Ratschläge für die Zeit danach

Er gibt Musoni Ratschläge für die Zeit, wo er selbst nicht mehr da sein wird: sich immer wieder bei BBC melden, auf UN-Meldungen mit eigenen Erklärungen reagieren. Mit der Wahrheit braucht man es dabei offenbar nicht so genau nehmen,: "Wenn ich etwas sehe, was man bestreiten soll, nehme ich ein Kommuniqué von früher und ich ändere einige Sachen", erklärt der FDLR-Präsident seine bisherige Arbeitsweise. "Du musst anfangen, Übungen damit zu machen."

Auch die deutsche Justiz soll Musoni nicht fürchten, erläutert Murwanashyaka. "Wenn sie merken, dass du politisch aktiv bist, werden sie dir einen Brief schreiben, in dem sie dir sagen, dass du nicht politisch aktiv sein darfst, dass du keine politischen Aktivitäten hier in Deutschland ausüben darfst. Was ich dir sagen kann: Leg sofort Protest ein, auch ohne Rechtsanwalt. Bis das Gericht ein Urteil gefällt hat, dauert es mindestens sechs Monate oder ein Jahr. Ein Jahr ist eine lange Zeit."

Redaktion: Dominic Johnson

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