100 Jahre November-Revolution: Verdruckste politische Erinnerung
Bis auf ein Gedenken im Bundestag begeht die Politik den Jahrestag der Revolution nicht groß. Ganz im Gegensatz zu kulturellen Institutionen.
Im Plenum des Reichstags redet Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier. Eine Debatte im Parlament findet nicht statt. Auch die Fraktionen haben keine eigenen Veranstaltungen geplant. Angesichts der Tatsache, dass historische Großereignisse in der Bundesrepublik sonst oft mit viel politischer Aufmerksamkeit bedacht werden, ist diese Zurückhaltung bemerkenswert.
Etwas anders sieht es bei den kulturellen Institutionen aus. Die Stadt Kiel, wo der Aufstand losbrach, feiert die Geschehnisse mit einer Ausstellung. „Die Stunde der Matrosen – Kiel und die deutsche Revolution 1918“ ist noch bis zum 17. März 2019 zu sehen – im Schifffahrtsmuseum Fischhalle. Das Historische Museum Frankfurt widmet sich bis zum 20. Januar der „Damenwahl! 100 Jahre Frauenwahlrecht“. Das Museum für Hamburgische Geschichte titelt schlicht „Revolution? Revolution!“, noch bis zum 25 Februar. Einen guten Überblick über die mannigfachen regionalgeschichtlichen Austellungen bietet die Website www.weimarer-republik.net.
Es war vor 100 Jahren, als der Kaiser sich verdrückte, die Matrosen aufbegehrten, die Republik entstand. Spartakisten kämpften in Berlin, Sozialdemokraten fürchteten die Räte, und Frauen durften plötzlich wählen gehen. Die taz schaut auf die Errungenschaften der Revolution – und ihr Scheitern. Texte aus der Revolutions-taz bei taz.de und am 9. November in der Zeitung.
In Berlin ist im Märkischen Museum vom 23. November bis zum 29. Mai „Berlin 18/19 – Das lange Leben der Novemberrevolution“ zu sehen. Interessant ist auch die Ausstellung „Berlin in der Revolution 1918/19 – Fotografie, Film, Unterhaltungskultur“, die pünktlich am 9. November eröffnet und bis zum 3. März im Museum für Fotografie in Berlin gezeigt wird.
Der 9. November ist bekanntlich ein komplexes Datum. 1918 brach nicht nur die Monarchie zusammen, 1923 putschten Ludendorff und Hitler gegen die Demokratie, 1938 inszenierten die Nazis antisemitische Pogrome, 1989 fiel die Mauer.
Das Deutsche Historische Museum in Berlin, nur einen Steinwurf entfernt vom wieder entstehenden Stadtschloss und auch unweit des Reichstags gelegen, belässt es indes bei einer Geste: Am Freitag, den 9. November kostet der Eintritt nichts – eine vielleicht doch etwas billige Art, dieses komplexe Datum zu würdigen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Geschasste UN-Sonderberaterin
Sie weigerte sich, Israel „Genozid“ vorzuwerfen
Partei stellt Wahlprogramm vor
Linke will Lebenshaltungskosten für viele senken
FDP stellt Wahlkampf Kampagne vor
Lindner ist das Gesicht des fulminanten Scheiterns
Wahlkampf-Kampagne der FDP
Liberale sind nicht zu bremsen
Türkei und Israel nach Assad-Sturz
Begehrlichkeiten von Norden und Süden
Katja Wolf über die Brombeer-Koalition
„Ich musste mich nicht gegen Sahra Wagenknecht durchsetzen“