10 Jahre Alarm Phone: Notrufe von über 8.000 Booten

Die Hotline Alarm Phone nimmt seit einem Jahrzehnt Anrufe von Geflüchteten-Booten entgegen. Nun feiert sie Jubiläum und zieht Bilanz.

Ein Boot auf hoher See übervoll mit Geflüchteten

Alarm Phone: Die Initiative hat Notrufe von über 8.000 Booten mit über 200.000 Insassen entgegengenommen Foto: Alessandro Serranò/imago

10 Jahre ist es an diesem Dienstag her, dass Ak­ti­vis­t:in­nen aus Europa und Nordafrika das Alarm Phone aus der Taufe hoben: Eine Notrufhotline für Mi­gra­nt:in­nen und Flüchtlinge in Seenot, 24 Stunden besetzt, mehrsprachig, von Ehrenamtlichen getragen. Sie wollten praktisch gegen etwas vorgehen, was der Öffentlichkeit damals kaum bekannt war, aber zu jener Zeit schon Tausende Menschen das Leben gekostet hatte.

„Left to die“ – so hatten Ak­ti­vis­t:in­nen in jener Zeit die Praxis der Behörden markiert, Flüchtlingsboote in Seenot sich selbst zu überlassen – mit tödlichen Folgen, „Wir wollen sofort bei den Rettungsdiensten Druck machen“, sagte damals Hagen Kopp, einer der Grün­de­r:in­nen des Alarm Phones. „Viele Opfer wären vermeidbar, wenn die Küstenwachen nicht immer wieder untätig bleiben würden.“

Die Initiative hat seither Notrufe von über 8.000 Booten mit über 200.000 Insassen entgegengenommen. Sie dokumentiert in Echtzeit auf ihren Social-Media-Kanälen Notfälle, macht auf unterlassene Hilfeleistung aufmerksam, drängt darauf, dass Rettungsmaßnahmen eingeleitet werden. Seit 2015 dürfte dies vielen Tausend Menschen das Leben gerettet haben.

In Acht-Stunden-Schichten beantworten Freiwillige aus Marokko und Tunesien, in Großbritannien, Frankreich, Deutschland, der Schweiz, Italien oder Spanien die Anrufe. Möglich ist das nur, weil die Menschen auf den Booten oft ein Satellitentelefon an Bord haben. Die Arbeit ist für die Freiwilligen extrem belastend. Oft haben sie es am Telefon mit Menschen zu tun, die ihre vollbesetzten Boote buchstäblich mit Wasser volllaufen sehen.

Oft kommt Hilfe zu spät

Und oft genug kommt Hilfe nicht oder zu spät. 1.492 Menschen etwa sind bisher allein in diesem Jahr im Mittelmeer gestorben, rund 7 im Schnitt an jedem Tag.

Die UN-Migrationsorganisation IOM zählt diese Toten seit 2014. Doch ohne das zivilgesellschaftliche Alarm-Phone wüsste man von vielen Unglücken weniger oder nichts. Viele der dramatischen Entwicklungen in dem Bereich wären unbenannt geblieben, Verantwortlichen umso weniger zur Rechenschaft zu ziehen.

Eine Art Spin-off gibt es seit einigen Jahren in der Sahara, wo heute nach UN-Schätzungen mehr Menschen auf dem Weg nach Europa ums Leben kommen als im Mittelmeer. Und so versichert das Netzwerk weiterzumachen, weil „Solidarität die einzige Form der Menschlichkeit in dieser brutalen Welt ist“, wie es in ihrer Dokumentation zum zehnjährigen Bestehen heißt.

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