+++ Nachrichten im Ukrainekrieg +++: Keine Belege für russische Sabotage
Bislang konnte nicht ermittelt werden, wer die Nordstream-Pipelines gesprengt hat. EU, G7 und Australien einigen sich auf einen neuen Preisdeckel für russische Erdölprodukte.
Neuer Preisdeckel für Diesel und Heizöl aus Russland
Die Europäische Union, die G7-Staaten und Australien haben sich auf Preisobergrenzen für russische Erdölprodukte geeinigt. „Dieser Beschluss wird die Einnahmen Russlands noch stärker beschneiden und seine Fähigkeit zur Kriegführung in der Ukraine einschränken“, erklärte die EU-Kommission am Samstag. Auch werde der Schritt dabei helfen, die Energiemärkte zu stabilisieren. Die Preisdeckel treten am Sonntag in Kraft, für vor diesem Stichtag verladene Produkte gibt es eine Auslaufphase.
Die Gruppe legte Preisdeckel von 100 US-Dollar pro Barrel (rund 93 Euro für 159 Liter) für Kraftstoffe wie Diesel, Kerosin und Benzin und 45 Dollar (rund 42 Euro) pro Barrel für Produkte wie Heizöl fest. Die schwedische Ratspräsidentschaft hatte eine Einigung der EU-Mitgliedstaaten am Freitagabend im Onlinedienst Twitter verkündet. Kurze Zeit später gaben die Gruppe der sieben Industrieländer und Australien ihre Entscheidung zu den Obergrenzen bekannt.
„Putin muss für seinen abscheulichen Krieg bezahlen. Russland zahlt einen hohen Preis, da unsere Sanktionen seine Wirtschaft aushöhlen“, erklärte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Russland werde „um eine Generation zurückgeworfen“.
Bereits Anfang Dezember hatten die EU, die G7 und Australien einen Deckel für russisches Rohöl von 60 Dollar pro Barrel verhängt. Als Hebel nutzen sie Schiffstransporte: Unternehmen dieser Länder ist es untersagt, russisches Öl und ab Sonntag auch Ölprodukte zu transportieren oder Tanker zu versichern, die Produkte zu Preisen oberhalb der vereinbarten Grenzen an Bord haben. Allein Unternehmen aus den G7-Staaten versichern derzeit rund 90 Prozent des weltweiten Seehandels.
Russland hatte kurz vor dem Jahreswechsel seinerseits ein Verbot von Öl-Exporten in die EU, die G7-Länder und Australien angekündigt. Es greift seit diesem Mittwoch und gilt vorerst bis zum 1. Juli. Die Lieferung von russischem Öl und Ölprodukten an das Ausland ist demnach verboten, wenn die Verträge „direkt oder indirekt“ die Preisdeckel anwenden. Nur Putin kann das Ausfuhrembargo in Einzelfällen aufheben. (afp)
Russische Grenzregion ruft Terroralarm nach Beschuss aus
In der russischen Grenzregion Belgorod nahe der Ukraine haben die Behörden wegen des Beschusses einer Fabrik auf unbegrenzte Zeit Terroralarm ausgerufen. „In Borisowka wurde in der Nacht ein ziviles Industrieobjekt von den ukrainischen Streitkräften attackiert“, schrieb der Gouverneur von Belgorod, Wjatscheslaw Gladkow, am Samstag auf seinem Telegram-Kanal. Es sei daher offensichtlich notwendig, die Alarmstufe Gelb – erhöhte Terrorgefahr – auf unbegrenzte Zeit zu verlängern. Bisher konnten Gouverneure Terroralarm nur für maximal 15 Tage in ihrer Region verhängen.
Anfang der Woche hatte Kremlchef Wladimir Putin per Dekret den Gouverneuren die Möglichkeit zur Verhängung des Terroralarms auf unbegrenzte Zeit eingeräumt. Bei erhöhter Terrorgefahr, den Alarmstufen Gelb und Rot, werden die Freiheitsrechte der örtlichen Bevölkerung beschnitten, zum Beispiel durch Ausgangssperren oder Fahrzeug- und Personenkontrollen. Vor Belgorod haben bereits die Grenzregionen Kursk und Brjansk ein solches Anti-Terror-Regime in dieser Woche verhängt.
Auslöser in der Region Belgorod war ein Großfeuer in einer Fabrik in Borisowka, rund 30 Kilometer westlich der Gebietshauptstadt. Nach Behördenangaben wurde der Brand durch den Beschuss von ukrainischem Staatsgebiet ausgelöst. Tote und Verletzte habe es glücklicherweise nicht gegeben, teilte Gouverneur Gladkow mit. In sozialen Netzwerken heißt es, dass in der Fabrik Metallkonstruktionen für den Brückenbau hergestellt worden seien, unter anderem für den Bau der Brücke vom russischen Festland zur seit 2014 von Moskau annektierten ukrainischen Halbinsel Krim.
Russland beschießt seit Beginn seines Angriffskriegs gegen die Ukraine systematisch das Territorium des Nachbarlands, klagt allerdings seit Monaten auch über den Beschuss der eigenen Grenzregionen durch die Gegenseite. (dpa)
Keine Belege für Nord-Stream-Sprengung durch Russland
Die Ermittlungen zur Sprengung der Nord-Stream-Gaspipelines in der Ostsee haben aus Sicht der Ermittler bisher keine Beweise für eine Urheberschaft Russlands erbracht. „Das ist derzeit nicht belegbar“, sagte Generalbundesanwalt Peter Frank der Welt am Sonntag. Die Ermittlungen dauern demnach an.
Insgesamt vier Explosionen hatten im September in den Wirtschaftszonen Schwedens und Dänemarks in der Ostsee mehrere Lecks in die Pipelines gerissen, die für den Transport von russischem Gas nach Deutschland gebaut worden waren. Die Pipelines waren zum Zeitpunkt der Explosionen nicht in Betrieb, enthielten aber Gas. Nach Angaben Schwedens steckt Sabotage hinter dem Vorfall. Demnach wurden Sprengstoffreste nachgewiesen.
Mit Unterstützung von zwei Forschungsschiffen habe die Bundesanwaltschaft an den jeweiligen Explosionsstellen in der dänischen und schwedischen Wirtschaftszone in der Ostsee Wasser- und Bodenproben sowie Reste der Pipelines entnehmen lassen und den Tatort umfassend dokumentiert, sagte Frank. „Das alles werten wir derzeit kriminaltechnisch aus. Schweden und Dänemark führen ihre eigenen Ermittlungen, wir stehen aber in Kontakt.“
Auch die Ermittlungen wegen verfassungsfeindlicher Sabotage an Kommunikationskabeln der Deutschen Bahn in Herne und Berlin im Oktober 2022 dauern demnach an. „Was ich aber sagen kann: Der Verdacht, dass es sich hier um eine ausländische Sabotage-Aktion gehandelt hat, ließ sich bislang nicht erhärten“, sagte Frank. Die Frage, ob die Täter schlicht Kabeldiebe gewesen seien, ließ der Generalbundesanwalt unbeantwortet.
Der Vorfall hatte im Oktober zu Ausfällen des digitalen Zugfunksystems geführt und den Bahnverkehr in weiten Teilen Norddeutschlands lahmgelegt. Die Bahn musste für rund drei Stunden den gesamten Fernverkehr in Niedersachsen, Bremen, Hamburg und Schleswig-Holstein sowie große Teile des Regionalverkehrs einstellen. (afp)
Barley dämpft Hoffnung auf raschen EU-Beitritt der Ukraine
Nach dem Gipfel zwischen Vertretern der EU und der Ukraine am Freitag hat EU-Vizeparlamentspräsidentin Katarina Barley (SPD) Hoffnungen auf einen raschen Beitritt Kiews zur Staatengemeinschaft gedämpft. Das Land habe „noch einen langen Weg“ bis zu einem EU-Beitritt vor sich, sagte Barley am Freitagabend in den ARD-„Tagesthemen“. Der Botschafter der Ukraine in Deutschland, Oleksii Makeiev, sicherte indes zu, sein Land werde „alles dafür tun, den Beitrittsprozess so schnell wie möglich abzuschließen“.
Barley sagte zu einem möglichen EU-Beitritt der Ukraine, bis dahin werde es „noch ein Weilchen dauern“. Es sei zwar „legitim“, dass etwa der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj in dieser Hinsicht Druck ausübe, aber die Ukraine müsse für eine Mitgliedschaft in der EU anspruchsvolle politische, wirtschaftliche und juristische Kriterien erfüllen. So weit sei das Land noch lange nicht.
Es sei „ganz wichtig, dass man realistisch zu den Ukrainerinnen und Ukrainern ist“, sagte Barley. Zum einen würden die EU-Staaten die Ukraine „unterstützen mit allem, was wir können und haben – vor allem auch finanziell und wirtschaftlich“. Sie halte es jedoch „wirklich für ausgeschlossen“, dass Kiew nur aus Solidarität oder Mitgefühl angesichts des russischen Angriffskriegs verfrüht aufgenommen werde.
Der ukrainische Botschafter in Deutschland Makeiev begrüßte unterdessen das Treffen von EU-Spitzenvertretern mit der ukrainischen Führung in Kiew als klares Signal für den Willen der EU, die Ukraine aufzunehmen. „Die Botschaft dieses Tages ist eindeutig: Die Ukraine wird EU-Mitglied werden“, sagte Makeiev dem Kölner Stadt-Anzeiger (Samstagausgabe).
Die Ukraine ist seit 2022 offiziell EU-Beitrittskandidat und fordert einen schnellen Beitritt, möglichst schon innerhalb der nächsten zwei Jahre. An dem Spitzentreffen in Kiew hatten am Freitag von EU-Seite unter anderem Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und Ratspräsident Charles Michel teilgenommen. Sie lobten die „beträchtlichen Anstrengungen“ der Ukraine hinsichtlich ihrer Bewerbung um die Mitgliedschaft. Konkrete Zusagen zum Zeitpunkt der Aufnahme von Beitrittsverhandlungen gab es aber weiterhin nicht. (afp)
Ukraine und Russland tauschen 200 Kriegsgefangene aus
Die Ukraine und Russland haben fast 200 Kriegsgefangene ausgetauscht. Auch die Leichen zweier freiwilliger Helfer aus Großbritannien seien der Ukraine übergeben worden, teilte der Stabschef des Präsidialamtes in Kiew, Andrij Jermak, am Samstag auf dem Kurznachrichtendienst Telegram mit. Seinen Angaben zufolge kehrten 116 ukrainische Gefangene zurück. Das Verteidigungsministerium in Moskau gab die Zahl der freigelassenen russischen Soldaten mit 63 an.
„Wir haben es geschafft, 116 unserer Leute zurückzubringen“, schrieb Jermak. Die Leichen von Andrew Bagshaw und Chris Parry seien ebenfalls an die Ukraine übergeben worden. Die beiden Briten wurden im Januar getötet. Nach früheren Angaben von Perrys Familie kamen sie ums Leben, als sie bei der Evakuierung in der Ostukraine geholfen hatten.
Zu den freigelassenen russischen Gefangenen gehörten auch Soldaten der „sensiblen Kategorie“, berichteten russische Nachrichtenagenturen unter Berufung auf das Verteidigungsministerium in Moskau. Ihr Austausch sei durch die Vermittlung der Vereinigten Arabischen Emirate möglich geworden. (rtr)
Gerard Depardieu will russische Staatsbürgerschaft behalten
Der französische Schauspielstar und russische Staatsbürger Gérard Depardieu will sich eigenen Angaben zufolge vorerst nicht mehr über den Ukraine-Krieg äußern. Er betonte zudem, er werde an seiner russischen Staatsbürgerschaft festhalten, die er 2013 nach einem persönlichen Angebot des russischen Präsidenten Wladimir Putin angenommen hatte.
Zuvor hatte sich Depardieu immer wieder positiv über Putin geäußert. So bezeichnete er Russland als „große Demokratie“, den russischen Präsidenten verglich er unter anderem mit dem früheren Papst Johannes Paul II. Noch Mitte Februar 2022, als Russland nahe der ukrainischen Grenze bereits zehntausende Soldaten zusammengezogen hatte, hatte der Schauspieler im Onlinedienst Instagram ein Foto von sich mit Putin veröffentlicht und es mit „Freundschaft“ betitelt. (afp)
Band Russkaja löst sich wegen Ukraine-Kriegs auf
Die populäre österreichische Band Russkaja hat sich vor dem Hintergrund des fortlaufenden russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine aufgelöst. Die Gruppe, die ab 2005 ihren Erfolg auf einem Stil aus Ska-Punk-Musik auf der Grundlage sowjetischer Motive begründet hatte, gab den Schritt am Samstag im Online-Netzwerk Facebook bekannt.
„Wir sehen, dass dieser Krieg nicht mehr so schnell aufhört und auch wenn er das tut, ist das Sowjet-Image für immer beschädigt und tabuisiert“, schrieben Russkaja auf ihrer Facebook-Seite. Die Band, die unter anderem aus einem russischen und einem ukrainischen Musiker besteht, schrieb, der „wütende Krieg in der Ukraine, den Russland am 24. Februar 2022 begonnen hat“, mache es ihr unmöglich, mit einem „Image und Style“ weiterzumachen, die sich „auf satirische Art und Weise der Sowjet-Thematik und -Sprache bedienen“. (afp)
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