+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++: Berlin plant keine Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern
Die Bundesregierung habe keine Pläne, Taurus zu liefern, sagt Boris Pistorius in Kiew. Aber er verspricht 1,9 Milliarden Euro Militärhilfe.
Berlin plant keine Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern an Kiew
Deutschland plant nach Angaben von Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) keine Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern an die Ukraine. Auf eine entsprechende Frage bei seinem Besuch am Donnerstag in Kiew antwortete der Minister: „Da Sie mir eine Frage gestellt haben, ob wir das in Erwägung ziehen, lautet meine Antwort: Nein.“ Die Ukraine fordert seit langem die Lieferung dieser Waffe mit einer Reichweite von mehr als 500 Kilometern, mit der von der Ukraine aus Ziele weit in russisches Staatsgebiet hinein angegriffen werden könnten.
Pistorius war am Morgen in der ukrainischen Hauptstadt angekommen und hatte sich dort mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj getroffen. Bei der gemeinsamen Pressekonferenz verneinte er Pläne zur Lieferung von Taurus, stellte aber weitere 1,9 Milliarden Euro Militärhilfe in Aussicht. Wenn der Bundestag diese zusätzliche Summe beschließe, werde Deutschland in diesem Jahr damit insgesamt rund neun Milliarden Euro der Ukraine zur Verfügung stellen, sagte Pistorius. Deutschland sei bereit, die Finanzierung mitzuübernehmen von „Long-Range-Fire-Systemen, die in der Ukraine produziert werden. Und die ersten Systeme dürften noch in den nächsten Monaten zur Verfügung stehen“, sagte der Minister. „Und zweitens werden wir Geld zur Verfügung stellen, damit die ukrainische Regierung, die ukrainischen Streitkräfte Material kaufen können, bei der ukrainischen Rüstungsindustrie, deren Kapazitäten dadurch besser ausgelastet werden können.“
Die Debatte um die deutschen Taurus-Marschflugkörper wird schon seit langem geführt. Während die Vorgängerregierung unter Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), der Pistorius ebenfalls als Verteidigungsminister angehörte, eine Lieferung dieser Waffe stets ausgeschlossen hatte, hatte sich Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) vor seinem Amtsantritt klar dafür ausgesprochen. Mehrere Wochen nach seinem Amtsantritt hatte er Ende Mai gesagt, es gebe „keinerlei Reichweitenbeschränkungen mehr“ für an die Ukraine gelieferte Waffen, was die Taurus-Debatte neu entfachte. Allerdings wird von der neuen Bundesregierung offiziell die Linie verfolgt, künftig keine öffentlichen Debatten mehr über an die Ukraine zu liefernde Waffen zu führen, um Russland im Unklaren zu lassen. (afp)
US-Außenminister gratuliert Russen zum Nationalfeiertag
Anlässlich des russischen Nationalfeiertages hat US-Außenminister Marco Rubio Glückwünsche gesandt und Friedensbemühungen im Ukraine-Krieg angemahnt. Die USA unterstützten das russische Volk weiter in seinem Streben nach einer besseren Zukunft, ließ Rubio im Namen des amerikanischen Volkes ausrichten. In seinem Schreiben bekräftigte er den Wunsch der USA nach „konstruktiver Zusammenarbeit mit der Russischen Föderation, um einen dauerhaften Frieden zwischen Russland und der Ukraine zu erreichen“. „Wir hoffen, dass der Frieden zu für beide Seiten vorteilhafteren Beziehungen zwischen unseren Ländern führt“, so Rubio.
Kiew reagierte auf die Botschaft, ohne die USA direkt zu nennen. „Mir als Minister eines kämpfenden Landes, war es heute Morgen besonders unangenehm, die öffentlichen Glückwünsche einiger Länder an die Adresse des russischen Aggressors zu lesen“, sagte der ukrainische Außenminister Andrij Sybiha in Rom gemäß einer Meldung von Interfax-Ukraine. Es könne keine Belohnung für das „Aggressorland“ geben. „Und ich habe das moralische Recht, dies zu äußern“, fügte er hinzu. Kremlsprecher Dmitri Peskow wertete Rubios Glückwunsch als Beleg, dass die neue US-Führung von Präsident Donald Trump sich von der vorigen Administration unter Joe Biden unterscheide. Washington sei nun gewillt, Probleme im bilateralen Verhältnis zu lösen, sagte er dem russischen Fernsehen. (dpa)
Klingbeil weist Forderung nach Russland-Annäherung zurück: Moskau schuld an Leid
SPD-Chef Lars Klingbeil hat sich deutlich von der parteiinternen Forderung nach einer Wende im Verhältnis zu Russland abgegrenzt. Russland sorge für unfassbares Leid in der Ukraine und dafür, dass dort jeden Tag Menschen sterben, sagte Klingbeil am Donnerstag in Berlin zu Journalisten. Russlands Präsident Wladimir Putin könnte den Krieg gegen die Ukraine sofort beenden. „Er tut es aber nicht.“ Deutschland stehe zurecht an der Seite der Ukraine. „Diese militärische Unterstützung geht weiter.“ Hier werde es mit ihm als SPD-Chef und Vizekanzler keine Kehrtwende geben. Diese Woche war ein Papier bekanntgeworden, in dem SPD-Linke kurz vor dem Parteitag eine neue Sicherheits- und Außenpolitik einschließlich einer Annäherung an Russland verlangen. Zudem wendeten sich die Unterzeichner gegen eine Stationierung von US-Mittelstreckenraketen in Deutschland und forderten ein Ende des Rüstungswettlaufs. Das Papier löste Irritationen nicht nur in der SPD, sondern auch beim Koalitionspartner Union aus. (rtr)
Wadephul: Derzeit kein Anlass für Telefonat mit Lawrow
Außenminister Johann Wadephul sieht ungeachtet der SPD-Debatte über direkte diplomatische Gespräche mit Russland keinen Grund für ein rasches Telefonat mit seinem russischen Kollegen Sergej Lawrow. „Ich sehe zum jetzigen Zeitpunkt keine Gelegenheit und keine Möglichkeit zu weiteren Gesprächen“, sagte der CDU-Politiker bei einer Außenministerkonferenz zur Unterstützung der Ukraine in Rom auf die Frage eines Journalisten, wann er das erste Mal mit Lawrow telefonieren werde.
Wenn solche Gespräche geführt werden würden, würde das Deutschland „immer nur gemeinsam mit seinen europäischen Partnern machen“, sagte Wadephul. In diesen Formaten „sind wir selbstverständlich immer verhandlungsbereit“. Man müsse allerdings zum jetzigen Zeitpunkt „feststellen, dass Russland nicht verhandlungsbereit ist, sondern den Krieg sucht“. Solange dies der Fall sei, „stehen wir fest an der Seite der Ukraine“. (dpa)
Ukrainischer Außenminister: „Wir wollen, dass der Krieg in diesem Jahr endet“
Die Ukraine setzt noch in diesem Jahr auf ein Ende des Krieges mit Russland. Der ukrainische Außenminister Andrij Sybiha betonte am Donnerstag nach einem Treffen im sogenannten Format Weimar in Rom, dass eine „Appeasement“-Politik gegenüber dem Aggressor Russland nicht funktioniere. „Die Zeit der Diplomatie des Drucks ist gekommen“, sagte er. „Wir wollen, dass der Krieg in diesem Jahr endet.“ Mit „Appeasement“ wird die Beschwichtigungspolitik Frankreichs und Großbritanniens gegenüber Nazi-Deutschland in den 1930er Jahren bezeichnet. Russland hat seinen Angriffskrieg gegen die Ukraine am 24. Februar 2022 begonnen. Alle Bemühungen um eine auch nur befristete Waffenruhe scheiterten seither. Bei den zwei jüngsten Gesprächsrunden in Istanbul wurde lediglich der Austausch von Gefangenen vereinbart. Bei dem Weimar-Plus-Treffen in der italienischen Hauptstadt beriet Sybiha mit den Außenministern aus Deutschland, Frankreich, Polen, Italien, Großbritannien und Spanien sowie der EU-Außenbeauftragten Kaja Kallas und Nato-Generalsekretär Mark Rutte über die weitere Unterstützung der Ukraine im russischen Angriffskrieg sowie die Stärkung der europäischen Verteidigung. (afp)
Europäer wollen Druck auf Russland weiter erhöhen
Die Außenminister der führenden europäischen Staaten erklären ihre Bereitschaft, den Druck auf Russland zu verstärken, „auch durch weitere Sanktionen“ im Energie- und Bankensektor. Ziel sei es, Russland in seinem Krieg gegen die Ukraine zu schwächen, heißt es in einer Erklärung der Vertreter Frankreichs, Deutschlands, Italiens, Polens, Spaniens und Großbritanniens nach einem Treffen in Rom. „Wir sind entschlossen, russische Staatsvermögen in unseren Rechtsgebieten eingefroren zu halten, bis Russland seine Aggression beendet und für die verursachten Schäden aufkommt“, heißt es weiter. An dem Treffen nahmen auch Vertreter der Europäischen Union und Nato-Generalsekretär Mark Rutte sowie ein ukrainischer Vertreter teil. (rtr)
Neuer Kriegsgefangenen-Austausch zwischen Ukraine und Russland
Russland und die Ukraine haben zum dritten Mal in dieser Woche Gefangene ausgetauscht. „Heute kehrten Krieger unserer Streitkräfte, der Nationalgarde und des Grenzschutzdienstes nach Hause zurück“, schrieb der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj am Donnerstag in Onlinemedien. „Alle benötigen medizinische Behandlung“, da sie „schwer verwundet und schwer krank“ seien, fügte er hinzu. Das russische Verteidigungsministerium erklärte im Onlinedienst Telegram, dass „eine Gruppe russischer Soldaten“ aus der Ukraine zurückgekehrt sei. Die ausgetauschten russischen Soldaten befänden sich nun in Belarus. Genaue Angaben zur Zahl der ausgetauschten Soldaten machten beide Seiten nicht.
„Wir arbeiten weiter daran, alle aus russischer Gefangenschaft nach Hause zu bringen“, erklärte Selenskyj. Er veröffentlichte Bilder der ukrainischen Soldaten – mit rasierten Köpfen und eingehüllt in Nationalflaggen. Russische Staatsmedien zeigten Moskaus Soldaten in Tarnkleidung, die mit Nationalflaggen um die Schultern „Russland, Russland“ skandierten. Der nunmehr dritte Austausch in dieser Woche ist das einzige greifbare Ergebnis von zwei Verhandlungsrunden in Istanbul, bei denen Russland Forderungen nach einer bedingungslosen Waffenruhe ablehnte und von der Ukraine verlangte, große Teile ihres Territoriums aufzugeben und ihre Nato-Beitrittspläne aufzugeben. Die ersten Phasen des Austauschs fanden am Montag und Dienstag statt. Am Mittwoch gab Russland die Leichen von 1212 ukrainischen Soldaten zurück. (afp)
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