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+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++Orbán sorgt erneut für Irritationen

Ungarns Regierungschef kassiert nach einem Treffen mit den Turkstaaten erneut Kritik aus der EU. Experten sehen keine Verhandlungsbereitschaft bei Putin.

Der ungarische Regierungschef Orbán bei seinem Besuch in Moskau am 5. Juli 2024 Foto: REUTERS/Evgenia Novozhenina

Reise nach Aserbaidschan: Borrell distanziert sich von Orbán

Die Teilnahme des ungarischen Regierungschefs Viktor Orbán an einem Treffen der Organisation der Turkstaaten in Aserbaidschan ist in der EU auf Kritik gestoßen. Orbáns Besuch am Samstag habe ausschließlich „im Rahmen der bilateralen Beziehungen zwischen Ungarn und dieser Organisation“ stattgefunden, erklärte der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell am Samstag. Ungarn habe von den anderen EU-Staaten kein Mandat erhalten, um die Beziehungen der EU zur Organisation der Turkstaaten voranzutreiben.

Orbán hatte wenige Tage nach der Übernahme der EU-Ratspräsidentschaft durch sein Land bereits mit einer Reise nach Moskau für Irritationen gesorgt. Mehrere EU-Spitzenvertreter erklärten, der ungarische Ministerpräsident vertrete dort nicht die gesamte Union. Borrell erklärte, Orbán habe „kein Mandat“ der anderen 26 Mitgliedsländer für den Besuch und vertrete in Moskau „die EU (…) in keiner Form“. Orbán unterhält trotz des Ukraine-Krieges weiter enge Beziehungen zu Moskau. Sanktionen gegen Russland und Finanzhilfen der EU für Kyjiw hat der pro-russische Regierungschef mehrfach verzögert.

Die Organisation der Turkstaaten wurde 2009 von der Türkei, Aserbaidschan, Kasachstan und Kirgisistan gegründet. Ungarn ist seit 2018 Beobachterstaat. Auch die selbsternannte Türkische Republik Nordzypern genießt diesen Status, was in der EU auf Ablehnung trifft. Die Türkei ist der einzige Staat, der die 1983 ausgerufene Türkische Republik Nordzypern anerkennt. (afp)

US-Institut sieht keinen echten Verhandlungswillen bei Putin

Kremlchef Wladimir Putin zeigt nach Einschätzung von US-Experten auch nach seinem Treffen mit dem ungarischen Regierungschef Viktor Orbán keinen echten Willen für Verhandlungen in seinem Angriffskrieg gegen die Ukraine. „Putin forderte stattdessen eine Kapitulation der Ukraine durch „Entmilitarisierung“ und die Übergabe bedeutender Territorien, die Russland derzeit nicht besetzt hält“, teilten die Analysten des Instituts für Kriegsstudien (ISW) in Washington mit. Putin habe zudem an zwei Tagen hintereinander eine Feuerpause in dem Konflikt abgelehnt.

Die Ukraine und Russland werfen sich gegenseitig vor, eine Feuerpause für die Neuaufstellung und frische Bewaffnung von Truppen nutzen zu können. Zum Besuch Orbáns am Freitag bei Putin stellten die ISW-Experten fest, dass der ungarische Regierungschef wohl versuche, die Aufmerksamkeit des Westens weg von der militärischen Hilfe für die Ukraine hin zur Möglichkeit von Friedensverhandlungen zu lenken. Orbán wolle sich als potenzieller Vermittler für eine Beendigung des Kriegs in der Ukraine in Stellung bringen, obwohl Putin kein Interesse daran habe.

Laut ISW untergräbt Orban so die Unterstützung der Europäischen Union für die Ukraine. Die Experten verweisen immer wieder darauf, dass Putin seine behauptete Verhandlungsbereitschaft vor allem dazu nutze, um den Westen zu spalten und letztlich die militärische Unterstützung der Verbündeten der Ukraine zu brechen. Orban stellte sich immer wieder gegen EU-Militärhilfe für die Ukraine. (dpa)

Orbán wirft Nato Konfliktstreben vor

Orbán hatte bei einem gemeinsamen Auftritt mit Putin im Kreml gesagt, dass die Vorstellungen Moskaus und Kyjiws für eine Lösung des Konflikts weit auseinander lägen. Der Ungar hatte vor seinem Treffen auch in Kyjiw mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj gesprochen und dort eine Feuerpause gefordert. Russland und die Ukraine werfen sich gegenseitig vor, kein Interesse an Verhandlungen zu haben und den Konflikt lieber auf dem Schlachtfeld auszutragen.

In einem Meinungsbeitrag für das Magazin „Newsweek“ warf Orbán der Nato vor, ihre Gründungsprinzipien zu verletzen. „Doch statt Frieden steht heute das Streben nach Krieg auf der Tagesordnung, statt Verteidigung ist es Angriff“, schrieb Orbán in dem Beitrag. (dpa)

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16 Kommentare

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  • Es ist alles gesagt. Die einen glauben an den russischen Frieden, die anderen kämpfen für die Freiheit vom alten Kolonialherrn. Aber die Russen hatten bei manchen Gläubigen ja schon immer „Narrenfreiheit“ als vorgebliche Friedenskämpfer.

  • Ein erster wichtiger Schritt für eine diplomatische Friedenslösung... Einzig sinnvoller Weg das gegenseitige Blutbad zu beenden.

    • @Oleksandrowytsch:

      Die diplomatische Friedenslösung lautet doch, "gebt mir die Hälfte der Ukraine, und entwaffnet den Rest..." so zumindest hat es Putin, als Basis für Verhandlungen, gefordert. Das wiederum hieße, die Ukraine in die alte Siwjet-Knechtschaft zu verkaufen. Stück für Stück. Es ist naiv zu glauben einen Stalinisten und Neofaschisten wie Putin einfrieren zu können, und nich naiver hinter diesem Vorschlag die eigentliche Intentionen nicht zu erkennen. Ich war mal Pazifist, anerkannter Wehrdienstverweigerer, aber die derzeitigen Realitäten sprechen eine andere Sprache. Nur entschlossene und dauerhafte Gegenwehr und zwar mit den Waffen, die sich Putin selbst herausgesucht hat, hilft Frieden in der Ukraine zu schaffen.

  • Orban pfeift auf die Ukraine, die ethnischen Armenier von Bergkarabach und schmiegt sich jetzt schön den Diktatoren aus Moskau und Baku an. Orban ist echt das letzte was die EU zu bieten hat. Und besucht dann auch noch Shushi wo Aliyev einen Angriffskrieg geführt hat. Ich würde diesem Typen so gerne in die Suppe spucken!

  • Orban ist verdammt rechts und ich lehne seine Politik ab.



    Aber mit der Aussage, dass die NATO kein Verein für den Weltfrieden ist, hat er doch Recht.



    Für mich ist die NATO eine Lobby amerikanischer Interessen und der Rüstungsindustrie und ich frage mich, wie man ein Militärbündnis mit Friedensbemühungen gleichsetzen kann.



    Die Interessen sind diametral andere.

    • @GlaubeLiebeHoffnung:

      Dann liegt ja Trump voll auf Ihrer Wellenlänge.

      Der findet ja auch, die NATO liege nicht im amerikanischen Interesse und sei verzichtbar.

      Wenn die USA austreten, wird es Sie glücklich machen.

      Komischerweise werden die ganzen Kleinstaaten in der NATO bei dieser Aussicht nervös.

      • @rero:

        Ich würde Sie gerne verstehen, kann aber Ihre Argumentationskette leider nicht nachvollziehen.



        Was habe ich mit Trump zu tun?



        Und warum sollten die Amerikaner aus ihrer Lobby austreten?

        • @GlaubeLiebeHoffnung:

          Trump hat schon in seiner ersten Amtszeit gesagt, er halte die NATO für obsolet.

          Im Raum stand damals schon, dass sich die USA aus der NATO zurückziehen.

          Manche sehen es als wahrscheinlich an, dass Trump auch in einer zweiten Amtszeit dieses Ziel verfolgt.

          Deshalb meine Frage an Sie: Warum sollten sich die USA aus ihrer "Lobbyorganisation" zurückziehen?

          Da scheint Ihre Sichtweise nicht schlüssig.

  • 》In einem Meinungsbeitrag für das Magazin „Newsweek“ warf Orbán der Nato vor, ihre Gründungsprinzipien zu verletzen. „Doch statt Frieden steht heute das Streben nach Krieg auf der Tagesordnung, statt Verteidigung ist es Angriff“, schrieb Orbán in dem Beitrag.《

    Dieser Vorwurf dürfte sich nicht erhärten lassen - klar ist aber, dass die Nato den Angriff auf die Ukraine entweder nicht hat kommen sehen oder zu sehr auf die leichte Schulter genommen hat, als sie Putins Forderungen nach Verhandlungen über eine europäische Sicherheitsarchitektur im Vorfeld des Überfalls eine brüske Absage erteilt hat.

    Ein weiteres Problem ist es, dass es gegenwärtig überwiegend Rechtsnationalisten sind, die sich ursprünglich originär linke Vorbehalte taz.de/Die-Nato-un...er-Macht/!1803053/ gegen die NATO heute zu eigen machen (m.E. mit eine Erklärung für den Rechtsdrift in Europa und auch den USA)

    Und dass ein Institut wie das ISW womöglich den Ernst der Lage unterschätzt, wie sie etwa der frühere Generalinspekteur der Bundeswehrund von 2002 bis 2005 Vorsitzender desNATO-Militärausschusses Kujat hier shorturl.at/0aSDm eindringlich darlegt

  • Orbán = eines von Putins Trojanischen Pferden.

    • @O sancta simplicitas:

      Das Trojanische Pferd war eine Täuschung, ein so tun als ob.



      Orban kriecht IHM ganz offen in den Siewissenschon.

  • Fragt sich wer wohl die beiden ersten Reisen ohne EU-Mandat bezahlt - die EU oder Ungarn. Obwohl es in beiden Fällen wohl Geld der EU ist. Eine dritte Variante wäre noch, Orban zahlt aus seiner eigenen Tasche. Aber auch das wäre wieder Geld aus der EU. Das wird er sich wohl auch gedacht haben, bei seiner Entscheidung diese beiden Trips zu machen. Das er für seine Reisen keine politische Abstimmung benötigt, ist aus seiner Sicht nachvollziehbar, schließlich ist er von EU`s-Gnaden, der kleine Diktator eines bis 1991 unter der Fuchtel der Russen stehenden Kleinstaates. Nachdem die EU Ungarn seit den 1990-er das Land finanziell wieder auf die Beine gebracht hat und vor allem Orban`s Großfamilie reich machte ist das Selbstverständnis von Viktor nicht mehr zu stoppen.



    Und von der Leyen verschenkte ihm zuletzt noch einige Milliarden, um ihn EU-gewogen zu erhalten. Wie naiv doch viele Politiker handeln.

    • @Sonnenhaus:

      "Wie naiv doch viele Politiker handeln"

      Nicht naiv, pragmatisch. Das macht es umso schlimmer. Sehr schöne Anmerkung zu Orbans "Reisekassen".

  • Da hat sich die EU ja was eingetreten ...

  • Ich traue keinen namenlosen Experten mehr. Das Problem mit denen ist, dass es einfach zu viele davon und an jeder Ecke gibt, und deren Expertise meist doch sehr überschaubar ist.

    Wirkliche Experten sind rar gesät.

  • Wo bitte greift die NATO an?