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+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++Aufruf zu mehr Waffenlieferungen

Russland hat erneut die Energieinfrastruktur der Ukraine angegriffen. Die ukrainische Friedensnobelpreisträgerin Oleksandra Matwijtchuk fordert mehr Waffenlieferungen.

Feuerwehrleute löschen ein Feuer, nachdem eine russische Präzisionsmunition zivile Infrastruktur in Charkiw getroffen hat Foto: Ukrinform

Ukrainische Nobelpreisträgerin appelliert an den Westen

Die ukrainische Friedensnobelpreisträgerin Oleksandra Matwijtchuk hat Deutschland angesichts der dramatischen Lage in ihrem Land dringend zu mehr Waffenlieferungen aufgerufen. „Helft uns! Helft uns mit Waffen! Liefert uns Taurus-Raketen, damit wir diesen Krieg gewinnen können“, sagte Matwijtchuk dem Magazin „Focus“. Zu Forderungen nach einer Verhandlungslösung mit Russland äußerte sie sich kritisch.

„Es gibt keine andere Option, als weiterzukämpfen. Der russische Angriffskrieg hat genozidalen Charakter. Und das heißt: Legen wir die Waffen nieder, droht uns die Vernichtung“, mahnte die Nobelpreisträgerin. Russlands Präsident Wladimir Putin wolle keinen Frieden, sondern „er will seine militärischen Ziele erreichen“.

„Alles Gerede über den angeblichen russischen Verhandlungswillen soll nur die Stimmung im Westen beeinflussen und die Unterstützung für die Ukraine schwächen“, warnte die Menschenrechtsanwältin. „So bitter es klingt: Wir müssen die Realität akzeptieren – auch wenn sie furchtbar ist. Nur wenn die Ukraine den Krieg gewinnt, gibt es eine Chance auf Frieden“, sagte sie weiter.

Matwijtchuk äußerte sich enttäuscht über nachlassende Unterstützung aus dem Westen. „Direkt nach dem russischen Überfall auf mein Land hieß es: Wir stehen der Ukraine bei, koste es, was es wolle. Ich bin mir nicht sicher, ob das immer noch so gilt“, sagte sie „Focus“. Matwijtchuk war 2022 zusammen mit dem belarussischen Rechtsanwalt Ales Bjaljazki und Irina Scherbakowa von der russischen Menschenrechtsorganisation Memorial für ihre Arbeit beim ukrainischen Center for Civil Liberties mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet worden. (afp)

Massive Angriffe auf Ukraines Energiestruktur

Russland hat nach ukrainischen Angaben in der Nacht mit „massiven Angriffen“ die Energieinfrastruktur in der Ukraine attackiert. Russland habe „mehr als 40 Marschflugkörper und 40 Drohen“ auf Ukraines „kritische Infrastruktur“ abgefeuert, erklärte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj am Donnerstag im Onlinedienst X. Leider sei nur „ein Teil“ der Geschosse abgefangen worden, fügte er hinzu.

Die Angriffe hätten „Produktionsanlagen und Übertragungssysteme“ in den Regionen Kiew, Charkiw, Saporischschja und Lwiw ins Visier genommen, erklärte Energieminister German Galuschtschenko im Onlinedienst Telegram. Der ukrainische Energieversorger DTEK teilte auf Telegram mit, zwei seiner Wärmekraftwerke seien angegriffen worden, ohne die Standorte zu nennen.

Der ukrainische Generalstab erklärte im Onlinedienst Facebook, Moskau habe für die Angriffe Marschflugkörper und Schahed-Drohnen aus iranischer Produktion eingesetzt. Die Ukraine habe 37 der 40 abgefeuerten Drohnen zerstören können, hieß es.

In der ostukrainischen Stadt Charkiw und der umliegenden Region habe Russland „kritische Infrastruktur“ angegriffen, erklärte Gouverneur Oleh Synegubow auf Telegram. Nach Angaben von Charkiws Bürgermeister Ihor Terechow und der Polizei schlug mindestens ein russisches Geschoss in der Stadt ein. Probleme mit der Energieversorgung seien möglich, die U-Bahn werde für einige Stunden geschlossen bleiben, erklärte Terechow am Morgen.

Die Region Kiew sei „massiv“ angegriffen worden, erklärte der Chef der örtlichen Militärverwaltung, Ruslan Krawtschenko. Dabei sei auch eine „Einrichtung kritischer Infrastruktur“ ins Visier genommen worden.

In der südukrainischen Region Saporischschja meldete Gouverneur Iwan Fedorow einen „massiven Angriff“, bei dem Energieinfrastruktur beschädigt worden sei. In der Region Odessa brach durch herabfallende Drohnentrümmern ein Feuer auf einer Energie-Anlage aus, wie die ukrainischen Streitkräfte mitteilten.

Russland bombardiert seit mehreren Wochen die Energieinfrastruktur der Ukraine, insbesondere in der Umgebung von Charkiw, was zu großflächigen Stromausfällen führt. (afp)

Charkiw erneut unter russischem Beschuss

Das ostukrainische Gebiet Charkiw ist in der Nacht zu Donnerstag erneut von Russland angegriffen worden. Der Gouverneur des Gebiets, Oleh Synjehubow, teilte auf Telegram mit, es habe mindestens zehn Raketenangriffe auf die kritische Infrastruktur der Stadt Charkiw und der Region gegeben. Stromausfälle würden bereits behoben. Bisher seien keine Opfer gemeldet worden. Am Mittwoch waren durch russischen Beschuss mindestens drei Menschen getötet worden. Die Ukraine wehrt seit über zwei Jahren eine russische Invasion ab. Die ostukrainische Grenzregion Charkiw ist seit mehreren Wochen besonders heftigen Angriffen aus der Luft ausgesetzt. (dpa)

Ukraine kann Energiebedarf durch Erneuerbare decken

Um den gesamten Strombedarf der Ukraine alleine mit Solar- und Windenergie zu decken, benötigt das Land nur ein Hundertstel seiner dafür geeigneten Landesfläche. Dies ist das Ergebnis einer neuen Studie des Institute for Sustainable Futures an der Technischen Universität in Sydney im Auftrag von Greenpeace. Zudem kann das Land sogar einen beträchtlichen Überschuss für den Energieexport erzielen.

Um dieses Potenzial zu nutzen und die Ukraine besser mit EU-Ländern zu verbinden, müssen bestehende Stromleitungen gestärkt und neue gebaut werden. Bis 2030 könnten dadurch rund 20.000 Arbeitsplätze entstehen. „Solar- und Windenergie sind als dezentrale Technologien besonders geeignet, die ukrainische Bevölkerung vor Stromausfällen in Folge massiver russischer Attacken auf die Energieinfrastruktur zu schützen. Zudem sind die Kapazitäten schnell und kostengünstig aufzubauen“, sagt Andree Böhling, Energie-Experte von Greenpeace. „Das sind sehr gute Nachrichten für die Ukraine.“

Die Studie überrascht auch mit einer weiteren Erkenntnis: Das Potenzial der Solarenergie ist 60-mal höher als die ukrainische Regierung im sogenannten „Ukraine-Plan“ zum Wiederaufbau des Landes selbst schätzt. So kommt das Land als europaweiter Exporteur von grünem Strom ins Spiel – und verdient daher mehr Aufmerksamkeit von der deutschen Bundesregierung und Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne). „Deutschland sollte sich schon aus ureigenen Interessen hier viel stärker engagieren“, fordert Böhling.

Die Studie untersucht das Potenzial von Wind- und Solarenergie, da diese die größte, nachhaltigste und kostengünstigste Entwicklungsmöglichkeit für die Energieversorgung der Ukraine darstellen. Mithilfe digitaler Daten des Geoinformationssystems (GiS) berechnete das Institut zwei Szenarien. Szenario 1 berücksichtigt alle nachhaltig nutzbaren und geologisch geeigneten Flächen des Landes. In Szenario 2 werden nur die geeigneten Flächen berücksichtigt, die maximal 10 Kilometer von der nächsten Hochspannungsleitung entfernt liegen.

Für Szenario 1 reichen 0,46 Prozent des Solar- und 0,4 Prozent des Windpotenzials aus, um das gesamte Land mit Strom zu versorgen. Auch Szenario 2 bietet gute Aussichten: Mit den Flächen in einem Umkreis von 10 Kilometern um eine Hochspannungsleitung könnte die Ukraine ihren Strombedarf auf nur einem Prozent ihrer Landesfläche mit Wind- und Sonnenenergie decken. „Das enorme Potenzial bei Wind- und Solarenergie übersteigt den aktuellen Strombedarf des Landes um nahezu das 150-fache“, betont Prof. Dr. Sven Teske, Autor der Studie. „Die EU könnten bei ihrem Ziel einer Dekarbonisierung stark von Ökostrom oder grünem Wasserstoff aus der Ukraine profitieren, während sich für die Ukraine enorme wirtschaftliche Perspektiven beim Wiederaufbau eröffnen.“ (ots)

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7 Kommentare

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  • "Nur wenn die Ukraine den Krieg gewinnt, gibt es eine Chance auf Frieden"

    Ich würde gerne Mal einen realistischen militärischen Lösungsansatz hören. Leider wird ein entscheidender Parameter immer ausgeblendet:



    - die US Administration hatte ja Ihren "Armageddon Moment" im Herbst nach der erfolgreichen Charkiw Offensive und dann seine Strategie geändert und auch deutlich gemacht, dass sie nicht bereit ist eine nukleare Eskalation zu riskieren.



    www.nytimes.com/20...cleshare&sgrp=c-cb



    Außerdem vertritt ja nicht nur Biden einen "nassvollee" Strategie, sondern auch die meisten bedeutenden europ. Politiker.



    Letztendlich ist aber sowieso die Frage irrelevant - Europa ist viel zu abhängig um gegen die USA eine Strategie durchzusetzen selbst wenn Europa es wollen würde.



    Und selbst bei einer sehr unwahrscheinlichen Strategieänderung würde die entscheidende Frage bleiben, ob Putin "bereit" ist sich besiegen zu lassen.



    Auch dieser Punkt wird meistens vorgelassen oder lapidar mit der Aussage abgehandelt, dass Putin sich wahrscheinlich nicht trauen würde Nuklearw. einzusetzen.



    Der militärische Lösungsansatz ist genauso unwahrscheinlich wie der rein pazifistische.



    Folglich muss man sich irgendwann der bitteren Wahrheit stellen, dass man China und Indien braucht um eine diplomatische Lösung zu erzielen. Einen Hoffnungsschimmer scheint es jedoch zu geben; nämlich Revival der klassischen Diplomatie. So gibt es Tendenzen, die Hoffnung machen, dass man Indien nicht mehr nur einfach versucht unter Druck zu setzen, sondern auch versucht auf Bedürfnisse einzugehen:



    www.merkur.de/wirt...n-zr-92887828.html

    Ja, klassische Diplomatie ist bei uns inzwischen vielfach verschrien, aber es bleibt zu hoffen, dass oben erwähnter Ansatz trotzdem wirklich versucht wird anzuwenden.

    • @Alexander Schulz:

      "die US Administration hatte ja Ihren "Armageddon Moment" im Herbst nach der erfolgreichen Charkiw Offensive und dann seine Strategie geändert und auch deutlich gemacht, dass sie nicht bereit ist eine nukleare Eskalation zu riskieren."

      Wie oft wollen Sie dieses Märchen hier eigentlich noch wiederholen?

      "The White House has said that Joe Biden’s warning of “Armageddon” if Russia uses a nuclear weapon in Ukraine was not based on any new intelligence suggesting such nuclear use is imminent." www.theguardian.co...ar-weapons-ukraine

      Bidens Satz war eine allgemeine Warnung an Russland für den Fall eines Einsatzes taktischer Atomwaffen. www.theguardian.co...-weapon-in-ukraine

      Von einem "Strategiewechsel" kann natürlich nicht ansatzweise die Rede sein. Biden hat danach sein 60 Mrd-$-Hilfsprogramm für die Ukraine auf den Weg gebracht, um das Land auch weiterhin militärisch unterstützen zu können. Was also die von Ihnen herbeifabulierte "maßvolle" Politik bedeuten soll, die angeblich von "meisten bedeutenden europ. Politikern" unterstützt wird, wissen nur Sie allein.

  • "Frieden durch Krieg", was für ein abwegiger Gedanke!



    In Deutschland ist die Debatte um Tauruslieferungen, aus guten Gründen, versiegt.



    In der Ukraine scheint das anders zu sein.



    Dass Taurus kein Gamechanger ist, wurde von vielen Seiten beleuchtet.



    In der jetzigen Situation, in der die Ukrainische Armee immer mehr an Boden verliert, vom Sieg der Ukraine zu sprechen, kommt dem Ignorieren sämtlicher Tatsachen gleich.



    Um das mal deutlich auszusprechen, es sieht derzeit so aus, als ob die Ukraine den Krieg verliert.



    Lange haben ukrainische und westliche KommentatorInnen die Mär von David gegen Goliath aufgebaut. Die russische Armee wurde für Ihre angebliche Unfähigkeit lächerlich gemacht.



    Bei Aller möglichen Unfähigkeit sind die Fähigkeiten denen der ukrainischen Armee jedoch überlegen.



    Nachdem die verschobene Frühjahrsoffensive der Ukraine krachend scheiterte, verlegte man sich darauf, die Verantwortung bei den UnterstützerInnen und Unterstützern zu suchen.



    Es wäre ein Wunder, wenn sich die USA doch noch auf ein Unterstützungspaket für die Ukraine einigen könnten.



    Doch das thematisiert Frau Madwijtchuck ja gar nicht.



    Sie spricht über Deutschland, obwohl von hier aus weitere Unterstützung fließt.



    Achja, an die BellizistInnen: es war im Ergebnis gut, dass die Alliierten den zweiten Weltkrieg gewonnen haben. Einen Weltkrieg halte ich jedoch nicht für einen Lösungsansatz.



    So spontan fällt mir, für die Zeit nach dem zweiten Weltkrieg, allerdings kein weiteres , im Ergebnis derart positives Beispiel ein, das Kriege als Lösungsmittel empfiehlt.



    Klar ist das Kind jetzt in den Brunnen gefallen und Verhandlungen wirken derzeit unmöglich.



    Ein Sieg der Ukraine ist allerdings Traumtänzerei.

    • @Philippo1000:

      Es sollte sich ja inzwischen herumgesprochen haben, dass das drängendste Problem der Ukraine die Versorgung mit Munition ist sowie fehlende Möglichkeit, Schlüsselpunkte der russischen Armee mit weitreichenden Rakten - wie Taurus - anzugreifen und damit ihrerseits die Versorgungswege der russischen Armee zu behindern.

      Ihr Kommentar erinnert mich an jene famosen Militärexperten vom Schlage eines Erich Vad, die bereits am Tag des Überfalls "prognostizierten", der Krieg werde in einer Woche vorbei sein.

      Es erstaunt mich allerdings immer wieder, mit welcher Kaltschnäuzigkeit manche dennoch bereit sind, die Ukraine dem russischen Diktator auszuliefern, gleichwohl von Frieden sprechen und nur Unterwerfung meinen.

  • Frau Matwijtchuk hat recht. Nur wenn die Ukraine den Krieg gewinnt, gibt es eine Chance auf Frieden. Eine Verringerung oder gar Einstellung der Waffenlieferungen wäre keine Lösung. Zwar wäre dann der Krieg schnell beendet, aber auf Kosten der Ukraine! Die wäre fortan kein souveräner Staat mehr, sondern bestenfalls eine Kolonie von Putins Russland!



    Schlimmer noch: Sobald Ruhe an der Ukraine-Front ist, kann sich Putin seinen nächsten „Projekten“ zuwenden. Putin will den „Faschismus“ bekämpfen, bislang noch in der Ukraine. Aber neuerdings sieht er auch Faschisten in den baltischen Staaten am Werke. Gilt seine nächste „militärische Spezialoperation“ dann dem Baltikum? Und danach Finnland und Polen? Denn auch dort hat er schon Faschisten ausgemacht. Außerdem gehörten in der Vergangenheit große Teile von Finnland und Polen lange Zeit zu Russland, und Putin will doch sowieso die alte Ordnung wiederherstellen.



    Die Zukunft Europas hängt sehr wohl vom Ausgang des Ukraine-Krieges ab!

    • @Pfanni:

      "Faschismus" Ist Putins Analaogon zur "jüdisch bolschewiistischen Weltverschwörung" gegen die sich die "russki mir" im Existenzkampf befindet.



      Mag zwar auch durch den Versuch der Anknüpfung an den großen Vaterländischen Krieg motiviert sein, aber letztlich erfüllt es auch den Zweck, alles was Russland nicht nützt brandmarken und bekämpfen zu können.

    • @Pfanni:

      Putins Definition von Faschismus ist offenbar auch eine ganz andere als dien die der Rest des Planeten hat.



      Dies wurde letzes Jahr deutlich als er auf dem Waldai-Forum von der Jungen Welt zur AfD befragt wurde.

      "Alles, was profaschistisch, pronazistisch ist, verurteilen wir unbedingt. Alles, was diese Merkmale nicht hat, sondern im Gegenteil darauf gerichtet ist, Kontakte zu knüpfen, wird von uns unterstützt."

      Für Putin ist es also vollkommen, dort Faschismus vorzufinden. Er wird nicht hofiert und mit offenen Armen empfangen. Das ist doch russophober Faschismus in Reinkultur oder nicht?