+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++: Selenski will Dialog ohne Putin
Der ukrainische Präsident erklärt sich zu Verhandlungen mit Moskau bereit, aber ohne den Kremlchef. Russlands Oberhaus ratifiziert die Annektierung von vier Regionen.
Selenski offen für Gespräche mit Russland, aber ohne Putin
Der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski hat ein Dekret unterzeichnet, mit dem offiziell festgehalten wird, dass sein Land offen für einen Dialog mit Russland ist, allerdings nicht mit Staatschef Wladimir Putin. Mündlich hatte Selenski die Devise bereits am Freitag ausgegeben, nachdem Putin vier besetzte ukrainische Gebiete zu Teilen Russlands erklärt hatte.
Der Kreml reagiert ablehnend auf das Dekret. „Wir werden entweder warten, bis der derzeitige Präsident seine Position ändert, oder warten, bis der nächste Präsident seine Position im Interesse des ukrainischen Volkes ändert“, sagt Kreml-Sprecher Dmitri Peskow vor Journalisten. Er betont, dass die „spezielle Militäroperation“ nicht enden werde, wenn die Ukraine Gespräche ausschließe. Für Verhandlungen seien zwei Seiten nötig. Mit „spezieller Militäroperation“ bezeichnet Moskau den von Russland geführten Krieg in der Ukraine. Das von Selenski unterzeichnete Dekret fixiert formell die Position, dass es „unmöglich“ Gespräche mit Putin geben könne. (rtr)
Russland meldet 200.000 eingezogene Menschen
Im Zuge der Teilmobilmachung in Russland sind nach Angaben von Verteidigungsminister Sergej Schoigu bereits mehr als 200.000 Menschen eingezogen worden. „Die Ausbildung erfolgt auf 80 Übungsplätzen und in 6 Ausbildungszentren“, sagte er am Dienstag in Moskau seinem Ministerium zufolge.
Experten des britischen Verteidigungsministeriums hatten zuvor noch von erheblichen Problemen berichtet. Russland sei nicht mehr in der Lage, ausreichend Ausrüstung und militärisches Training für die große Zahl an Rekruten bereitzustellen, hieß im täglichen Kurzbericht.
Schoigu sagte, die zuständigen Stellen seien angewiesen worden, den Rekruten die notwendige Kleidung und Ausrüstung zur Verfügung zu stellen und sie einzuweisen. Nach Schoigus Darstellung haben sich viele Freiwillige gemeldet. Zahlen nannte er nicht. Es sollte niemand abgelehnt werden, „wenn es keine schwerwiegenden Gründe gibt“. (dpa)
Russisches Oberhaus ratifiziert Annexion
Das russische Oberhaus hat wie erwartet die Annektierung von vier ukrainischen Regionen ratifiziert. Es stimmte am Dienstag Verträgen für die Gebiete Cherson, Saporischschja, Donezk und Luhansk zu, um diese zu einem Teil Russlands zu machen.
Am Montag hatte bereits die Duma der Annexion zugestimmt. Die Vorlage geht jetzt zurück an Präsident Wladimir Putin, nach dessen Unterschrift ist sie in Kraft. Die Provinzen sind allerdings nicht völlig unter Kontrolle der russischen Streitkräfte, weshalb die von der Regierung in Moskau angestrebten Grenzziehungen völlig unklar sind. (ap/rtr/taz)
Selenski wirbt um Vertrauen in befreiten Gebieten
Vor dem Hintergrund der ukrainischen Offensive hat Präsident Wolodimir Selenski um das Vertrauen der Bevölkerung in den russisch besetzten Gebieten geworben. „Russische Propagandisten schüchtern die Menschen in den noch von den Besatzern kontrollierten Gebieten ein, dass die Ukraine angeblich fast jeden, der in den besetzten Gebieten bleibt, als Kollaborateur betrachten werde. Absolut wirres Zeug“, sagte Selenski am Montag in seiner täglichen Videoansprache. Wer sich den Russen nicht angedient habe, habe nichts zu befürchten, sagte er.
Der 44-Jährige betonte, dass es nur vereinzelt Unterstützung für die russischen Okkupanten gegeben habe, obwohl sich „Hunderttausende“ vorübergehend unter der Besatzungsmacht befunden hätten. Damit widersprach er dem russischen Narrativ, dass die Menschen in den vier besetzten ukrainischen Gebieten Cherson, Donezk, Luhansk und Saporischschja mehrheitlich nach Russland strebten. Mit dieser Begründung hatte Kremlchef Wladimir Putin nach der Abhaltung von Scheinreferenden die Gebiete annektiert.
Selenski berichtete von weiteren Rückeroberungen der ukrainischen Armee und kündigte die Auszahlung von Renten und Sozialleistungen in den wiedergewonnenen Territorien an. (dpa)
Musk und Selenski bekriegen sich auf Twitter
Tesla-Chef Elon Musk hat am Montag die Twitter-Nutzer aufgefordert, über einem Plan zur Beendigung des russischen Kriegs in der Ukraine abzustimmen. Er schlug von den Vereinten Nationen (UN) überwachte Wahlen in den vier besetzten Regionen vor, die die Regierung in Moskau nach sogenannten Referenden vergangene Woche annektieren will. „Russland geht, wenn das der Wille des Volkes ist“, schrieb Musk am Montag auf dem Kurznachrichtendienst. Die Krim, die 2014 von Russland erobert wurde, solle laut Musk formell zu Russland gehören, die Wasserversorgung dort solle sichergestellt werden und die Ukraine bleibe neutral. Er bat die Twitter-Nutzer, mit „Ja“ oder „Nein“ über seinen Vorschlag abzustimmen.
Der ukrainische Präsident Wolodimir Selenskyj reagierte umgehend mit seiner eigenen Umfrage auf der Social-Media-Plattform. „Welchen Elon Musk mögen Sie mehr?“, twitterte er und bot zwei Antworten an: „Einen, der die Ukraine unterstützt“ oder „Einen, der Russland unterstützt“. Auch Litauens Präsident Gitanas Nauseda meldete sich in dem Twitter-Streit zu Wort. „Lieber Elon Musk, wenn jemand versucht, die Räder deines Tesla zu stehlen, macht ihn das nicht zum rechtmäßigen Besitzer des Autos oder der Räder. Auch wenn sie behaupten, sie hätten für den Plan gestimmt. Ich sag's nur“, schrieb er auf seinem offiziellen Profil.
Musk ließ auf seinen ersten Tweet eine weitere Umfrage folgen. „Versuchen wir es mal so: Der Wille der Menschen, die im Donbass und auf der Krim leben, sollte entscheiden, ob sie Teil Russlands oder der Ukraine sind.“ Es sei ihm egal, ob sein Vorschlag unpopulär sei. Aber es sei ihm nicht egal, dass „dass Millionen von Menschen unnötig für ein im Wesentlichen identisches Ergebnis sterben könnten.“ Russland habe mehr als die dreifache Bevölkerung der Ukraine, sodass ein Sieg der Ukraine in einem totalen Krieg unwahrscheinlich sei. „Wenn Ihnen die Menschen in der Ukraine am Herzen liegen, sollten Sie den Frieden suchen.“
Der scheidende ukrainische Botschafter in Deutschland, Andrij Melnyk, reagierte unverblümt auf den Friedensplan von Musk. Seine „diplomatische Antwort“ an ihn sei, „Fuck off“, was man freundlich mit „er solle sich zum Teufel scheren“ übersetzen könnte. (dpa/taz)
Nordkorea verteidigt russische Annexion
Nordkorea hat die Annexion Russlands von vier besetzten Regionen in der Ukraine in einer Erklärung verteidigt. Außenminister Jo Chol Su bezeichnete die „Referenden“ über den Beitritt als legitim und „im Einklang mit der UN-Charta“, wie die staatliche Nachrichtenagentur KCNA am Dienstag berichtete. Eine überwältigende Mehrheit der Wähler habe sich für den Anschluss an Russland ausgesprochen“, sagte Jo. Nordkorea ist ein Verbündeter Russlands. Der Westen hatte Russlands Vorgehen zuvor scharf verurteilt und erklärt, die Annexionen nicht anzuerkennen. (afp)
IWF prüft Milliardenhilfe für die Ukraine
Das Exekutivdirektorium des Internationalen Währungsfonds (IWF) wird am Donnerstag Insidern zufolge den Antrag der Ukraine auf 1,3 Milliarden Dollar an Notfallmitteln prüfen. Die Ukraine habe ausreichende finanzielle Zusicherungen von ihren globalen Partnern erhalten, um die Anforderungen des IWF an die Schuldentragfähigkeit zu erfüllen und sich für die Notfinanzierung zu qualifizieren, sagen zwei mit der Angelegenheit vertraute Personen der Nachrichtenagentur Reuters. Die notwendigen Dokumente für die Bereitstellung der Mittel seien bereits vorbereitet. (rtr)
USA vor weiterer Waffenlieferung
Die USA wollen der Ukraine zeitnah vier weitere Mehrfachraketenwerfer vom Typ Himars zukommen lassen. Die Lieferung sei Teil eines neuen Hilfspakets im Umfang von 624 Millionen Dollar (rund 635 Millionen Euro), das voraussichtlich am Dienstag verkündet werden solle, teilten US-Gewährspersonen am Montag (Ortszeit) mit. Damit würde die Zahl der präzisen Mehrfachraketenwerfer mit hoher Reichweite, die Washington der Führung in Kiew bereitgestellt hat, auf 20 steigen. (ap)
Ungarn schließt Theater wegen Energiekosten
Das 111 Jahre alte Erkel-Theater in Budapest, eine von drei Bühnen der renommierten Ungarischen Staatsoper, bleibt von November an dunkel. Die rasant gestiegenen Energiekosten machen es der Intendanz nach eigener Darstellung unmöglich, den Zuschauerraum mit 1.800 Sitzplätzen noch weiterhin zu beheizen. Vielen anderen Theatern und Opernhäusern geht es nicht besser.
Auch das Budapester Trafo-Haus für Zeitgenössische Kunst sah sich zu schmerzlichen Einsparungen gezwungen, wie Direktorin Beata Barda erklärt. Dort sollen die Aufführungen im kommenden Winter um etwa ein Drittel reduziert werden. „Wir möchten auf jeden Fall verhindern, ganz zu schließen oder unser Repertoire einschränken zu müssen. Also mussten wir halt sehen, wie wir mit weniger Aufführungen über die Runden kommen“, sagt Barda. Die Stromkosten des Trafo-Hauses hätten sich seit Juni verdreifacht.
Die kulturellen Einrichtungen außerhalb Budapests leiden nicht weniger als die in der Hauptstadt. Kommunalbehörden im ganzen Land haben die Schließung von Theatern, Kinos, Museen und anderen Kulturstätten angekündigt. Selbst dann könne die öffentliche Hand nur mit Ach und Krach über den Winter kommen, heißt es. Viele Kulturschaffende fragen sich allerdings, ob solche Schließungen wirklich nur temporär für die kältesten Monate des Jahres verfügt würden oder ob vielen Theatern und ähnlichen Einrichtungen dauerhaft das Aus drohe. (ap)
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